SPD, CDU und Grüne wollen, dass Bewerber mit weniger als 2,5 Prozent der Stimmen keinen Sitz erhalten. Doch das ist umstritten.
Von Peter Kurz
Düsseldorf. Für Robert Hotstegs ist es ein „Verfassungsbruch mit Ansage“, den der NRW-Landtag da vorhabe. Auch wenn der Hauptausschuss des Landtags morgen noch Experten anhören will – der Düsseldorfer Fachanwalt für Verwaltungsrecht sieht es schon als beschlossene Sache, dass eine Sperrklausel bei den Kommunalwahlen für Stadträte und Kreistage eingeführt wird. Hotstegs warnt: „Der Landtag plant mit der Hürde, die ein Wahlbewerber für künftige Stadträte oder Kreistage überspringen muss, einen Verstoß gegen das Grundgesetz.“
Gegner: Wählerstimmen fallen unter den Tisch, es drohen Klagen
Jede Stimme müsse den gleichen Effekt erzielen können, sagt Hotstegs. Das sei nicht der Fall, wenn Stimmen über eine Sperrklausel „faktisch ungültig“ werden. Folge werde sein, dass in vielen Kommunen die nächste Kommunalwahl angefochten werde – von Bewerbern, die wegen der Sperrklausel abgewiesen werden.
Auch wenn morgen noch zahlreiche Sachverständige, darunter Wissenschaftler und Kommunalpolitiker, angehört werden, ist sich ein großes Bündnis von SPD, CDU und Grünen im Landtag bereits einig: Die Landesverfassung wird geändert und eine Sperrklausel festgelegt. In Stadt- und Gemeinderäten, Bezirksvertretungen, Kreistagen und der Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr sollen nur noch die Wahlvorschläge berücksichtigt, die mindestens 2,5 Prozent der Stimmen erhalten haben.
Befürworter: Die Stadträte müssen handlungsfähig bleiben
Was danach riecht, dass die etablierten Parteien auf Landesebene dafür sorgen, dass die Konkurrenz auf kommunaler Ebene herausgedrängt wird, hat durchaus sachliche Gründe. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird darauf hingewiesen, dass die Handlungsfähigkeit der Räte und Kreistage durch die Zersplitterung beeinträchtigt oder gefährdet sei. Die stark gestiegene Zahl von Einzelmandatsträgern und nicht fraktionsfähigen Gruppen behinderten die Arbeit der Gremien. Sitzungen könnten sich in einem unvertretbaren Maß in die Länge ziehen. Künftige Bewerber um kommunalpolitische Ämter würden so von einem Engagement abgeschreckt.
Nicht nur für längere, auch für zusätzliche Sitzungen können Minderheiten sorgen. In Düsseldorf beispielsweise haben sich Ratsmitglieder der Tierschutzpartei und der Freien Wähler zusammengetan, um ein Riesenrad in Hofgartennähe zu verhindern, weil dieses die Tiere in dem Park störe. Gegen die Ablehnung einer Sondersitzung des Stadtrats zu dem Thema klagen sie vor dem Verwaltungsgericht.
Die Befürworter einer Sperrklausel warnen: Wenn Einzelne schon mit wenigen Wählerstimmen in den Rat einziehen, nimmt die politische Bereitschaft zur gezielten und bewussten Verfolgung von Partikularinteressen ohne Bemühung um das übergeordnete Allgemeininteresse zu.
Bei einer Sperrklausel fallen freilich Wählerstimmen unter den Tisch, wenn gewählte Bewerber nicht berücksicht werden. „Das verzerrt die Wahl“, sagt Verwaltungsrechtler Hotstegs und verweist auf ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Münster. Dieser hatte 1999 die damalige Fünf-Prozent-Klausel gekippt, dabei aber eine Sperrklausel ausdrücklich nicht ein für allemal ausgeschlossen. Eine Hürde, die überdies auch bei Bundestags- und NRW-Landtagswahlen (jeweils fünf Prozent) gilt.