Disziplinarverfahren sind eine Herausforderung und eine Belastung zu gleich. Für Beamte wie auch für die Behörden. Macht es dann einen Unterschied, ob eine in Ermittlungen unerfahrene Gemeinde ein Verfahren führt und sich erstmalig im Disziplinarrecht bewegt oder ob eine geübte Ermittlungsbehörde das Verfahren führt? Die Realität belegt diese Vermutung nicht. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit einem Beschluss vom 22.07.2015, der heute den Parteien zugestellt wurde, ein Disziplinarverfahren eines Polizeipräsidenten eingestellt, weil dieser auch auf eine vorherige Frist des Verwaltungsgerichts hin nicht reagiert hatte und das Verfahren nicht ordnungsgemäß abgeschlossen hatte.
Die Disziplinarklage, die der Polizeipräsident nach Ablauf der gesetzten Frist bei Gericht eingereicht hat, ist somit im Ergebnis auch unzulässig und muss daher zurückgewiesen werden.
Die Behörde kann aber gegen den heute zugestellten Beschluss noch Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen einlegen.
Der Einstellungsbeschluss lautet im Volltext:
Das gegen den Antragsteller gerichtete Disziplinarverfahren wird eingestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
Das gegen den Antragsteller gerichtete Disziplinarverfahren war gemäß § 62 Abs. 3 Landesdisziplinargesetz (LDG NRW) einzustellen, da es nicht innerhalb der vom Disziplinargericht bestimmten Frist abgeschlossen worden ist.
§ 62 Abs. 3 LDG NRW bestimmt, dass das behördliche Disziplinarverfahren durch Beschluss des Gerichts einzustellen ist, wenn es nicht innerhalb der nach Abs. 2 bestimmten Frist abgeschlossen wird. Der rechtskräftige Beschluss nach Abs. 3 steht einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 62 Abs. 4 LDG NRW).
Die Disziplinarkammer hat dem Antragsgegner durch Beschluss vom 2. März 2015 – 35 K 8625/14.0 – gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW zum Abschluss des gegen den Antragsteller gerichteten Disziplinarverfahrens durch Einstellung, durch Erlass einer Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses beim Antragsgegner gesetzt. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner ausweislich des hierzu gefertigten Empfangsbekenntnisses am 4. März 2015 zugestellt.
Drei Monate später ist die Frist abgelaufen. Da der 4. Juni 2015 auf einen Feiertag (Fronleichnam) fiel, lief die vom Disziplinargericht gesetzte Frist ab am Freitag, den 5. Juni 2015 (vgl. § 3 LDG NRW, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO).
Bis dahin hatte der Antragsgegner das gegen den Antragsteller gerichtete Disziplinarverfahren nicht wie angeordnet abgeschlossen. Hierzu reichte es nicht aus, dass der Antragsgegner unter dem Datum des 5. Juni 2015 eine Mitteilung an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers versandt hat, dass die Erhebung der Disziplinarklage beabsichtigt sei. Für den Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens hätte der Antragsgegner vielmehr eine der im Tenor des Beschlusses vom 2. März 2015, der auf den Vorgaben des § 62 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW beruht, ausdrücklich genannten Alternativen – u.a. Erhebung der Disziplinarklage – wählen müssen. Dies ist aber innerhalb der gesetzten Frist nicht geschehen. Der Antragsgegner hat erst am 19. Juni 2015 eine Disziplinarklageschrift bei der Disziplinarkammer eingereicht. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 35 K 4411/15.O geführt.
Vor diesem Hintergrund kann auf sich beruhen, ob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die Mitteilung vom 5. Juni 2015 überhaupt innerhalb der vom Disziplinargericht gesetzten Frist erhalten hat oder – wie er geltend macht – erst später, nämlich per Fax am 8. Juni 2015 und damit außerhalb der Frist.
Gemäß § 62 Abs. 3 LDG NRW ist das behördliche Disziplinarverfahren durch Beschluss des Gerichts einzustellen, wenn es – wie hier – nicht innerhalb der nach Abs. 2 bestimmten Frist abgeschlossen wird. Die Vorschrift räumt dem Gericht kein Ermessen ein. Das Gericht hat daher nur die Einstellungsvoraussetzung, d.h. den Fristablauf, zu prüfen.
Vgl. Weiß, in: GKÖD Bd. II, DisR, § 62 BDG, Rdn. 50.
Insofern ist der Einwand des Antragsgegners unerheblich, seit der Fristsetzung durch das Disziplinargericht habe keine unangemessene Verzögerung des Verfahrens vorgelegen, die er zu vertreten habe. Soweit der Antragsgegner in seiner Stellungnahme vom 6. Juli 2015 darauf hinweist, allein schon wegen gesetzlich vorgeschriebener Fristen hinsichtlich der abschließenden Anhörung gem. § 31 LDG NRW, Anhörung des Antragstellers in Bezug auf die beabsichtigte Erhebung der Disziplinarklage sowie der Personalratsbeteiligung, sei die Einhaltung der Frist von drei Monaten nicht möglich gewesen, muss er sich vielmehr entgegen halten lassen, dass er für den Fall, dass die Frist aus nicht zu vertretenden Gründen voraussichtlich nicht eingehalten werden konnte, gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 3 LDG NRW die Möglichkeit hatte, vor Ablauf der ihm gesetzten Frist einen Antrag auf Fristverlängerung zu stellen. Aus diesem Grunde ist die durch die Disziplinarkammer gesetzte Frist im Übrigen auch verbindlich und nicht lediglich als unverbindlicher Ausdruck des für das Disziplinarverfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes zu verstehen. Einen solchen Fristverlängerungsantrag hat der Antragsgegner aber nicht gestellt.
Der Einstellung des Disziplinarverfahrens nach § 62 Abs. 3 LDG NRW steht auch nicht entgegen, dass im Fristsetzungsbeschluss vom 2. März 2015 auf die Rechtsfolge der Einstellung nach Fristablauf nicht hingewiesen worden ist. Auf gesetzlich vorgesehene Folgen, die sich aus der Nichteinhaltung einer vom Gericht gesetzten Frist ergeben, muss grundsätzlich nicht hingewiesen werden. Soweit für bestimmte Prozesssituationen eine Belehrungs- und Hinweispflicht im Zusammenhang mit einer gerichtlichen Fristsetzung als notwendig angesehen worden ist, hat der Gesetzgeber dies ausdrücklich geregelt, so z.B. in § 87 b Abs. 3 Nr. 3 VwGO, § 92 Abs. 1 Satz 3 letzter HS VwGO, § 92 Abs. 2 Satz 3 VwGO.
Vgl. Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 5. Mai 2014 – 8 A 9/14 -‚ juris, Rdn. 2.
Das Disziplinargesetz des Landes Nordrhein-Westfalen sieht z.B. in § 54 Abs. 1 Satz 2 eine Belehrung des Beamten oder in § 60 Abs. 1 Satz 3 eine Belehrung der Beteiligten über die Folgen einer Fristversäumung vor. § 62 LDG NRW enthält keine entsprechende Regelung. Durch diesen Verzicht kommt zum Ausdruck, dass der ein Disziplinarverfahren betreibende Dienstherr eines Beamten insoweit nicht durch das Gericht auf den Inhalt der Verfahrensvorschrift des § 62 LDG NRW hingewiesen werden muss. Von einer Behörde kann die Kenntnis der einschlägigen Vorschriften über das von ihr eingeleitete Disziplinarverfahren erwartet werden, zumal im Verfahren nach § 62 LDG NRW dessen eindeutig formulierter Abs. 3 ins Auge springen muss.
Vgl. Weiß, in: GKÖD Bd. II, DisR. § 62 BDG, Rdn. 44.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 1 VwGO.
Eine Antwort auf „Verfahrenseinstellung, weil Behörde das Disziplinarrecht nicht kennt, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 22.07.2015, Az. 35 K 4346/15.O“