Ein heute bekannt gewordener Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts macht deutlich, wie wichtig es ist, im Disziplinarverfahren die Verteidigung auf eine breite Argumentationsbasis zu stellen: während viele andere Rügen erfolglos blieben, waren wir am Ende damit erfolgreich, dass wir die Verletzung rechtlichen Gehörs darlegen konnten.
Das ist umso bedeutender, als wir nämlich das Verfahren erst nach dem Abschluss des Strafverfahrens (mit einem Freispruch des Beamten) und nach der zweiten Disziplinarinstanz (jeweils Entfernung aus dem Dienst) von einem Kollegen übernommen haben. Während das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht auch die Pflicht haben, den Sachverhalt zu ermitteln, bewertet das Bundesverwaltungsgericht in der Nichtzulassungsbeschwerde nur reine Rechtsfragen. Hier zahlt sich daher Erfahrung im Disziplinarrecht doppelt aus.
Leitsätze des Gerichts:
1. Im Rahmen der Bemessung der Disziplinarmaßnahme kann unter dem Aspekt der Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG; hier: § 11 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ThürDG) zu dessen Gunsten zu berücksichtigen sein, dass der Beamte die von ihm eingeräumten Taten nachträglich aufgearbeitet hat (z.B. indem er innere Einsicht zeigt oder sie wiedergutzumachen sucht) und eine erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist.
2. Nicht zulässig ist es dagegen, das Ausbleiben einer solchen inneren Einsicht und Aufarbeitung zu Lasten des Beamten zu würdigen. Zulässiges Prozessverhalten, wozu auch das Bestreiten der Tat und das Negieren oder Relativieren ihres Unrechtsgehalts gehört, darf grundsätzlich nicht zu Lasten des Beamten gewertet werden.
eigener Leitsatz:
3. Soll die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausschlaggebend auch auf das Verteidigungsverhalten im Disziplinarverfahren gestützt werden, ist hierzu ein gerichtlicher Hinweis erforderlich und rechtliches Gehör zu gewähren. Der Beamte muss Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können.
Die Entscheidung lautet im Volltext:
Das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 3. September 2013 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe:
Die Beschwerde hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Die Beschwerde rechtfertigt zwar nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO; jedoch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Der im Jahre 1968 geborene Beklagte ist beamteter Grundschullehrer (Besoldungsgruppe A 11 ThürBesG) in Diensten des Klägers. Seit 1991 unterrichtete er an einer Grundschule. Im Sommer 2007 führte der Schulleiter der Grundschule mit dem Beklagten ein Gespräch wegen dessen körperliche Nähe zu Schülerinnen herstellenden Verhaltens im Sportunterricht. Im November 2007 wurde gegen den Beklagten ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen eingeleitet. Im selben Monat wurde er vom Dienst freigestellt. Mit rechtskräftigem landgerichtlichen Urteil vom November 2009 wurde der Beklagte freigesprochen. In dem im Juli 2008 eingeleiteten und wegen des Strafverfahrens ausgesetzten Disziplinarverfahren wurde im September 2010 Disziplinarklage erhoben. Beide Vorinstanzen haben auf eine Entfernung aus dem Dienst erkannt.
Das Oberverwaltungsgericht hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Beklagte ein schwerwiegendes, aus sieben innerdienstlichen Dienstpflichtverletzungen bestehendes einheitliches Dienstvergehen begangen habe, indem er seine beamtenrechtlichen Pflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und zum Wohlverhalten innerhalb des Dienstes verletzt habe. Der Beklagte habe regelmäßig in einer Vielzahl von Fällen während der Unterrichtszeit Kinder zu sich auf den Schoß genommen. Er habe auf privat organisierten Klassenfahrten Grundschülerinnen allein bei sich im Zimmer gehabt, sich mit ihnen auf Klassenfahrt und bei sich zu Hause gemeinsam ins Bett gelegt, mit ihnen gemeinsam Wochenenden in seiner Wohnung verbracht und mit Grundschülerinnen und -schülern ohne hinreichende Sicherstellung der Achtung des Schamgefühls der Kinder spontan einen Saunabesuch durchgeführt. Dabei ging der Senat auf Grund der bindenden Feststellungen des Landgerichts ausdrücklich davon aus, dass den Handlungen, die der Beklagte vorgenommen habe oder habe geschehen lassen, keine strafrechtlich relevante sexuelle Komponente nachzuweisen sei. Die Pflichtwidrigkeit seines Handelns liege darin, dass die nicht sexuell bestimmten Handlungen bei demjenigen, der sie sehe oder davon erfahre, ein sehr großes Unsicherheitsgefühl auslösten, ob der Beklagte jederzeit die verlässliche Gewähr dafür biete, weitere Steigerungen unter gar keinen Umständen aufkommen zu lassen. Bei der Maßnahmebemessung hat das Oberverwaltungsgericht zu Lasten des Beklagten berücksichtigt, dass ihm nach seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung nach wie vor die Einsicht in die Pflichtwidrigkeit seines Tuns fehle.
2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine – vom Beschwerdeführer zu bezeichnende – konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 -8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 <91> und vom 9. April 2014-2 B 107.13 – NVwZ 2014, 1174 Rn. 9). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
a) Soweit der Beklagte die Frage aufwirft, „Darf ein freisprechendes strafgerichtliches Urteil hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen als bindend in ein Disziplinarverfahren eingeführt werden, wenn das disziplinarisch zu ahndende Verhalten vom ursprünglich angeschuldigten strafrechtlichen Verhalten abweicht (disziplinarischer Überhang)?“, ist diese Frage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
Der sogenannte disziplinare Überhang betrifft hier die Frage, ob trotz eines rechtskräftigen Freispruchs im Straf- oder Bußgeldverfahren noch eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen werden darf oder ob einem solchen Ausspruch die Sperrwirkung des rechtskräftigen Freispruchs entgegensteht. Diese Frage beantworten die Disziplinargesetze (vgl. § 13 Abs. 2 ThürDG, § 14 Abs. 2 BDG). Soweit die Sperrwirkung des rechtskräftigen Freispruchs im Straf- oder Bußgeldverfahren für das Disziplinarverfahren reicht, besteht für dieses ein Prozesshindernis (BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1990- 1 D 54.89 – BVerwGE 86, 279 <281 f.>). Allerdings lassen die Disziplinargesetze den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme dann zu, wenn der Sachverhalt, der Gegenstand des Freispruchs gewesen ist, ein Dienstvergehen darstellt, ohne den Tatbestand einer Straf- oder Bußgeldvorschrift zu erfüllen. Erfüllt also ein bestimmtes Verhalten zwar keinen Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand, wohl aber den Tatbestand eines Dienstvergehens, liegt ein disziplinarer Überhang vor und entfaltet der rechtskräftige Freispruch im Straf- oder Bußgeldverfahren keine Sperrwirkung für das Disziplinarverfahren (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Mai 1990 – 1 D 54.89 – BVerwGE 86, 279<282>. vom 30. Juli 1991 – 2 WD 5.91 – BVerwGE 93. 143 <146>, vom 6. Juni 2000 – 1 D 66.98 – Buchholz 235 § 17 BDO Nr. 1 S. 2 f. und vom 16. März 2004 – 1 D 15.03 – Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36 S. 81).
Entfaltet der rechtskräftige Freispruch im Straf- oder Bußgeldverfahren wegen eines disziplinaren Überhangs keine Sperrwirkung für das Disziplinarverfahren, gelten die Regelungen der Disziplinargesetze über die Bindung an tatsächliche Feststellungen in anderen Verfahren und die Lösung von einer solchen Bindung (§ 16 ThürDG, § 57 BDG). Grundsätzlich können auch die Tatsachenfeststellungen in sachgleichen freisprechenden Strafurteilen unter die Bindungswirkung nach den Disziplinargesetzen fallen, wenn und soweit diese auf einer vollständigen Prüfung der Tat- und Schuldfrage beruhen oder wenn das freisprechende Strafurteil darauf beruht, dass – etwa im Falle eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes – Tat und Täterschaft des Beamten feststehen (BVerwG, Urteile vom 21. März 1974- 1 D 1.74-. vom 6. Juni 2000- 1 D 66.98 – Buchholz 235 § 17 BDO Nr. 1 S. 2 f. und vom 16. März 2004- 1 D 15.03 – Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36 S. 81).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall seiner Entscheidung die nach § 16 ThürDG bindenden Feststellungen des freisprechenden Urteils zugrunde gelegt. Grundsätzlichen Klärungsbedarf hierzu zeigt die Beschwerde nicht auf.
b) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, „Verstößt es gegen Art. 6 EMRK und den Grundsatz der Unschuldsvermutung, wenn kindliche Zeugen im Strafverfahren beeinflusst werden und die von ihnen geschilderten Tatsachen gleichwohl im Disziplinarverfahren als erwiesen eingeführt werden?“, ist nicht entscheidungserheblich.
Das Gericht hat im Strafverfahren im Rahmen der Beweisaufnahme den tatsächlichen Geschehensablauf zu erforschen (vgl. § 244 StPO). Dabei hat es ggf. auch Zeugen zu hören und zu prüfen, ob und inwieweit deren Aussagen glaubhaft sind. Das gilt für erwachsene Zeugen und für minderjährige Zeugen gleichermaßen.
Im vorliegenden Fall hat das Landgericht unter Zugrundelegung auch der Aussagen der minderjährigen Zeuginnen, soweit es ihnen gefolgt ist, den tatsächlichen Geschehensablauf ermittelt. Dabei hat es die Aussagen der als Zeuginnen vernommenen Schülerinnen im Einzelnen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts gewürdigt. Bei einem Teil der Aussagen hat es für möglich gehalten, dass sie nicht den tatsächlichen Geschehensablauf wiedergaben, sondern durch nachträgliche Umstände beeinflusst waren. Im Ergebnis hat das Strafgericht hinsichtlich der angeklagten Missbrauchshandlungen eine suggestive Beeinflussung nicht ausschließen können und ist deshalb zum Freispruch gelangt. Damit sind die ‚kontaminierten“ Aussagen der Schülerinnen gerade nicht in die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils eingeflossen und würde sich die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen.
c) Die Frage, „Ist in Verfahren mit dem Gegenstand des sexuellen Missbrauchs (Strafverfahren) bzw. der Dienstpflicht zu körperlicher Distanz (Disziplinarverfahren) stets ein fachärztliches und psychotherapeutisches Gutachten über den Angeklagten einzuholen, da hinreichende Anhaltspunkte für ein gerichtsbekanntes Krankheitsbild der Pädophilie bestehen (ICD-10 F65.4)?“, ist für sich genommen zu unbestimmt, weil unklar bleibt, zum Beweis welcher Tatsache das Gutachten einzuholen sein soll. Hinreichend bestimmt wird die Frage durch die nachfolgend in der Beschwerde aufgeworfene Verknüpfung: „Ist in Verfahren, in denen hinreichende Anhaltspunkte für das Krankheitsbild der Pädophilie (F65.4) bestehen, auch ergänzend ein Gutachten über die Schuldfähigkeit bzw. verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten/Beklagten einzuholen?“
Soweit sich die Frage auf das Strafverfahren bezieht, bedarf es schon deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil der Beklagte freigesprochen worden ist, sodass sich im Strafverfahren die Frage nach der Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens von vornherein nicht stellte. Soweit sie sich auf das Disziplinarverfahren bezieht, lässt sie sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Form, sondern nur nach den Maßgaben des jeweiligen Einzelfalls beantworten. Denkbar ist deshalb lediglich eine – hier vom Beklagten auch erhobene, vgl. unter 4. – Verfahrensrüge, dass eine im konkreten Fall erforderliche Einholung eines Sachverständigengutachtens unterblieben ist.
3. Die Beschwerde ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen.
Eine Diverenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 127 Nr. 1 BRRG setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 25. Mai 2012 – 2 B 133.11 – NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Januar 1995 – 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55 und vom 28. Mai 2013 – 7 B 39.12 – juris Rn. 8). Die Entscheidungen müssen dasselbe Gesetz und dieselbe Fassung des Gesetzes zum Gegenstand haben (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 – 2 B 107.13 – NVwZ 2014, 1174 Rn. 4 f. m.w.N.). Die Beschwerde bezeichnet keine divergierenden Rechtssätze. Hinsichtlich des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 27. August 2008 (20 LD 5/07 – juris) nimmt die Beschwerde lediglich Formulierungen aus dem Tatbestand dieses Urteils zu einem landgerichtlichen und einem verwaltungsgerichtlichen Urteil auf, bezeichnet aber keine Rechtssätze. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig vom 5. November 1992 (3 L 36/92 – NJW 1993, 952) betrifft die Rechtmäßigkeit einer pädagogischen Maßnahme gegenüber Schülern, die einen Unterrichtsraum verschmutzt hatten und diesen dann zusammen mit dem Lehrer reinigen mussten, und damit einen gänzlich anders gelagerten rechtlichen Kontext.
4. Auch die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen mit einer Ausnahme (dazu unter 5.) nicht vor.
a) Soweit die Beschwerde rügt, im gerichtlichen Disziplinarverfahren sei die Vernehmung der Schülerinnen und Schüler als Zeugen rechtsfehlerhaft unterblieben, zumal diese offensichtlich auch im Strafverfahren nicht durch den Beklagten hätten befragt werden können, ist damit ein Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht aufgezeigt. Zum einen stand einer solchen Zeugenbefragung die Bindungswirkung der strafgerichtlichen Feststellungen nach § 16 Abs. 1 ThürDG entgegen. Zum anderen hat der anwaltlich vertretene Beklagte im Berufungsverfahren einen auf die nunmehr vermisste Sachaufklärung gerichteten Beweisantrag nicht gestellt. Das Revisionsverfahren dient nicht dazu, entsprechende Versäumnisse in der Tatsacheninstanz zu korrigieren. Dem Oberverwaltungsgericht musste sich angesichts der Bindungswirkung nach § 16 ThürDG eine Beweisaufnahme auch nicht aufdrängen.
b) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) oder seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es – wie die Beschwerde anführt – von einer pädophilen Neigung des Beklagten ausgegangen wäre, ohne hierzu ein Sachverständigengutachten einzuholen. Vielmehr ist das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich nicht von einer solchen Neigung ausgegangen.
c) Die Rüge des Beklagten, das Oberverwaltungsgericht habe das ihm vorgeworfene Verhalten rechtsfehlerhaft als innerdienstlich qualifiziert, betrifft nicht das Verfahren, sondern die – vermeintlich – unrichtige Anwendung materiellen Rechts im Einzelfall. Das gleiche gilt für seine Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Maßnahmebemessung nicht alle für ihn sprechenden entlastenden Umstände berücksichtigt.
d) Mit der Rüge, das behördliche Verfahren leide an dem Mangel, dass die Gleichstellungsbeauftragte vor der Erhebung der Disziplinarklage nicht beteiligt worden sei, kann der Beklagte nicht mehr gehört werden. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 ThürDG hat der Beamte innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Disziplinarklage u.a. wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens zu rügen; eine Rüge in den Rechtsmittelinstanzen ist damit ausgeschlossen.
e) Soweit die Beschwerde als Verstoß gegen das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO rügt, dass das Oberverwaltungsgericht das Verteidigungsverhalten des Beklagten im Strafverfahren ohne vorherigen Hinweis zu seinem Nachteil ausgelegt habe, ist dies hinsichtlich des Verteidigungsverhaltens im Strafverfahren unbegründet, weil das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil in keiner Weise auf das Verteidigungsverhalten des Beklagten im Strafverfahren rekurriert und es ihm somit auch nicht nachteilig angerechnet hat.
5. Die Beschwerde rügt allerdings zu Recht, dass das Oberverwaltungsgericht mit der Berücksichtigung des Verteidigungsverhaltens des Beklagten im Disziplinarverfahren zu seinem Nachteil gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz „nemo tenetur“ und gegen das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verstoßen habe. Das Oberverwaltungsgericht hat es versäumt, den Beklagten vor der Verkündung des Berufungsurteils darauf hinzuweisen, dass es die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausschlaggebend auch auf dessen Verteidigungsverhalten im Disziplinarverfahren stützen will.
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. Zwar korrespondiert mit diesem Äußerungsrecht keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Jedoch verlangt der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung, dass das Gericht rechtzeitig mitteilt, dass es auf eine Rechtsauffassung abstellen will, mit der die Beteiligten angesichts des Standes von Rechtsprechung und Schrifttum nicht zu rechnen brauchen. Nur durch einen solchen Hinweis erhalten sie Gelegenheit, sich zu dieser Auffassung zu äußern, und damit auf die Entscheidungsfindung des Gerichts einzuwirken (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 <144 f.>; BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 2 C 5.10 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 28 und Beschluss vom 20. November 2012 – 2 B 56.12 – NVwZ 2013, 1093 Rn. 5).
Das Oberverwaltungsgericht hat das Verteidigungsverhalten des Beklagten im Disziplinarverfahren nicht als bemessungsneutral behandelt, sondern ausdrücklich zu seinem Nachteil in die Gesamtwürdigung nach § 11 ThürDG einbezogen. Es hat zu Lasten des Beklagten berücksichtigt, dass er offensichtlich nicht erkannt habe, dass er Grenzen überschritten habe. Wie seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zeigten, sei er nach wie vor der Ansicht, dass ihm nichts vorzuwerfen sei. Insbesondere aus dem Inhalt seiner persönlichen Erklärung und der Art und Weise, wie er sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, ergebe sich, dass der Beklagte die ihm vorgeworfenen Handlungen nahezu ausschließlich aus seinem Blickwinkel betrachte und nach seinen Maßstäben bewerte. Es sei nicht im Ansatz zu erkennen gewesen, dass sich der Beklagte um eine objektive Sichtweise bemüht habe, geschweige denn sich selbstkritisch mit seinem Verhalten und dessen Folgen auseinandergesetzt habe. Folglich fehle ihm nach wie vor die Einsicht in die Pflichtwidrigkeit seines Tuns.
Diesen Erwägungen zum nachträglichen Umgang des Beamten mit dem von ihm in der Sache nicht bestrittenen Verhalten ist ihre Relevanz für die erforderliche Disziplinarmaßnahme nicht abzusprechen.
Gemäß § 11 Abs. 1 ThürDG (vgl. auch § 13 Abs. 1 BDG) wird eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit verhängt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 – 1 D 1.12 – BVerwGE 148, 192 Rn. 39 zu § 13 Abs. 1 BDG). Grundsätzlich ist demnach die Schwere des Dienstvergehens richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Davon ausgehend können aber Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 3.12 – BVerwGE 146, 98 Rn. 26). Gerade für die Frage, ob auf den Beamten mit pflichtenmahnenden Maßnahmen noch ausreichend eingewirkt werden kann oder ob er für eine weitere Amtsausübung im Beamtenverhältnis untragbar geworden ist, kommt dem Persönlichkeitsbild des Beamten ausschlaggebende Bedeutung zu (BVerwG, Beschlüsse vom 25. Mai 2012 – 2 B 133.11 – NVwZ-RR 2012,607 Rn. 5 und vom 11. Februar 2014 – 2B 37.12 – juris Rn. 21 ff.).
Es kann daher zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, wenn der Beamte die von ihm eingeräumten Taten nachträglich aufgearbeitet hat und eine erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 -20 16.10 – BVerwGE 140, 185 Rn. 37 zur inneren Einsicht, sich künftig rechtstreu zu verhalten; Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63.11 – BVerwGE 147, 229 Rn. 26 zur freiwilligen Wiedergutmachung).
Nicht zulässig ist es dagegen, das Ausbleiben solcher inneren Einsicht und Aufarbeitung der dem Beamten vorgeworfenen Pflichtenverstöße zu seinen Lasten zu würdigen. Zulässiges Prozessverhalten, wozu auch das Bestreiten der Tat selbst und das Negieren oder Relativieren ihres Unrechtsgehalts gehört, darf grundsätzlich nicht zu Lasten des Beamten gewertet werden (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013-2 C 62.11 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 49 ff., Beschlüsse vom 20. November 2012-2 B 56.12 – NVwZ 2013, 1093 Rn. 8 und vom 10. Dezember 2014 – 2 B 75.14 – ZBR 2015, 131 Rn. 10; hierzu auch Müller, ZBR 20121 331 <339ff.>).
Die nachteilige Berücksichtigung des Verteidigungsverhaltens des Beklagten im gerichtlichen Verfahren durch das Oberverwaltungsgericht war hier deshalb verfahrensfehlerhaft. Weder im Hinblick auf die dargestellte höchstrichterliche Rechtsprechung noch in Anbetracht des konkreten Prozessverlaufs, in dem das Verteidigungsverhalten bislang nicht für bedeutsam erachtet worden war und im erstinstanzlichen Urteil keine Erwähnung gefunden hatte, bestand für den Beklagten Anlass, von einer maßgeblichen Berücksichtigung dieses Umstandes auszugehen, sodass die Würdigung im Berufungsurteil als „überraschend“ gewertet werden muss (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. November 2012 – 2 B 56.12 – NVwZ 2013, 1093 Rn. 4ff. und vom 12. November 2014 -2 B 67.14 – ZBR 2015, 92 Rn. 9ff.).
Hätte das Oberverwaltungsgericht einen Hinweis darauf gegeben, wäre der Beklagte in die Lage versetzt worden, seine Einwände gegen eine solche nachteilige Berücksichtigung zulässigen Verteidigungsverhaltens darzulegen. Von dieser Äußerungsmöglichkeit hat er im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ausführlich und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des beschließenden Senats Gebrauch gemacht. Mit diesen Erwägungen hat sich das Oberverwaltungsgericht bislang nicht auseinandergesetzt, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die angegriffene Entscheidung auf dem unterlassenen Hinweis beruht.