„Keine unzulässige Wahlbeeinflussung“, Torgauer Zeitung v. 27.05.2016

von unserem Redakteur Christian Wendt

Torgau/Leipzig. Im Falle der vom Verwaltungsgericht Leipzig abgeschmetterten Wahlanfechtungsklage zur Oberbürgermeisterwahl in Torgau liegt mittlerweile die schriftliche Begründung der 6. Kammer vor. Darauf machte Barth-Anwalt Robert Hotstegs von der gleichnamigen Rechtsanwaltsgesellschaft aus Düsseldorf aufmerksam. 

Das Verwaltungsgericht hatte am 26. April (TZ berichtete bereits) die Klage des Torgauers Michael Bagusat-Sehrt abgewiesen. Bagusat-Sehrt hatte moniert, dass Stanislaw Tillich als sächsischer Ministerpräsident unzulässige Wahlwerbung für Romina Barth, die damalige CDU-Kandidatin für den OBM-Posten, gemacht habe. Dem folgten die Verwaltungsrichter nicht. 

In der schriftlichen Urteilsbegründung heißt es unter anderem: „Soweit der Ministerpräsident anlässlich der Veranstaltung in Torgau im Brauhauspark am 12. Mai 2015 eine Wahlempfehlung für die Beigeladene (Romina Barth, Anm. d. Red.) ausgesprochen hat, so hat er nicht gegen das Neutralitätsgebot verstoßen und daher auch keine unzulässige Wahlbeeinflussung betrieben. Diese Wahlempfehlung ist nicht als amtliche Äußerung des Ministerpräsidenten, sondern als dessen private Äußerung anzusehen und ist dem ,politischen Meinungskampf‘ zuzuordnen. In seiner Stellungnahme zugunsten der Beigeladenen hat der Ministerpräsident Stanislaw Tillich keinerlei Bezug zu seinem Amt hergestellt. So ist hier darauf hinzuweisen, dass einem bei ,Torgau-TV‘ veröffentlichten Interview ein Hinweis auf Wahlwerbung vorausging. Im Hintergrund der Interviewsequenz war auch ein Wahlkampfstand der CDU wahrzunehmen {…} Alleine die Verwendung des Begriffs des ,Ministerpräsidenten‘ in einer Anzeige im ,SonntagsWochenBlatt‘ vom 17. Mai 2015, die auszugsweise die Wahlempfehlung des Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden Stanislaw Tillich vom 12. Mai 2015 wiedergibt, lässt für einen verständigen Bürger nicht den Schluss zu, dass der Ministerpräsident Stanislaw Tillich seine Empfehlung in amtlicher Eigenschaft abgegeben hat.“ {…} „Es ist nicht zu erwarten, dass ein verständiger Bürger sich durch die auf einer Wahlkampfveranstaltung der CDU ausgesprochene Empfehlung des Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Sächsischen Union Stanislaw Tillich derart beeinflussen lässt, dass er nicht in der Lage wäre, eine seinen sonstigen persönlichen Wertungen entsprechende Entscheidung zu treffen. Auch eine Pflicht, die Nennung des Amtes des Ministerpräsidenten in einer Wahlanzeige wie beispielsweise in der vom 17. Mai 2015 im ,SonntagsWochenBlatt‘ zu unterlassen, oblag der Beigeladenen ebenso wenig wie eine Pflicht, die Veröffentlichung einer Wahlempfehlung durch ihren Landesvorsitzenden wie beispielsweise im ,SonntagsWochenBlatt‘ vom 21. Juni 2015 zu unterlassen.“

Ob Michael Bagusat-Sehrt weitere rechtliche Schritte plant, steht noch nicht fest. Gestern Abend sollte es hierzu eine Beratung mit seinem Anwalt geben, um darüber zu befinden, hatte der Torgauer gegenüber der Heimatzeitung wissen lassen. Das Ergebnis der Besprechung lag zu Redaktionsschluss noch nicht vor. 

Fall „Romina Barth“: Wahl zur OB rechtmäßig, Verwaltungsgericht Leipzig, Urteil v. 26.04.2016, Az. 6 K 1337/15

eigene Leitsätze:

  1. Grundsätzlich kann jeder Wahlberechtigte, jeder Bewerber und jede Person, auf die bei der Wahl Stimmen entfallen sind, innerhalb einer Woche nach der öffentlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses gegen die Wahl unter Angabe des Grundes Einspruch bei der Rechtsaufsichtsbehörde erheben (§ 25 Abs. 1 Satz 1 KomWG). Die Wahlanfechtung durch den Bürger vor der Aufsichtsbehörde steht selbstständig neben dem von Amts wegen zu führenden Prüfungsverfahren der Aufsichtsbehörde, wie es in § 26 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 KomWG vorgesehen ist.
  2. Im Anfechtungsverfahren vor der Aufsichtsbehörde dürfen nur die Einspruchsgründe geprüft werden, die innerhalb der Wochenfrist nach der öffentlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses mit dem Einspruch geltend gemacht wurden. Bei § 25 Abs. 1 Satz 2 KomWG handelt es sich um eine materielle Präklusionsvorschrift. Der Einwendungsausschluss ist also nicht nur im behördlichen, sondern auch im gerichtlichen Wahlanfechtungsverfahren zu beachten (Fortsetzung der st.Rspr.).
  3. Soweit im konkreten Fall der Ministerpräsident anlässlich einer Veranstaltung eine Wahlempfehlung für die Beigeladene ausgesprochen hat, so hat er nicht gegen das Neutralitätsgebot verstoßen und daher auch keine unzulässige Wahlbeeinflussung betrieben. Diese Wahlempfehlung ist nicht als amtliche Äußerung des Ministerpräsidenten, sondern als dessen private Äußerung anzusehen und ist dem „politischen Meinungskampf“ zuzuordnen.
  4. Auch wenn im Verlauf eines TV-Interviews die Amtsbezeichnung des Ministerpräsidenten eingeblendet wird, muss ein verständiger Bürger davon ausgehen, dass der Ministerpräsident seine Äußerung auf einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei als deren Vorsitzender getätigt hat, zumal diese Bezeichnung während des Interviews gleichfalls eingeblendet worden war. Die Startgrafik einer Video-Einbettung im Portal Facebook hat für sich gesehen keinerlei Aussagekraft und lässt keinen Schluss darauf zu, „dass hier der Staat aufgetreten ist“. Dass die Amtsbezeichnung verwendet wird, ist noch kein Indiz für die Inanspruchnahmen von Amtsautorität, weil staatliche Funktionsträger ihre Amtsbezeichnung auch in außerdienstlichen Zusammenhängen führen dürfen.
  5. Ein Notar handelt nicht in seiner amtlichen Eigenschaft, sondern als Privatperson, auch wenn er seinen Beruf auf der Unterstützungsliste eines Wahlbewerbers angegeben hat. Ein irgendwie gearteter Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit eines Notars ist hier gerade nicht erkennbar.

„Fall „Romina Barth“: Wahl zur OB rechtmäßig, Verwaltungsgericht Leipzig, Urteil v. 26.04.2016, Az. 6 K 1337/15“ weiterlesen

Verwaltungsgericht schafft Klarheit: OBM-Wahl ist rechtmäßig, Torgauer Zeitung v. 27.04.2016

Leipzig/Torgau. Der Düsseldorfer Wahlrechtler Robert Hotstegs – er vertrat Torgaus Oberbürgermeisterin Romina Barth – war der Erste, der sich am Mittwochvormittag per Erklärung zu Wort meldete: Das Verwaltungsgericht Leipzig hat am Mittwoch über die Wahlanfechtung der Oberbürgermeisterwahl 2015 in Torgau entschieden: Die Wahl von Romina Barth ist rechtmäßig.

Michael Bagusat-Sehrt hatte mit seiner Klage vor allem unzulässige Wahlbeeinflussungen durch den Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich, gerügt. Dieser hatte an einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in Torgau mitgewirkt und sich für die spätere Wahlsiegerin ausgesprochen. Dabei war er sowohl als Vorsitzender der Sächsischen Union wie auch als Ministerpräsident bezeichnet worden. Dies war zulässig, entschied nun das Verwaltungsgericht. „Verwaltungsgericht schafft Klarheit: OBM-Wahl ist rechtmäßig, Torgauer Zeitung v. 27.04.2016“ weiterlesen

Oberbürgermeisterin Romina Barth rechtmäßig im Amt bestätigt, CDU Torgau, Pressemitteilung v. 27.04.2016

Das Verwaltungsgericht Leipzig hat am Dienstag über die Wahlanfechtung der Oberbürgermeisterwahl 2015 in Torgau verhandelt. Die klagende Partei hatte vor allem die Mitwirkung des Sächsischen Ministerpräsidenten, Stanislav Tillich, als unzulässige Wahlbeeinflussung gerügt und somit als Hauptargument der Wahlanfechtung angeführt. Die Entscheidung der Verwaltungsrichter war eindeutig: Die Wahl von Oberbürgermeisterin Romina Barth ist rechtmäßig. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Robert Hotstegs, der die Torgauer Oberbürgermeisterin in Leipzig vertrat, bewertete den Ausgang des Verfahrens wie folgt: „Es ist erfreulich, dass der Vorsitzende Richter in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht hat, dass nicht jede Äußerung eines Ministerpräsidenten gleichbedeutend ist mit der Ausnutzung seiner besonderen Amtsstellung“. Bereits im August 2015 hatte die zuständige Rechtsbehörde des Landkreises Nordsachsen den Einspruch abgewiesen. Dieser Entscheidung folgten nun auch die Leipziger Verwaltungsrichter und wiesen die Klage ab. Große Erleichterung war auch beim CDU-Stadtverband Torgau zu verzeichnen, der Romina Barth für die Oberbürgermeisterwahl 2015 nominiert hatte. „Wir sind überglücklich, dass die Wahlanfechtung vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg hatte und Romina Barth nun rechtmäßig im Amt der Oberbürgermeisterin bestätigt wurde. Sie, die bereits seit dem Herbst als Amtsverweserin tätig war, kann nun die Geschicke der Stadt Torgau in den nächsten Jahren leiten.“, so die Vorsitzende des Stadtverbandes Cordula Jahn.

Verwaltungsgericht Leipzig: Wahl von OB Romina Barth rechtmäßig | Wahlrecht | Pressemitteilung 2016-04

Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 27.04.2016

::: Pressemitteilung 4/2016 :::

Verwaltungsgericht Leipzig: Wahl von OB Romina Barth rechtmäßig
Wahlanfechtung zur OB-Wahl in Torgau gestern nach mündlicher Verhandlung abgewiesen

Leipzig/Torgau/Düsseldorf. Das Verwaltungsgericht Leipzig hat gestern über die Wahlanfechtung der Oberbürgermeisterwahl 2015 in Torgau (Landkreis Nordsachsen) verhandelt und entschieden: die Wahl von Oberbürgermeisterin Romina Barth ist rechtmäßig. Ein Wähler hatte mit seiner Klage vor allem unzulässige Wahlbeeinflussungen durch den Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich, gerügt. Dieser hatte an einer CDU-Wahlkampfveranstaltung mitgewirkt und sich für die spätere Wahlsiegerin ausgesprochen. Dabei war er sowohl als Vorsitzender der Sächsischen Union wie auch als Ministerpräsident bezeichnet worden. Dies war zulässig, entschied nun das Verwaltungsgericht. (Urteil v. 26.04.2016, Az. 6 K 1337/15)

„Es ist erfreulich, dass der Vorsitzende Richter in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht hat, dass nicht jede Äußerung eines Ministerpräsidenten gleichbedeutend ist mit einer Ausnutzung seiner besonderen Amtsstellung“, fasst der Düsseldorfer Wahlrechtler Robert Hotstegs (36) das Ergebnis zusammen. Er vertrat die Oberbürgermeisterin, die wegen der laufenden Wahlanfechtung zurzeit nur als sogenannte Amtsverweserin ihre Aufgabe wahrnimmt. „Dieser Wartemodus ist in der Gemeindeordnung vorgesehen, aber er stellt doch eine Belastung für die Stadt dar. Die Wähler möchten Gewissheit haben, wer die Geschicke von Torgau die nächsten Jahre leitet.“, so Hotstegs weiter.

Nach der gestrigen Entscheidung ist dies weiterhin Romina Barth. Die junge Oberbürgermeisterin hatte sich im vergangenen Juni mit 37 Stimmen Vorsprung gegen die bisherige Amtsinhaberin durchsetzen können. Das Ergebnis war aber nach intensiver Prüfung durch den zuständigen Landkreis Nordsachsen für gültig befunden worden und der Einspruch eines Wählers abgewiesen worden.

Dem folgte nun das Leipziger Verwaltungsgericht. Es hatte sich in der mündlichen Verhandlung noch einmal einen Eindruck von der Wahlwerbung mit dem Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich verschafft. Aber auch nach der Vorführung eines Werbespots im Gerichtssaal machte der Vorsitzende deutlich: die Grenze zur unzulässigen Wahlbeeinflussung sei hier nicht überschritten.

Das schriftliche Urteil wird den Parteien in Kürze zugestellt werden. Danach kann der Kläger die Zulassung der Berufung beantragen. Hierüber entscheidet dann das Sächsische Oberverwaltungsgericht.

::: Kontakt :::

Rechtsanwalt Robert Hotstegs
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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::: die Kanzlei :::

Seit 1985 berät die Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft in den Spezialgebieten des Verwaltungsrechts. Hierzu zählen insbesondere das Beamten- und Disziplinarrecht, das Personalvertretungsrecht, sowie das Recht der Bürgerbeteiligung und das Kommunalverfassungsrecht. Die Kanzlei vertritt Mandanten vor dem Bundesverwaltungsgericht und allen Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten.

Parteiverbotsverfahren und die Überwachung einer Partei durch den Verfassungsschutz, Interview mit 123recht.net v. 15.03.2016

Das zweite NPD-Verbotsverfahren hat begonnen – wie stehen die Chancen?

Das erste NPD-Verbotsverfahren war kläglich vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Derzeit läuft der zweite Versuch, die Partei zu verbieten. 123recht.net im Interview mit Rechtsanwalt Robert Hotstegs über Anforderungen und Voraussetzungen eines Verbots, Sinn und Zweck, Überwachungen einer Partei und die AfD.

„Notbremse der Demokratie“

123recht.net: Herr Hotstegs, Parteiverbotsverfahren sind sehr selten. Warum gibt es diese Möglichkeit überhaupt?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das Verbotsverfahren ist sozusagen die Notbremse der Demokratie. Das Grundgesetz wünscht sich ja aktive Bürger und aktive Parteien. Die Parteien sollen an der Politik mitwirken. Das bedeutet auch, dass grundsätzlich ein breites Spektrum gewünscht ist. Kritische Parteien gehören also zum System dazu. Nur wer die Grenzen der Demokratie verlässt, soll durch die Notbremse – wenn nichts mehr hilft – gestoppt werden.

123recht.net: Welche Voraussetzungen müssen für diese Notbremse vorliegen?
Rechtsanwalt Hotstegs: Kritik alleine genügt nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat schon früh festgestellt, dass es eine aktiv-kämpferische Grundhaltung braucht, die auf die Beseitigung des Grundgesetzes ausgerichtet ist. Das Gericht fragt also: Handelt es sich um eine Partei? Schon hieran scheiterten Verfahren. Wenn es um eine Partei geht: Bekämpft sie aggressiv-kämpferisch das Grundgesetz und möchte unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen? Wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, kann ein Verbot verhängt werden.

123recht.net: Wie läuft das formell? Bedarf es eines Antrags?
Rechtsanwalt Hotstegs: Ein Verbot geht nicht von Amts wegen. Sondern hier müssen bei bundesweiten Parteien Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat einen Antrag an das Bundesverfassungsgericht stellen.

„Kein Verfahren einer Partei gegen eine andere“

123recht.net: Andere Parteien können also nicht einfach einen Antrag stellen?
Rechtsanwalt Hotstegs: Im Kern gibt es nur drei Antragsberechtigte: Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Natürlich sind dort auch Fraktionen tätig und Parteien stellen Mitglieder der Regierung. Aber im Kern ist das Verbotsverfahren nicht als Verfahren einer Partei gegen eine andere ausgerichtet.
Nur bei Parteien, die ausschließlich auf Landesebene tätig sind, kommen auch die Landesregierungen als mögliche Antragsteller hinzu. Fehlt ein solcher Antrag, gibt es kein Verbotsverfahren. Das heißt auch, dass etwa Strafermittlungen alleine oder behördliche Überwachungen nicht zu einem Verbotsverfahren führen können.

123recht.net: Angenommen, das Bundesverfassungsgericht stimmt zu: Kann ein Verbot zeitlich begrenzt sein oder wieder zurückgenommen werden?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das ist nicht vorgesehen. Und es entspricht auch nicht der Logik des Grundgesetzes. Denn wenn ein Verbot nur dann erfolgt, wenn eine Partei aggressiv unsere Demokratie bekämpft, dann ist diese Ausrichtung im Kern der Partei angelegt. Das ist kein Phänomen, das nach zwei Jahren vorüber wäre. Also wäre die Partei dann erneut zu verbieten. Daher bedeutet ein Verbot sozusagen ein „Verbot für immer“. Wer sich inhaltlich verändert und wieder auf dem Boden des Grundgesetzes steht, kann ja jederzeit eine neue Partei gründen oder einer bestehenden Partei beitreten.

„Verhandeln wir eigentlich sozusagen über die „echte“ NPD oder handelt es sich um eine vom Staat gesteuerte Partei?“

123recht.net: Ein Verbotsverfahren gegen die NPD ist zur Zeit beim Bundesverfassungsgericht anhängig, zum zweiten Mal. Woran scheiterte der erste Versuch?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das Problem im ersten Anlauf waren die vielen V-Leute. Also Ermittlungspersonen und solche, die vom Verfassungsschutz unterstützt wurden, um Informationen aus der NPD heraus zu liefern. Sie saßen zeitgleich in Führungsämtern – auch während des Verbotsverfahrens. Daher musste sich das Bundesverfassungsgericht fragen: Verhandeln wir eigentlich sozusagen über die „echte“ NPD oder handelt es sich um eine vom Staat gesteuerte Partei. Die fehlende Staatsferne war schließlich ein so wesentliches Verfahrenshindernis, dass das Verfahren eingestellt wurde.

123recht.net: Kann das auch jetzt wieder ein Problem sein?
Rechtsanwalt Hotstegs: Ob dieses Problem nun beseitigt ist, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Denn der Auftakt des neuen NPD-Verbotsverfahrens widmete sich bislang genau dieser Kernfrage: Sind alle V-Leute „abgeschaltet“ und handelt es sich also um ein Verfahren über eine staatsferne Partei?
Dafür spricht vieles, der Bundesrat wusste, dass er dieser Hürde größte Aufmerksamkeit schenken musste. Als Antragsteller hat er allein hierzu aktenordnerweise vorgetragen.

„NPD nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes“

123recht.net: Wie schätzen Sie die Chancen für ein Verbot der NPD ein?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das ist momentan noch schwer zu sagen, weil man hierzu die Unterlagen des Prozesses auswerten müsste. Den bisherigen Verlautbarungen nach spricht vieles dafür, dass zumindest die V-Leute-Problematik beseitigt ist. Daran, dass die NPD unseren Staat aggressiv bekämpft und nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes steht, habe ich im zweiten Schritt keinen Zweifel.

123recht.net: Ist ein Verbot nicht eher ein zahnloser Papiertiger? Was sollte z.B. die NPD hindern, im Falle eines Verbots einfach eine neue Partei zu gründen?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das Parteiverbot beinhaltet auch immer das Verbot, Nachfolgeorganisationen zu gründen. So regelt es § 46 Abs. 3 BVerfGG. Daher sind bei der Gründung von Nachfolgeorganisationen, egal ob es Parteien oder Vereine sind, keine vollständigen Verbotsverfahren notwendig. Die Auflösung der verbotenen Ersatzorganisationen kann dann das jeweilige Innenministerium vornehmen und durchsetzen.

„Es gibt viele Zitate von führenden AfD-Mitgliedern und -Vertretern die nahelegen, dass diese Partei an einem friedlichen Zusammenleben der Völker nicht interessiert ist“

123recht.net: Diesen Sonntag waren Landtagswahlen in drei Ländern, die AfD schnitt dabei sehr erfolgreich ab. Immer wieder wurde gefordert, die AfD vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Was sind die Voraussetzungen für eine Überwachung? Liegen diese bei der AfD vor?
Rechtsanwalt Hotstegs: Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es unter anderem, Informationen über Bestrebungen zu sammeln, die gegen die Völkerverständigung gerichtet sind, gegen das friedliche Zusammenleben der Völker oder gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Es gibt viele Zitate von führenden AfD-Mitgliedern und -Vertretern die nahelegen, dass diese Partei an einem friedlichen Zusammenleben der Völker nicht interessiert ist und sicherlich auch einen Teil der Partei, der sich von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bereits gedanklich verabschiedet hat. Insofern gibt es sicherlich auch weiterhin Bestrebungen, die AfD zu überwachen.
Wir dürfen aber nicht übersehen, dass die AfD seit den jüngsten Landtagswahlen aber auch einen Wählerauftrag hat. Nicht von allen Wählern, aber von einer deutlichen Zahl von Wählern. Wenn knapp 25% die Partei in Sachsen-Anhalt gewählt haben, dann ist die Überwachung einer Partei, die ein Viertel der Wahlbürger repräsentiert, eine merkwürdige Reaktion.

123recht.net: Warum kommt eine Parteiüberwachung so gut wie nie vor?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das hat vor allem mit der Eingangsfrage zu tun: Unser Staat ist gerade so aufgebaut worden, dass Parteienvielfalt, und -diskussion gewünscht ist. Nehmen die Parteien daher direkte Verfassungsrechte wahr, muss man mit polizeilichen Mitteln sehr zurückhaltend sein.

123recht.net: Wie erfolgt eine Überwachung in der Praxis?
Rechtsanwalt Hotstegs: Aus Verfassungsschutzberichten wissen wir, dass hier vor allem eine Vielzahl öffentlicher Quellen ausgewertet wird. Homepages, Zeitungsberichte, Redemanuskripte, Tagungsbeiträge, Teilnehmerlisten von Veranstaltungen, Facebook-Seiten, Interviews und vieles mehr. Erst weit danach kommen andere Methoden bis hin zum Einsatz von V-Leuten wie bei der NPD.

123recht.net: Gibt es Alternativen zu einer Überwachung?
Rechtsanwalt Hotstegs: Ja, immer: die politische Auseinandersetzung. Wir konnten in den Landtagswahlkämpfen ja beobachten, das hierauf viele nicht inhaltlich vorbereitet waren. Das muss sich ändern. Und dann ist eine aktive inhaltliche Auseinandersetzung immer produktiver, als eine passive Überwachung.

„Bürgerbeteiligungsverfahren bis hin zu direkten Demokratie können viele Brücken bauen“

123recht.net: Also Rechtsextremen mit Argumenten entgegentreten?
Rechtsanwalt Hotstegs: Ja, das ist nicht nur besser, sondern vor allen Dingen immer zwingend erforderlich. Denn ein Verbotsverfahren richtet sich doch allein gegen die Organisationsstruktur. Eine Überwachung stellt zunächst eine Beobachtung dar. Wenn wir aber Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit inhaltlich begegnen wollen, dann ist das eine Frage der politischen Auseinandersetzung und vor allem auch der politischen Bildung. Hier sind alle gemeinsam gefragt: Vereine, Verbände, Schulen und Ausbildungsbetriebe, Arbeitgeber und Kolleginnen und Kollegen, Familien und Freundeskreise. Sie alle können aber tatkräftig unterstützt werden durch politische Information wie sie zum Beispiel die Landeszentralen und die Bundeszentrale für politische Bildung zur Verfügung stellen.
Auch gibt es natürlich Mechanismen, um in der klassischen Politik mehr Menschen zu beteiligen. Bürgerbeteiligungsverfahren bis hin zu direkten Demokratie können hier viele Brücken bauen. Leider weiß ich aber aus der Praxis sowohl der politischen Bildung wie auch aus der direkten Demokratie, dass in der ersten Rubrik häufig das Geld, in der zweiten auch häufig der langanhaltende Wille fehlt. Hier sind dicke Bretter zu bohren. Die lohnen sich aber, wenn wir Rechtsextremismus ernsthaft entgegentreten wollen.

123recht.net: Ihre Kanzlei berät und vertritt Parteien und Fraktionen und ist zugleich im Bereich der direkten Demokratie tätig. Sind Verbotsfragen, Überwachung und Extremismus also Standardthemen in Ihrer anwaltlichen Arbeit?
Rechtsanwalt Hotstegs: Zum Glück nicht. Wir sind spezialisiert auf die Beratung und Vertretung vor allem von Oppositionsfraktionen, -gruppen und -abgeordneten. Hier stehen aber vor allem alltägliche Fragen im Mittelpunkt: Informationsrechte, Antragsrechte, Abstimmungsverfahren und ähnliches.
Das klingt zunächst trocken und dröge, ist für uns aber der alltägliche Beweis, dass man in der Demokratie streiten kann und muss. Das gilt auch für direkte Demokratie auf kommunaler Ebene, auf Landes- oder Europaebene. Hier kann der Bürger direkt in die Politik einwirken und neue Projekte anstoßen oder Fehlentscheidungen versuchen zu korrigieren.
Dafür haben wir Wege und notfalls auch Gerichte. Es braucht dafür keine extremen Parteien außerhalb des Grundgesetzes.

123recht.net: Herr Hotstegs, vielen Dank!

NRW plant Sperrklausel für Kommunalwahlen: Kräf­te­messen mit Karls­ruhe, lto.de v. 23.01.2015

CDU, SPD und Die Grünen wollen in NRW eine Sperrklausel von 2,5 Prozent für Kommunalwahlen ab 2020 einführen. Der Landtag sucht dabei die direkte Konfrontation mit dem BVerfG, meinen Robert Hotstegs und Jan Stock.

Mit einer vorprogrammierten, überwältigenden Mehrheit haben die Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90 / Die Grünen in NRW den Entwurf eines Kommunalvertretungsstärkungsgesetzes vorgelegt. Es soll eine Sperrklausel von 2,5 Prozent bei nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen einführen. Dazu soll nicht nur das Kommunalwahlgesetz geändert oder eine verfassungsrechtliche Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers geschaffen werden, sondern die Sperrklausel soll unmittelbar in die Landesverfassung.

Ein Taschenspielertrick, um das Landes- und das Bundesverfassungsgericht zu umgehen.

direkt zum LTO-Artikel 

Sperrklausel für Stadträte – Landtag auf der Zielgeraden, Westdeutsche Zeitung v. 20.01.2016

SPD, CDU und Grüne wollen, dass Bewerber mit weniger als 2,5 Prozent der Stimmen keinen Sitz erhalten. Doch das ist umstritten.

Von Peter Kurz

Düsseldorf. Für Robert Hotstegs ist es ein „Verfassungsbruch mit Ansage“, den der NRW-Landtag da vorhabe. Auch wenn der Hauptausschuss des Landtags morgen noch Experten anhören will – der Düsseldorfer Fachanwalt für Verwaltungsrecht sieht es schon als beschlossene Sache, dass eine Sperrklausel bei den Kommunalwahlen für Stadträte und Kreistage eingeführt wird. Hotstegs warnt: „Der Landtag plant mit der Hürde, die ein Wahlbewerber für künftige Stadträte oder Kreistage überspringen muss, einen Verstoß gegen das Grundgesetz.“ „Sperrklausel für Stadträte – Landtag auf der Zielgeraden, Westdeutsche Zeitung v. 20.01.2016“ weiterlesen

NRW plant am Donnerstag den „Verfassungsbruch mit Ansage“| Verfassungsrecht | Pressemitteilung 2016-02

Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 18.01.2016

::: Pressemitteilung 2/2016 :::

NRW plant am Donnerstag den „Verfassungsbruch mit Ansage“
Landtag berät Sperrklausel im Kommunalwahlrecht trotz Verstoß gegen das Grundgesetz

Düsseldorf. Der Landtag berät in dieser Woche über das „Kommunalvertretungsstärkungsgesetz“. Der Gesetzesentwurf geht auf eine gemeinsame Initiative von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen zurück. Er sieht vor, dass in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung eine sogenannte Sperrklausel von 2,5% eingeführt wird. Ein Wahlbewerber für einen zukünftigen Stadtrat oder Kreistag muss demnach diese Hürde von 2,5% überspringen und mehr Stimmen auf sich vereinen. Begründet wird dies mit einer angeblichen Zersplitterung der Räte und einer Behinderung der Arbeit. „Das Argument überzeugt nicht“, ist der Kommunalrechtler Robert Hotstegs (36) sicher. „Der Landtag plant mit der Regelung außerdem einen Verstoß gegen das Grundgesetz.“

Wenn Hauptausschuss und Kommunalausschuss am Donnerstag dieser Woche im Landtag zusammenkommen und Experten aus Universitäten, Verbänden und Kommunen zu Wort kommen lassen, ist anschließend keine inhaltliche Änderung mehr zu erwarten. „Die Mehrheit von SPD, CDU und Grünen hat sich für die Änderung der Landesverfassung entschieden, da gibt es wohl kein Zurück mehr.“, schätzt Rechtsanwalt Robert Hotstegs. Dabei wäre ein Innehalten dringend geboten: „Es gibt keinen einzigen arbeitsunfähigen Stadtrat. Und dass sich die drei großen Fraktionen für die Sperrklausel begeistern können, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier gegen Regelungen des Grundgesetzes verstoßen wird.“ Auch wenn die Landesverfassung in NRW das „höchste“ Gesetz darstellt, muss sie selbst die Regeln des Grundgesetzes einhalten.

Und dort ist in Art. 28 die sogenannte „Wahlrechtsgleichheit“ geregelt. Demnach soll jede Stimme den gleichen Effekt erzielen können. Werden Stimmen aber über eine Sperrklausel faktisch ungültig, verzerrt dies die Wahl. Das entschied auch der Verfassungsgerichtshof in Münster bereits mehrfach.

„Die Folge wird sein, dass in vielen Kommunen die nächste Kommunalwahl 2020 angefochten werden wird. Denn überall, wo Bewerber wegen der Sperrklausel abgewiesen werden, schlägt der Grundgesetzverstoß zu. Das wird zu einer Vielzahl von verwaltungsgerichtlichen Klagen führen, die am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe landen werden.“, so Hotstegs weiter. Es sei erschreckend, dass der Landesgesetzgeber diesen Konflikt gezielt plane.

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Seit 1985 berät die Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft in den Spezialgebieten des Verwaltungsrechts. Hierzu zählen insbesondere das Beamten- und Disziplinarrecht, das Personalvertretungsrecht, sowie das Recht der Bürgerbeteiligung und das Kommunalverfassungsrecht. Die Kanzlei vertritt Mandanten vor dem Bundesverwaltungsgericht und allen Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten.

Fachanwälte und Experten: Wer fragt, versteht`s … | Kanzlei | Pressemitteilung 2016-01

Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 13.01.2016

::: Pressemitteilung 1/2016 :::

Fachanwälte und Experten: Wer fragt, versteht`s …
Ansprechpartner für Medien zum Verfassungs-, Verwaltungs-, Beamten- und Kommunalrecht

Düsseldorf. Auch im neuen Jahr möchten wir Ihnen als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Bitte kontaktieren Sie uns bei Bedarf:

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Rechtsanwalt Robert Hotstegs
Fachanwalt für Verwaltungsrecht / Mediator

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