kein Anspruch auf Festsetzung von Anwaltsgebühren in gleicher Höhe für alle Parteien, Anwaltsgerichtshof NRW, Beschluss v. 27.08.2024, Az. 1 AGH 39/17

Im Rahmen eines Kostenausgleichungsverfahrens war es zu der besonderen Situation gekommen, dass eine Partei für die anwaltliche Vertretung vor dem Anwaltsgerichtshof in der ersten Instanz Gebühren nach Ziff. 3300 Nr. 2 VV RVG mit dem Quotienten 1,6 angemeldet hatte, während andere Parteien für die anwaltliche Vertretung in derselben Instanz Gebühren nach Ziff. 3100 VV RVG mit dem Quotienten 1,3 angemeldet hatten.

Der Senat hat nunmehr entschieden, dass es sich zwar jeweils um Verfahrensgebühren handele, aber kein Anspruch auf Festsetzung in gleicher Höhe besteht, wenn betragsmäßig andere Höhen beantragt wurden. Der Kostenausgleich sei dann beschränkt, weil Urkundsbeamte (und Senat) an den ursprünglichen Antrag gem. § 88 VwGO gebunden seien.

Die Entscheidung im Erinnerungsverfahren lautet im Volltext:

  1. 1. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 03.11.2023 wird zurückgewiesen.
  2. 2. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens, für das Gerichtsgebühren nicht erhoben werden, tragen die Erinnerungsführer zu gleichen Teilen.

G r ü n d e:

I.

Im Kostenfestsetzungsverfahren betreffend das Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen (Az. 1 AGH 39/17) beantragten der Kläger zu 1) und 2) die 1,3-fache Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG erhöht um eine 0,3-fache Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.11.2022 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattenden Kosten für das erstinstanzliche Verfahren zugunsten der Kläger unter anderem unter Ansatz der beantragten 1,3-fache Verfahrensgebühr zuzüglich einer Erhöhung von 0,3 nach Nr. 3100 i. V. m. Nr. 1008 VV RVG fest.

Mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 03.11.2023 (jeweils betreffend den Kläger zu 1) und den Kläger zu 2) half die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerung des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.11.2022 teilweise ab und entsprach nachträglich dem Antrag des Beklagten auf Erstattung der 1,6-fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3300 Nr. 2 VV RVG. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3300 Nr. 2 W RVG fände auch auf das erstinstanzliche Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof Anwendung, da gemäß § 112c Abs. 1 S. 2 BRAO der Anwaltsgerichtshof einem Oberverwaltungsgericht gleichstehe.

Am 04.12.2023 haben die Kläger gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 03.11.2023 jeweils Erinnerung eingelegt. Sie beantragen nunmehr, eine 1,6-fache Gebühr nach VV 3300 Nr. 2 in Höhe von 1.040,00€ zuzüglich einer Erhöhung von 0,3 anzusetzen. Zur Begründung führen die Kläger an, dass die seitens des Beklagten eingelegte Erinnerung hinsichtlich des Ansatzes einer 1,6-fachen Gebühr nicht zu einer Verringerung der Kostenlast des Beklagten aus dem erstinstanzlichen Verfahren führen könne, da stets dieselben Grundsätze auch für den Prozessbevollmächtigten der Kläger gelten müssten.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle half der Erinnerung der Kläger mit streitgegenständlichem Beschluss vom 08.01.2024 nicht ab, da die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 3300 Nr. 2 VV RVG von den Klägern für das erstinstanzliche Verfahren nicht geltend gemacht worden sei. Allein der Umstand, dass zugunsten des Beklagten auf seine Erinnerung hin die ursprünglich beantragte 1,6-fache Gebühr nach Nr. 3300 Nr. 2 VV RVG in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.11.2023 festgesetzt worden sei, veranlasst keine von Amts wegen zu berücksichtigende Angleichung der Gebühren zu Gunsten des Prozessbevollmächtigten der Kläger.

II.

Die statthafte Erinnerung der Kläger gegen den jeweiligen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.11.2023 ist bereits unzulässig. Denn die Kläger sind durch den jeweiligen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.11.2023 nicht beschwert.

  1. Der Senat entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Besetzung, in der die zu Grunde liegende Kostenlastentscheidung getroffen wurde (vgl. VGH München, Beschluss vom 3.12.2003 – 1 N 01.1845, NVwZ-RR 2004, 309), mithin durch fünf Mitglieder (§ 104 S. 1 Hs. 1 BRAO). Die Entscheidung fällt im vorliegenden Fall nicht in die Entscheidungszuständigkeit des Berichterstatters „über Kosten“ gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO. Zwar handelt es sich auch bei der hier in Rede stehenden Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle um eine Entscheidung über „Kosten“ im Sinne vor § 87a Abs. 1 Nr. 5 VwGO, denn die Vorschrift ist weit auszulegen.

Doch begründet § 87a Abs. 1, 3 VwGO nur dann eine Zuständigkeit des Berichterstatters, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht. Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn eine mündliche Verhandlung vor dem Spruchkörper (Senat) stattgefunden hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.12.2004 – 9 KSt 6/04, NVwZ 2005, 466).

  1. Die Erinnerung ist statthaft. Die Statthaftigkeit der Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle folgt aus § 11 2c Abs. 1 S. 1 BRAO i. V. m. § 165 S. 2 i. V. m. § 151 S. 1 VwGO. Hilft die Urkundsbeamtin einer Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ab und ändert ihren Kostenfestsetzungsbeschluss, ist auch gegen diese Abhilfeentscheidung der Urkundsbeamtin die Erinnerung statthaft (vgl. VG München, Beschluss vom 24.08.2023 – M 18 M 22.31018, BeckRS 2023, 25360 Rn. 14).
  2. Für die Antragsteller ergibt sich die Beschwer in der Regel aus einer gegenüber dem Kostenfestsetzungsantrag zu niedrigen Festsetzung oder aus der Ablehnung ihres Antrags. Hingegen kann die Erinnerung mangels Beschwer nicht eingelegt werden, um eine Nachfestsetzung im Kostenfestsetzungsantrag nicht geltend gemachter Beträge zu erreichen diese Beträge können vielmehr (nur) nach § 164 VwGO neu angemeldet werden (vgl. VGH München, Beschluss vom 25.7.2013 – 3 C 11.506, BeckRS 2013, 54532 Rn. 20). Dies ist vorliegend der Fall.

Die Kläger machen mit ihrer Erinnerung anstelle der ursprünglich beantragten 1,3-fachen Gebühr nach Nr. 3100 VV RVG nunmehr die 1,6-fache Gebühr nach Nr. 3300 Nr. 2 VV RVG geltend. Zwar handelt es sich insoweit bei beiden Gebühren um eine Verfahrensgebühr, welche nur alternativ geltend gemacht werden können. Denn bei Nr. 3300 VV RVG handelt es sich um eine Sonderregelung für bestimmte erstinstanzliche Verfahren gegenüber der für alle erstinstanzliche Verfahren geltenden Gebühr nach Nr. 3100 VV RVG. Jedoch ändert auch der Umstand, dass im Rahmen des insgesamt beantragten Betrages ein Positionstausch dahin vorgenommen werden kann, dass statt einer geforderten, aber nicht oder nicht in der geforderten Höhe entstandenen Gebühr eine andere, bisher nicht geforderte, aber entstandene Gebühr berücksichtigt wird (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.8.2003 – 5 WF 134/03, BeckRS 2003, 9240), nichts an dem Ergebnis, dass seitens der Kläger nunmehr ein insgesamt höherer Betrag geltend gemacht wird. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist gemäß § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO i. V. m. §§ 88, 122 VwGO der Höhe nach an den geforderten Gesamtbetrag gebunden. Auch eine Nachfestsetzung hinsichtlich der Gebührenhöhe ist daher nicht zulässig (vgl. VGH München, Beschluss vom 25.7.2013 – 3 C 11.506, BeckRS 2013, 54532 Rn. 20). Insoweit kommt es vorliegend auch nicht auf die Frage an, inwieweit die jeweiligen Kostenfestsetzungsanträge der Kläger aufgrund des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Kläger für das Kostenfestsetzungsverfahren vom 13.01.2023 dahingehend auszulegen sind, dass die Gebühr nach Nr. 3300 Nr. 2 VV RVG beabsichtigt gewesen und nur versehentlich der allgemeine Gebührentatbestand der Nr. 3100 anstelle des spezielleren Gebührentatbestandes der Nr. 3300 Nr. 2 VV RVG im Rahmen des Kostenfestsetzungsantrages angegeben worden sei. Denn dies ändert nichts an dem Ergebnis, dass im Wege einer Erinnerung kein im Vergleich zum ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag höherer Gesamtbetrag gefordert werden darf.

Eine Beschwer könnte allenfalls dann angenommen werden, sofern der Kostenfestsetzungsbeschluss betragsmäßig hinter dem gestellten Antrag zurückbleibt. Jedoch tragen die Kläger derartige Umstände nicht vor, sondern berufen sich allein auf die nunmehr beantragte, höhere Gebühr.

Zuletzt rührt eine Beschwer der Kläger zu 1) und 2) auch nicht aus dem Umstand, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zu Gunsten des Beklagten die 1,6-fache Gebühr nach Nr. 3300 Nr. 2 VV RVG mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.11.2023 festsetzte. Denn der Rechtspfleger muss zwar betragsmäßig umsetzen, was in der Kostengrundentscheidung festgelegt ist (vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, 51. Ed. 1.12.2023, ZPO § 104 Rn. 23). Dies bezieht sich jedoch lediglich auf die anzuwendende Quote. Auf welchen Gesamtbetrag diese Quote Anwendung findet, richtet sich nach der Summe der von den Parteien beantragten Kosten, über welche die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht hinausgehen darf (vgl. § 88 VwGO). Wenn die quotenmäßig unterliegende Partei alle für sie entstandenen Gebühren in der vollen Höhe geltend macht, hingegen die quotenmäßig obsiegende Partei weniger Kosten geltend macht, als ihr zustünde, so geht dies zulasten letzterer. Die Annahme der Kläger, dass allein aufgrund des Ansatzes einer 1,6-fachen Gebühr zugunsten des Beklagten ein entsprechender Ansatz zugunsten der Kläger gelten müsse, da es andernfalls zu einer Verringerung der Kostenlast des Beklagten aus dem erstinstanzlichen Verfahren führen würde, jedoch stets dieselben Grundsätze auch für den Prozessbevollmächtigten der Kläger gelten müssten, geht insoweit fehl.

Die Erinnerung der Kläger war daher zurückzuweisen.

  1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 112c Abs. 1 S. 1 […] BRAO. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
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