höhere Gebühren vor dem Anwaltsgerichtshof, Anwaltsgerichtshof NRW, Beschluss v. 03.11.2023, Az. 1 AGH 39/17

In einer gebührenrechtlichen Frage hat der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen nun entschieden, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen die erhöhte Verfahrensgebühr für sogenannte „besondere erstinstanzliche Verfahren“ geltend machen können und Verfahrensbeteiligte diese auch von der unterlegenen Gegenseite erstattet erhalten.

Die Frage war aufgeworfen worden, weil der Anwaltsgerichtshof keine typische erste Instanz darstellt.

Der Anwaltsgerichtshof ist im Aufbau der Anwaltsgerichtsbarkeit die mittlere Instanz. Beginnen Verfahren beim Anwaltsgericht führt das Rechtsmittel zum Anwaltsgerichtshof. Vom Anwaltsgerichtshof kann es zum Bundesgerichtshof weitergehen.

Nun gibt es aber verwaltungsrechtliche Anwaltssachen, die immer beim Anwaltsgerichtshof in der ersten Instanz beginnen. (§ 112a BRAO) Die Berufungsinstanz ist dann der Bundesgerichtshof.

Hier stellt sich nun die Frage, welche Verfahrensgebühr denn vor dem AGH anfällt. Ziff. 3100 VV RVG wäre die Gebühr für den „ersten Rechtszug“.

Ziff. 3300 Nr. 2 VV RVG ist die speziellere und höhere Verfahrensgebühr für „das erstinstanzliche Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, dem Bundessozialgericht, dem Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) und dem Landessozialgericht“.

Dort ist der Anwaltsgerichtshof namentlich also nicht erwähnt. Der BayAGH schloss daraus, dass die Vorschrift nicht angewendet werden kann. (Beschluss v. 15.03.2019, Az. III-4-10/17)

Das hat uns nicht überzeugt. Denn in der Bundesrechtsanwaltsordnung gibt es ebenfalls eine Spezialvorschrift, die lautet: „Der Anwaltsgerichtshof steht einem Oberverwaltungsgericht gleich“ (§ 112c Abs. 1 S. 2, 1. Hs. BRAO)

Auch gab es bereits vor Geltung des RVG Rechtsprechung der Ehrengerichtshöfe, die höhere Gebühren noch nach der BRAGO annahmen.

Daher haben wir im letzten Jahr im eigenen Namen Rechtsmittel eingelegt und eine höhere Kostenerstattung beantragt. Auf diese Erinnerungen hin hat der Anwaltsgerichtshof NRW nun zwei Kostenentscheidungen abgeändert und uns die höhere Verfahrensgebühr zugesprochen.

In der Begründung heißt es kurz und ergreifend:

„Dem Antrag der Beklagten auf Erstattung der 1,6-fachen Verfahrensgebühr Nr. 3300 Nr. 2 VV RVG wird nachträglich entsprochen. Der Anwaltsgerichtshof steht gem. § 112c Abs. 1 Satz 2 BRAO dem Oberverwaltungsgericht gleich. Für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht fällt die Verfahrensgebühr Nr. 3300 Nr. 2 VV RVG an, die somit auch auf dieses Verfahren Anwendung findet.“

Anwaltsgerichtshof NRW, Beschluss v. 03.11.2023, Az. 1 AGH 39/17

Damit schließt sich nun auch der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen einer Linie an, die wohl bereits der Anwaltsgerichtshof Baden-Württemberg ebenfalls für zutreffend erachtet.

Anmerkung: Beantragt eine Partei versehentlich die geringere Verfahrensgebühr nach Ziff. 3100 VV RVG, besteht kein Anspruch sozusagen „von Amts wegen“ die höhere Verfahrensgebühr der Ziff. 3300 Nr. 2 VV RVG zugesprochen zu bekommen. Dies kann sogar im selben Kostausgleichungsverfahren zur Berücksichtigung unterschiedlicher Erstattungsbeträge führen. (vgl. Beschluss v. 27.08.2024, Az. 1 AGH 39/17).