Lehrer dürfen ohne disziplinarische Konsequenzen streiken, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Pressemitteilung v. 15.12.2010

In einem beim Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängigen Verfahren klagte eine beamtete Lehrerin gegen eine Disziplinarverfügung der Bezirksregierung Köln. Diese hatte gegen die Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 1.500,– Euro verhängt, weil sie im Januar und Februar 2009 an drei Tagen an Warnstreiks der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft teilgenommen hatte.

Mit soeben verkündetem Urteil hat die 1. Landesdisziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf diese Disziplinarverfügung aufgehoben. Zur Begründung führte der Vorsitzende in seiner mündlichen Urteilsbegründung aus: Bei der Teilnahme an den Warnstreiks handele es sich zwar um ein Dienstvergehen, weil es zu den im Grundgesetz verankerten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehöre, dass Beamte nicht streiken dürften. Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg verstoße die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gegen bestimmte Beamtengruppen, insbesondere Lehrer, wegen Teilnahme an Streiks jedoch gegen die in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Koalitionsfreiheit. Diese Rechtsprechung sei im Rahmen der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Disziplinarrechts zu berücksichtigen. „Lehrer dürfen ohne disziplinarische Konsequenzen streiken, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Pressemitteilung v. 15.12.2010“ weiterlesen

Akteneinsicht in Personalakte auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 16.11.2010, Az. 9 AZR 573/09

Der Arbeitgeber hat im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Hierzu zählt auch das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers resultierende Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ein Recht auf Akteneinsicht in die Personalakte. Dies hat nun das Bundesarbeitsgericht deutlich gemacht. „Akteneinsicht in Personalakte auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 16.11.2010, Az. 9 AZR 573/09“ weiterlesen

Keine Altersteilzeit wegen Personaleinsatzmanagement, Anmerkung zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 03.11.2010 (Az. 12 Sa 733/10)

Ältere Arbeitnehmer öffentlicher Arbeitgeber haben aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarungen ein Recht darauf, dass ihr Arbeitgeber über einen Antrag auf Altersteilzeit ermessensfehlerfrei entscheidet. Was sich zunächst nach grauer Theorie anhört, bedeutet für die betroffenen Angestellten und Dienststellen, dass vor allen Dingen die persönlichen und dienstlichen Belange gegeneinander abgewogen werden müssen. „Keine Altersteilzeit wegen Personaleinsatzmanagement, Anmerkung zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 03.11.2010 (Az. 12 Sa 733/10)“ weiterlesen

bisherige Beförderungspraxis der Finanzverwaltung rechtswidrig – OVG bringt versteinerte Verhältnisse zum Tanzen, Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss v. 25.11.2010, Az. 6 B 749/10

Kurzkommentar:

Bereits im Frühjahr 2010 hatten wir auf die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 09.03.2010 hingewiesen, welche die Beförderungspraxis der Finanzverwaltungen für rechtswidrig erklärt hatte. Zugrunde lag bereits dieser Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach bei Beförderungsentscheidungen nicht nur die Gesamtnote berücksichtigt werden muss, sondern auch eine „Ausschärfung“ der gesamten Beurteilung stattzufinden hat. Dies bedeutet, dass auch Leistungsunterschiede bei einzelnen Beurteilungselementen berücksichtigt werden müssen.

Damals hatten wir die Frage gestellt, ob das OVG NRW sich dieser Rechtsprechung wohl anschließen würde, nachdem mehrere Jahre die Beförderungspraxis der Finanzverwaltung – auch nach 2004 – von den Gerichten nicht beanstandet wurde. Nun hat das OVG überraschend klar und überraschend schnell im Beschluss vom 25.11.2010 diese Frage beantwortet. Es hat sich ganz hinter die Entscheidung des HessVGH gestellt. Genauso wie dieses Gericht kommt es jetzt für NRW zu dem Ergebnis, dass die bisherige Beförderungspraxis der Oberfinanzdirektionen rechtswidrig ist. Wörtlich führt das Gericht in schnörkelloser Klarheit aus: „bisherige Beförderungspraxis der Finanzverwaltung rechtswidrig – OVG bringt versteinerte Verhältnisse zum Tanzen, Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss v. 25.11.2010, Az. 6 B 749/10“ weiterlesen

zum Vergleich von Bewerbern in unterschiedlichen statusrechtlichen Ämtern, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 26.11.2010

Das Gericht äußert sich zunächst zur Konkurrenz eines Versetzungsbewerbers (für den die Stelle keine Beförderung darstellen würde) mit einem Beförderungsbewerber (der im Falle der Stellenbesetzung befördert werden würde). Das Gericht bezieht sich hier auf die mittlerweile gefestigte Rechtsprechung des OVG NRW, wonach eine solche Konkurrenz im Eilverfahren zu regeln ist. Das früher häufig vorgetragene Argument, die Übertragung eines Dienstpostens könne ohnehin im Hauptsacheverfahren erfolgen und daher sei kein eiliger Anordnungsgrund gegeben, wird nicht mehr aufrechterhalten. Die Verwaltungsgerichte stellen nunmehr maßgeblich darauf ab, dass der erfolgreiche Bewerber im Falle einer rechtswidrigen Dienstposteneinweisung einen erheblichen Eignungsvorsprung erlangen würde, der später zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wäre. Wenn aber die Einweisung rechtswidrig war, schafft ihm dies einen ungerechtfertigten Vorteil, der durch eine vorbeugende Maßnahme im Eilverfahren untersagt werden muss. „zum Vergleich von Bewerbern in unterschiedlichen statusrechtlichen Ämtern, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 26.11.2010“ weiterlesen

Aufhebung der Ernennung eines Gerichtspräsidenten im Konkurrentenstreit, Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.11.2010 (mit Kommentar)

Die Beförderung eines Richters oder Beamten in ein höheres Amt kann von einem unterlegenen Mitbewerber vor den Verwaltungsgerichten mit Erfolg angefochten werden, wenn der Dienstherr den ausgewählten Bewerber unter Verletzung des Grundrechts des Mitbewerbers auf wirkungsvollen Rechtsschutz ernannt hat. Der Grundsatz der Ämterstabilität steht dem nicht entgegen. Die Klage hat Erfolg, wenn die Bewerberauswahl Rechte des Mitbewerbers verletzt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

In dem zu entscheidenden Verfahren hatten sich der Kläger als Präsident eines Landgerichts und der Beigeladene als damaliger Präsident des Landessozialgerichts um das höher eingestufte Amt des Präsidenten des Oberlandesgerichts beworben. Der Justizminister entschied sich für den Beigeladenen. „Aufhebung der Ernennung eines Gerichtspräsidenten im Konkurrentenstreit, Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.11.2010 (mit Kommentar)“ weiterlesen

Ernennung eines Bewerbers ist ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung, Leitsätze des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil vom 04.11.2010, Az. 2 C 16.09

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.11.2010, Az. 2 C 16.09

amtliche Leitsätze:

Die Ernennung des in einem Stellenbesetzungsverfahrens erfolgreichen Bewerbers ist ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung, der in die Rechte der unterlegenen Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG eingreift.

 

Der Grundsatz der Ämterstabilität steht der Aufhebung der Ernennung auf Klage eines unterlegenen Bewerbers nicht entgegen, wenn dieser daran gehindert worden ist, die Rechtsschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs vor der Ernennung auszuschöpfen.

 

Der Dienstherr muss nach Obsiegen im einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht mit der Ernennung angemessene Zeit zuwarten, um dem unterlegenen Bewerber die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zu ermöglichen.

 

Einer dienstlichen Beurteilung fehlt die Aussagekraft für den Leistungsvergleich der Bewerber, wenn der für die Erstellung Zuständige keine Beiträge Dritter eingeholt hat, obwohl er die dienstliche Tätigkeit des beurteilten Bewerbers nicht aus eigener Anschauung kennt. „Ernennung eines Bewerbers ist ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung, Leitsätze des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil vom 04.11.2010, Az. 2 C 16.09“ weiterlesen

Beigeordneter darf Dienstgeschäfte ausüben, Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss v. 27.10.2010, Az. 1 B 1425/10

1 B 1425/10
Beschluss
in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

des … Antragstellers,

Prozessbevollmächtigte:    Rechtsanwälte Dr. Obst & Hotstegs, Mozartstraße 21, 40479 Düsseldorf,

gegen

die Stadt Ratingen, vertreten durch den Bürgermeister der Stadt Ratingen, Minoritenstraße 2 – 6, 40878 Ratingen,
Antragsgegnerin,

Prozessbevollmächtigte:    Rechtsanwälte Wolter – Hoppenberg, Südring-Center, Südring 4,59065 Hamm,

wegen eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte;
hier: Zurücknahme des Antrags auf Erlass einer Zwischenregelung über die Aussetzung der Vollziehung während des Beschwerdeverfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes

hat der 1. Senat des
OBERVERWALTUNGSGERICHTS FÜR DAS LAND NORDRHEIN-WESTFALEN
am 27. Oktober 2010
durch
die Richterin am Verwaltungsgericht    F e l s c h,

nach Zurücknahme des Antrags durch die Antragsgegnerin in Anwendung des § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 87a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 VwGO (Zuständigkeit der Berichterstatterin für die Entscheidung)

beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt. „Beigeordneter darf Dienstgeschäfte ausüben, Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss v. 27.10.2010, Az. 1 B 1425/10“ weiterlesen

Neue Entwicklung im Disziplinarrecht – zum Verhältnis von Strafverfahren und Disziplinarverfahren – Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts v. 19.08.2010, Az. 2 C 5.10 und Az. 2 C 13.10

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in zwei Entscheidungen vom 19.08.2010 maßgebliche Aussagen zum Verhältnis der Disziplinarstrafe zum Strafverfahren getroffen. Die beiden Verfahren betrafen zwar den Sonderfall des Vorwurfs von Kinderpornografie, sind aber auch anderweitig für alle Disziplinarfälle relevant, in denen dem Disziplinarverfahren ein Strafverfahren vorausgegangen ist. Das BVerwG hat in den beiden Urteilen zum Ausdruck gebracht, dass auch die Höhe der Strafandrohung für die Tat, welche der Beamtin / dem Beamten vorgeworfen wird, maßgebliche Bedeutung für die später auszusprechende Disziplinarsanktion hat. „Neue Entwicklung im Disziplinarrecht – zum Verhältnis von Strafverfahren und Disziplinarverfahren – Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts v. 19.08.2010, Az. 2 C 5.10 und Az. 2 C 13.10“ weiterlesen

Beamtenentlassungen flächendeckend rechtswidrig – Gleichstellungsbeauftragte müssen beteiligt werden (Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 03.09.2009, Az. 6 A 3083/06)

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat nun anhand des Falls einer Lehrerin ausgeführt, dass Entlassungen aus dem Beamtenverhältnis rechtswidrig sind, wenn die Gleichstellungsbeauftragte der jeweiligen Behörde nicht beteiligt wurde. Nach unserer Einschätzung sind hierdurch flächendeckend Entlassungen von Beamten rechtswidrig. Betroffene Beamte haben nun die Möglichkeit gegen Ihre Entlassung zu klagen.

Obwohl die Gleichstellungsbeauftragte nach den Vorschriften des Landesgleichstellungsgesetzes nur „zu beteiligen“ ist und sie im Ergebnis eine Entlassung nicht verhindern können soll, sanktioniert das Oberverwaltungsgericht dadurch alle Behörden, die Gleichstellungsbeauftragte nicht in das Verfahren einbinden. „Beamtenentlassungen flächendeckend rechtswidrig – Gleichstellungsbeauftragte müssen beteiligt werden (Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 03.09.2009, Az. 6 A 3083/06)“ weiterlesen

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