Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 02.07.2020
::: Pressemitteilung 3/2020 :::
NRW-Verfassungsbeschwerde wird rege genutzt – trotz Hürden
Corona-Pandemie prägt aktuelle Rechtsprechung, nur zwei Beschwerden bislang erfolgreich
Düsseldorf. Seit 2019 können Bürger:innen ihre Rechte aus der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen durch eine Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof in Münster geltend machen. Ähnlich wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheidet der Gerichtshof in Münster über Grundrechtsverletzungen. Auch wenn die Verfassung in diesen Tagen 70 Jahre alt wird, ist der Rechtsschutz damit also deutlich jünger, unbekannter und unerforschter. Robert Hotstegs (40), Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Düsseldorf, ist begeistert von der Vielfalt der Themen, sorgt sich aber, ob nebenamtliche Richter:innen den Beschwerden gewachsen bleiben.
Der Verfassungsgerichtshof hat in den Monaten Januar bis Juni 2020 bereits 65 Entscheidungen in 58 Verfahren getroffen und veröffentlicht. Im ersten Halbjahr des Vorjahres waren es gerade einmal neun Verfahren gewesen. Zu sechs Verfahren hat der Gerichtshof eine eigenständige Pressemitteilung herausgegeben (1. Hj. 2019: 6).
Die erste erfolgreiche Verfassungsbeschwerde 2020 und damit die zweite erfolgreiche Verfassungsbeschwerde in der Geschichte des Rechtsbehelfs erhob am 3. Juli 2019 ein Bürger, der vortrug, Amtsgericht und Landgericht Aachen hätten willkürlich über die Befangenheit eines Richters befunden. Dem folgte der Gerichtshof, weil auch er davon ausging, dass der zuständige Richter des Amtsgerichts Aachen nicht selbst hätte über das Ablehnungsgesuch gegen ihn entscheiden dürfen. Dass die zweite Instanz dies gedeckt hatte qualifizierten die Verfassungsrichter:innen als „verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Versuch, das willkürliche Verhalten des Amtsgerichts mit einer nicht nachvollziehbaren Begründung nachträglich zu rechtfertigen.“ (Beschluss v. 11.02.2020, Az. VerfGH 32/19.VB-3)
Keine andere Verfassungsbeschwerde war nach dem Tenor der Entscheidungen erfolgreich, auch wenn der Verfassungsgerichtshof in einzelnen Verfahren nicht an Kritik mit den Fachgerichten sparte.
„Die wenigen erfolgreichen Verfahren zeigen, dass das Verfahren kein ‚Selbstläufer‘ ist.“ weiß Rechtsanwalt Robert Hotstegs. „Das Verfassungsgericht ist streng, es hat hohe Erwartungen an den Inhalt und die Begründungen der Beschwerden.“ Diese Hürde sei selbst von Anwälten schon oft gerissen worden. Auch ihre Begründungen seien oft unzureichend oder würden die Aufgabe des Gerichts verkennen. Für die Verfassungsbeschwerdeverfahren entstehen keine Gerichtskosten. Eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin ist nicht erforderlich.
Hotstegs: „Der Verfassungsgerichtshof hat die Formel des Bundesverfassungsgerichts übernommen, keine ‚Superrevisionsinstanz‘ sein zu wollen. Daher ist für Münster nicht entscheidend, ob eine Gerichtsentscheidung fachlich korrekt ist. Sondern es steht einzig die Frage im Mittelpunkt, ob Landesverfassungsrechte der Bürger:innen verletzt wurden.“
Besonders prägend war im ersten Halbjahr auch für den Verfassungsgerichtshof die Corona-Pandemie. Das Gericht hat ununterbrochen seine Aufgabe wahrgenommen und auch in der Phase des sogenannten „Lock-down“ binnen weniger Tage entschieden. Die ersten Corona-Entscheidungen ergingen nur fünf bis sechs Tage nach Antragseingang bei Gericht. Bis heute sind so 17 Beschlüsse ergangen. Im Kern hat der Gerichtshof die Bürger:innen stets an die Fachgerichte, etwa das Oberverwaltungsgericht zur sogenannten abstrakten Normenkontrolle verwiesen. Auch darüber hinaus bestanden bislang keine erheblichen Bedenken gegen die vom Landesgesetz- und Verordnungsgeber ergriffenen Maßnahmen.
Rechtsanwalt Robert Hotstegs: „Der Gerichtshof ist mit seinen Aufgaben massiv gewachsen. Er emanzipiert sich zusehends.“ Dies schlage sich auch in seiner Sprache nieder. Erst seit Anfang diesen Jahres bezeichnet das Gericht alle Richter mit ihrer jeweiligen Rolle im Verfassungsgerichtshof. Noch 2019 waren – mit Ausnahme der Präsidentin – alle Mitglieder mit ihrem Hauptamt an einem Fachgericht oder einer Universität bezeichnet worden.
„Wenn die hohe Zahl der Verfassungsbeschwerden anhält, wird der Gerichtshof auch personell verstärkt werden müssen. Mehr wissenschaftliche Mitarbeitende und am Ende womöglich hauptamtliche Verfassungsrichter:innen erscheinen nicht unwahrscheinlich.“, so Hotstegs.
Robert Hotstegs ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Lehrbeauftragter der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW und Autor des Handkommentars „Verfassungsbeschwerde.NRW“.
Verfassungsbeschwerde.NRW
Rechtsgrundlagen | Handkommentar
228 Seiten
39,90 €
ISBN 978-3-7481-5650-5
Kostenlose Rezensionsexemplare können direkt per Email unter presse@bod.de angefordert werden.
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