Im Rahmen einer Kostenentscheidung hatte die Verwaltungskammer der Ev. Kirche in Westfalen darüber zu entscheiden, wie Akteneinsichtsgesuche nach verschiedenen parallelen Rechtsgrundlagen zu bewerten sind.
Der Klage lag ein durch die Landeskirche verzögertes und lange Zeit nicht betriebenes Disziplinarverfahren zugrunde. Nachdem weder das Landeskirchenamt noch die von der Landeskirche beauftragte Bevollmächtigte Akteneinsicht nach dem Disziplinargesetz der EKD gewährt hatte (§ 26 Abs. 2 DG.EKD), hatte der spätere Kläger durch seinen Bevollmächtigten parallel – aber stets in einem Schriftsatz – auch ergänzende Akteneinsichtsrechte nach (a) dem Datenschutzgesetz der EKD und der DSGVO und (b) dem Personalaktenrecht aus dem Pfarrdienstgesetz der EKD geltend gemacht. Nachdem neun Anträge und Sachstandsanfragen in über eineinhalb Jahren nicht bearbeitet wurden und mehrfach Klage angedroht worden war, erhob der Kläger schließlich eine Klage mit dem Ziel der Akteneinsicht.
Auch im Rahmen des Klageverfahrens erkannte die Beklagte den Anspruch nicht sofort an, übersandte aber nach einiger Zeit die vor allem erwünschten Unterlagen.
Nachdem eine außergerichtliche Einigung über die Kosten des Verfahrens scheiterte und zunächst sogar die Landeskirche bestritt, dass sich die Klage juristisch erledigt habe, hatte die Verwaltungskammer nun fast drei Jahre nach dem ersten Antrag auf Akteneinsicht über die Kosten zu entscheiden.
Die Verwaltungskammer hat dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt und führt aus:
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 60 Abs. 5, 61 VwGG.EKD. Billigem Ermessen im Sinne dieser Vorschrift entspricht es, die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Ohne Eintritt der Erledigung wäre der Kläger voraussichtlich unterlegen. Die Klage hätte wegen des fehlenden vorprozessualen Antrags bezogen auf allein in die Zuständigkeit der Verwaltungskammer fallende Ansprüche, die sich unabhängig vom Disziplinarverfahren aus § 19 DSG-EKD und Art. 15 Abs. 3 DSGVO sowie § 62 PfDG.EKD ergeben könnten, als unzulässig abgewiesen werden müssen. Die als Anlagen zur Klageschrift gereichten und darin erwähnten Akteneinsichtsbegehren und Erinnerungen vom 11.5.2021, 13.9.2021, 11.10.2021, 8.11.2021, 17.12.2021, 20.12.2021, 6.1.2022, 19.5.2022 sowie 29.12.2022 sind ausnahmslos im Rahmen des Disziplinarverfahrens geltend gemacht worden, bei dem es sich nicht um einen Antrag bezogen auf im kirchlichen Verwaltungsprozess geltend zu machende Ansprüche handelt. Ein unabhängig vom Disziplinarverfahren auf § 19 DSG-EKD und Art. 15 Abs. 3 DSGVO oder § 62 PfDG.EKD gestütztes Akteneinsichts- oder Auskunftsbegehren ist – soweit aktenkundig ersichtlich – vorprozessual nicht geltend gemacht worden. Wenige Wochen nach Klageerhebung vor der unzuständigen Verwaltungskammer der EKD sind die gewünschten Unterlagen dem Kläger zur Verfügung gestellt worden, ohne dass es hierzu gerichtlicher Hilfe bedurft hätte. Eine entsprechende den Beteiligten mit Verfügung vom 5.7.2023 mitgeteilte Einschätzung wird durch das Vorbringen des Klägers in dem seine Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatz nicht in Frage gestellt. Für die Zulässigkeit dieser Klage bis zum Eintritt der Erledigung unerheblich ist die Frage, ob im Disziplinarverfahren eine frühere Einsicht oder Bescheidung der dortigen Akteneinsichtsbegehren des Klägers durch Auskunft geboten war.
eigene Bewertung der Entscheidung:
Die Kostenentscheidung überzeugt nicht. Sie stellt darauf ab, dass auch die Akteneinsichtsgesuche nach dem Datenschutz- und Pfarrdienstrecht zwar als solche bezeichnet wurden, aber aus Sicht des Gerichts „ausnahmslos im Rahmen des Disziplinarverfahrens geltend gemacht worden“ sind.
Dies bedeutet schlicht, dass für parallele Rechtsgrundlagen demnächst getrennte Schriftsätze erforderlich werden. Warum dies zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen würde, erschließt sich sachlich nicht.
Denn es war unbestritten, dass die Ansprüche nach den verschiedenen kirchlichen und staatlichen Rechtsgrundlagen als solche bezeichnet und für die Landeskirche wie auch ihre Bevollmächtigte zu erkennen waren.
Auch war etwa für den Auskunftsanspruch nach § 19 DSG-EKD eine Dreimonatsfrist gem. § 16 Abs. 3 DSG-EKD einzuhalten. Hätte die beklagte Landeskirche für sich eine – unerklärliche – Fristverlängerung von bis zu zwei weiteren Monaten in Anspruch nehmen wollen, hätte sie nach § 16 Abs. 3 DSG-EKD hierüber informieren müssen. Andernfalls wäre in einem Fall der Nichtbearbeitung gem. § 16 Abs. 4 DSG-EKD eine unverzügliche Unterrichtung notwendig geworden. Weder über eine Fristverlängerung, noch über die Nichtbearbeitung erfolgte aber eine Mitteilung.
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem Pfarrdienstrecht. Denn dort besteht ein jederzeitiger und nicht begründungsbedürftiger Akteneinsichtsanspruch in Personalaktendaten. Wird über diesen Antrag länger als drei Monate nicht entschieden, besteht gem. § 19 VwGG.EKD die Möglichkeit Untätigkeitsklage zu erheben.
Die Landeskirche befand sich daher nach zwei voneinander unabhängigen Rechtsgrundlagen über knapp eineinhalb Jahre in Verzug. Sie rettete prozessual nur die formale Betrachtung, dass in denselben Schriftsätzen auch auf die Rechtsgrundlage des Disziplinarrechts Bezug genommen wurde.
Dass die Verwaltungskammer zugleich auch ausspricht, eine Erfüllung des Akteneinsichtsgesuchs „wenige Wochen nach Klageerhebung“ stelle eine Gewährung der Akteneinsicht ohne „gerichtliche Hilfe“ dar, erscheint zugleich lebensfremd. Denn die bei der beklagten Landeskirche und ihrer Bevollmächtigten zugestellte Klage war ja im Zeitpunkt der Akteneinsichtsgewährung bekannt, sodass aus Sicht des Klägers eine Erfüllung gerade (!) erst unter dem Eindruck der anhängigen Klage erfolgte.
Auch war für die Verwaltungskammer ersichtlich, dass die beklagte Landeskirche gegenüber dem Kläger grundsätzlich nur unter gerichtlichem Druck tätig wurde. Im Parallelverfahren vor der Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der EKD war der Landeskirche bereits in einem Beschluss v. 17.05.2023, Az. 0134/3-2022 attestiert worden, dass jedenfalls ein Teil der Akte „längere Zeit außer Kontrolle geraten und unbearbeitet auf einer Fensterbank abgelegt“ worden war, „das Landeskirchenamt [habe] sich eines schwerwiegenden Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in Disziplinarsachen (§ 8 DG.EKD) schuldig gemacht und eine „völlige Untätigkeit für mehr als sechs Monate [ließe] sich aus Sicht der Kammer nicht entschuldigen“.
Das ließ die Verwaltungskammer nun ausdrücklich offen. Eine Klärung wird jedenfalls in Westfalen zukünftig nur in getrennten Antragsschreiben zu erhalten sein.
Eine Antwort auf „3 Rechtsansprüche in 1 Schreiben = 0 Akteneinsicht?!, Verwaltungskammer der Ev. Kirche v. Westfalen, Beschluss v. 06.03.2024, Az. VK 2/23“
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