Interview | Korschenbroich. Der Verwaltungsrechtler Robert Hotstegs sieht Verhandlungsspielraum und mahnt: Stadt sollte nicht frühzeitig klein beigeben, sondern politisches Signal setzen.
Von Bärbel Broer
Sie ist illegal – die Skateranlage in Korschenbroich an der Albrecht-Dürer-Straße. Das steht nach dem Gutachten des Düsseldorfer Juristen Wilfried Bank fest. Auch eine nachträgliche Heilung – Juristen nutzen tatsächlich diesen medizinischen Begriff – der baurechtlich unzulässigen Anlage ist offenbar nicht möglich. Und dennoch lässt das Gutachten Spielraum. Davon ist Robert Hotstegs überzeugt. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und mit seiner gleichnamigen Rechtsanwaltsgesellschaft unter anderem auf Bürgerbeteiligung spezialisiert. Für unsere Redaktion hat er das Rechtsgutachten zur Skateranlage, das die Verwaltung in Auftrag gegeben hatte, überprüft.
Könnte die Skateranlage erhalten bleiben durch entsprechende Änderungen im Bebauungsplan?
ROBERT HOTSTEGS Verwaltungsrechtlich betrachtet handelt es sich um eine illegale Anlage. Eine nachträgliche Heilung halte ich für nicht möglich. Unser Baurecht ist dafür nicht gut gemacht. Denn der Prüfmaßstab wäre so, als ob man heute eine neue Skateranlage dort bauen wollte.
Muss die Stadt Korschenbroich aufgrund des Gutachtens die Anlage abbauen lassen?
HOTSTEGS Nein. Es gibt definitiv Verhandlungsspielraum. Der Gutachter betont, dass die genannten Lärm-Dezibelwerte von Rechenmodellen ausgehen. Daher sehe ich hier das größte juristische Einfallstor. Wollte ich die Skateranlage verteidigen, würde ich zunächst klären lassen, ob die theoretisch errechnete Lärmbelästigung tatsächlich so ist.
Die Stadt Korschenbroich argumentiert, dass sie eine Pflicht habe, die Anlage zu beseitigen. Würde sie sich weigern, könnte sich jeder an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden, die dann die Beseitigung der Anlage anordnen müsse. Muss die Stadt also unverzüglich handeln?
HOTSTEGS Ich finde es ein überraschendes Signal, dass die Stadt die Anlage umgehend abbauen will. Wird sie nun jedes Mal auf Zuruf einzelner Anwohner Anlagen schließen und verlegen? Wenn es eine Herzensangelegenheit des Rhein-Kreises Neuss oder der Bezirksregierung Düsseldorf wäre, die Skateranlage abbauen zu lassen, wäre dies bereits in den Wochen nach der Ratssitzung geschehen. Davon bin ich überzeugt.
Sollte eine solche Anweisung der übergeordneten Behörde erfolgen, ist die Stadt dann nicht verpflichtet, umgehend zu folgen?
HOTSTEGS Städte und Kommunen müssen keineswegs jede Anweisung als gegeben hinnehmen. Dann bräuchten wir ja keine Selbstverwaltung und auch keine Verwaltungsgerichte. Der Bürgermeister macht sich zu klein. Die Stadt könnte auch versuchen, ein politisches Signal zu setzen, wie ernst sie die Jugend nimmt.
Kinderlärm gilt seit der Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes als privilegierter Lärm. Als Kind gelten jedoch nur unter 14-Jährige. Die Skateranlage sowie der Basketballkorb sind aber auch bei jungen Menschen über 14 Jahre beliebt. Gibt es da überhaupt noch eine Chance zum Erhalt der Anlage?
HOTSTEGS Dass Kinderlärm anders zu beurteilen ist als umweltschädlicher Lärm, ist zunehmend bei Juristen angekommen. Immer öfter urteilen Gerichte im Sinne der Kinder. Im Übrigen wurden solche Urteile aber nur erreicht, wenn sich Städte gegen Anwohnerbeschwerden juristisch gewehrt haben. Bei über 14-Jährigen ist das nicht so eindeutig. In diesem konkreten Fall steht die Anlage aber schon seit Jahren und wurde entsprechend von Kindern und Jugendlichen genutzt. Das müsste individuell vor Gericht geklärt werden.
Das bedeutet aber, dass ein jahrelanger Rechtsstreit durch die Instanzen geführt werden muss?
HOTSTEGS Ich streite ja häufig mit Verwaltungen und erlebe, dass Verwaltungen viel zu selten die Möglichkeit der gütlichen Einigung auf dem Schirm haben. Moderne Mediation bedeutet nach wie vor einen immensen Kulturwandel für Verwaltungen. Dabei würde sich gerade ein Thema wie dieses dafür anbieten, denn Korschenbroich ist ja die Stadt der Anwohner wie auch die Stadt der Kinder und Jugendlichen vor Ort.
Wie könnte denn eine Mediation in diesem Fall aussehen?
HOTSTEGS Den Lärm abzuschaffen, ist nicht möglich. Dennoch könnte die Stadt verschiedene Stellschrauben nutzen. Gütliche Vereinbarungen mit den Beschwerdeführern beispielsweise zu Nutzungszeiten, Personenbegrenzungen oder Altersbeschränkungen wären denkbar. Auch Pläne zur Umgestaltung oder zum Austausch von Geräten.
Hat die Stadt jetzt noch Handlungsspielraum?
HOTSTEGS Der Streit um die Skateranlage zeigt: dies sind Themen, die brennen. Die Stadt könnte daher versuchen, beide Interessen – die der Beschwerdeführer, aber auch jener, die die Anlage behalten möchten – zu vereinbaren. Im Moment sendet sie aber nur das Signal aus, dass ihr die Hände gebunden seien und sie die Anlage abbauen müsse. Auch dass bereits Alternativplätze in der Jugendkonferenz vorgestellt wurden, passt in dieses Bild. Für die Beschwerdeführer läuft es daher wie erhofft. Dabei könnte sich die Stadt auch schützend vor ihre Jugend und vor allem vor ihre eigene bisherige Planung stellen. Dazu muss sie aber Einvernehmen mit den Anliegern herstellen. Das ist deutlich anstrengender. Denn es erfordert Arbeit, Zeit und vor allem Kreativität. Wenn die Verwaltung frühzeitig klein beigibt, ist der Kampf jedoch verloren.
INFO | Mehr als 3000 Menschen für Erhalt der Anlage
Zum Hintergrund Nachdem sich Anwohner über den Lärm beschwert hatten, ließ die Stadt die Skateranlage überprüfen. Dabei kam heraus, dass sie vor über 17 Jahren illegal errichtet worden war.
Protest Der geplante Abbau der Anlage hatte für große Empörung gesorgt. Über 3000 Menschen forderten im Rahmen einer Online-Petition ihren Erhalt.