Seit diesem Jahr können auch die Bürger in NRW Verfassungsbeschwerde beim dortigen VerfGH einlegen. Neun Entscheidungen haben die Münsteraner Verfassungsrichter bisher getroffen und veröffentlicht, nur einmal siegte eine Beschwerdeführerin.
Seit Anfang des Jahres können auch die Bürger in Nordrhein-Westfalen (NRW) ihre Rechte aus der Landesverfassung durch eine Verfassungsbeschwerde beim dortigen Verfassungsgerichtshof (VerfGH) geltend machen. Ähnlich wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entscheidet auch der VerfGH in Münster über Grundrechtsverletzungen. Der Rückblick auf das erste Halbjahr zeigt bereits die Bandbreite der Themen und die juristischen Hürden des Rechtsmittels.
Im ersten Halbjahr 2019 hat der VerfGH neun Verfahren entschieden und veröffentlicht, darunter vier Eilverfahren. Die erste Verfassungsbeschwerde erhob Anfang Februar ein Untersuchungshäftling, der vortrug, die Strafgerichte hätten seine Fluchtgefahr nicht richtig bewertet und ihre Entscheidungen nicht ausreichend begründet. Erfolg hatte der vor dem VerfGH, der die Beschwerde zurückwies, damit nicht (Beschluss v. 22.05.2019, Az. VerfGH 1/19.VB-1).
Nur eine Beschwerde bisher erfolgreich
Erfolgreich dagegen war die zweite Verfassungsbeschwerde, die eine blinde Beschwerdeführerin erhob. Sie wollte Blindengeld vor den Verwaltungsgerichten (VG) erstreiten, die ihr aber Prozesskostenhilfe versagten. Auf die Verfassungsbeschwerde hin hoben die Münsteraner Richter die Entscheidungen erster und zweiter Instanz auf und verwiesen das Verfahren an das Verwaltungsgericht (VG) Köln zur erneuten Prüfung zurück (Beschluss v. 30.04.2019, Az. VerfGH 2/19.VB-2).
Alle weiteren bis Ende Juni entschiedenen und veröffentlichten Verfassungsbeschwerden blieben erfolglos. Dies sei auch darauf zurückzuführen, dass der Senat sich der sehr strengen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und anderer Landesverfassungsgerichte anschließe, erläutert Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei der gleichnamigen Kanzlei in Düsseldorf. „So müssen beispielsweise alle erforderlichen Unterlagen mit der Beschwerde vorgelegt werden, das Gericht ermittelt nicht selbst“, weiß der Verwaltungsrechtler. Dabei sei dies gar nicht zwingend, weil auch der VerfGH von Amts wegen selbst ermitteln und etwa Gerichtsakten anfordern könne.
Noch sind die Verfahren recht zügig
Das erste Halbjahr habe ebenfalls gezeigt, dass der Landesgesetzgeber auch noch organisatorische wie juristische Fragen offengelassen habe und der VerfGH insofern seine eigenen Rahmenbedingungen noch selbst bestimmen müsse, findet Hotstegs, der auch Lehrbeauftragter der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW ist. So habe die allererste Beschwerde nachträglich die Frage aufgeworfen, ob Bürger auch fehlendes rechtliches Gehör durch den VerfGH selbst rügen dürften oder ob eine Gegenvorstellung gegen Beschlüsse aus Münster zulässig sei. Beides hätten die Münsteraner Richter noch offengelassen, weil es im konkreten Fall nicht entschieden werden musste (Beschluss v. 18.06.2019, Az. VerfGH 1/19.VB-1).
Aus Sicht des Düsseldorfer Rechtsanwalts bleibt damit abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung des VerfGH weiterentwickelt. Das Gericht habe derzeit sehr schnelle Verfahrenslaufzeiten, was sicherlich auch ein Vorteil der Anfangsmonate sei. Da dem Gericht aber keine hauptamtlichen Richter zur Verfügung stünden, sondern alle Mitglieder auch einen anderen Hauptberuf ausübten, sei es denkbar, dass der Gerichtshof über lang oder kurz auch an seine Kapazitätsgrenzen stößt, so Hotstegs.
mgö/LTO-Redaktion