Die Stadt Mönchengladbach hat seit einigen Jahren ihr Regelbeurteilungssystem für Beamte außer Kraft gesetzt und erstellt derzeit ausschließlich Bedarfsbeurteilungen (Anlassbeurteilungen).
Hieraus ergeben sich eine Vielzahl von Schwierigkeiten, die exemplarisch in einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen deutlich werden:
- So ist aus dem Wortlaut der Beurteilungen der konkrete Beurteilungszeitraum nicht erkennbar. Im vorliegenden Fall hat der Dienstherr daher im Stellenbesetzungsverfahren angenommen, die Beurteilung des Antragstellers umfasse den Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2017. Tatsächlich – so das Oberverwaltungsgericht – lasse sich aber durch Auslegung ermitteln, dass der Beurteilungszeitraum den 01.11.2016 bis 15.01.2018 umfasse. Weder Start-, noch Enddatum der Feststellung des Senats stimmen mit der Annahme des Dienstherrn im Auswahlverfahren überein, auch ist der Zeitraum zehn Monate kürzer.
- Dies sei aber unschädlich, der Dienstherr habe im Rechtsstreit seine Fehler teilweise erkannt.
- Die Beurteilung des Antragstellers über 14,5 Monate sei auch mit der Beurteilung der Beigeladenen über sieben Jahre vergleichbar, denn die Zeiträume überschnitten sich.
- Schließlich sei zwar ein Gesetzesverstoß gegen § 92 Abs. 1 S. 2 LBG NRW gegeben, weil die Regelbeurteilungen ausgesetzt seien. Ein darüber hinausgehender Verfassungsverstoß gegen Art. 33 GG sei aber nicht dargelegt.
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Sie wäre nur (theoretisch) mit einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht bzw. mit der Individualverfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen anzugreifen.
Sie ist dennoch nur schwer hinzunehmen. Denn der Beschluss zeigt an gleich mehreren Stellen auf, dass es der Dienstherr selbst ist, der über sein Wirrwarr von Bedarfsbeurteilungen und damit im Ergebnis über seinen eigenen Gesetzesverstoß gegen § 92 Abs. 1 S. 2 LBG NRW stolpert.
Der Dienstherr ahnte im Stellenbesetzungsverfahren nicht, welchen Inhalt die von ihm selbst erstellten und von ihm selbst ausgewerteten Beurteilungen haben bzw. nach Auffassung des Gerichts haben sollten.
Warum dies nicht auf die Auswahlentscheidung durchschlagen soll, bleibt ein Geheimnis.
Jedenfalls dürfte allen Beamten in vergleichbarer Situation ein Konkurrentenstreit stets zu empfehlen sein, das Potential Fehler des Dienstherrn aufzudecken ist immens. Es bleibt ein Rätsel des Dienstherrn, warum er derartige Risiken eingeht.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts führt im Wortlaut aus:
Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der vom Antragsteller dargelegten Gründe befindet, ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Stelle „Sachbearbeiterin/Sachbearbeiter Planverfahren“ im Fachbereich Stadtentwicklung und Planung nicht zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist,
mit der Begründung abgelehnt, die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen verletze den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers nicht. Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen greift nicht durch.
1. Der Antragsteller erhebt keine substantiierten Einwände gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die zum Gegenstand der Auswahlentscheidung gemachten dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und der Beigeladenen seien hinreichend aktuell und ungeachtet der um vier Monate auseinanderliegenden Endpunkte der Beurteilungszeiträume in zeitlicher Hinsicht vergleichbar. Insoweit wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
2. Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, aus seiner der Auswahlentscheidung zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilung vom 15. Januar 2018 ergebe sich der Beurteilungszeitraum nicht. Ein solcher wird in der Anlassbeurteilung zwar nicht genannt, in der es im Formularfeld Beurteilungszeitraum lediglich heißt: „Erstbeurteilerin ist Vorgesetzte seit 11/2012 bis zum Stichtag und laufend“. Dass der Beurteilungszeitraum vom 1. November 2016 bis zum 15. Januar 2018 reicht, lässt sich aber durch Auslegung ermitteln.
Der Zeitraum, auf den sich die dienstliche Beurteilung bezieht, muss aus der Beurteilung erkennbar sein, wobei ausreichend ist, wenn er ihr im Wege der Auslegung zu entnehmen ist. Dabei ist ausgehend vom Empfängerhorizont an objektive Anhaltspunkte anzuknüpfen. Nicht entscheidend ist demgegenüber ein gegebenenfalls abweichender, objektiv aber nicht zum Ausdruck gekommener innerer Wille des Beurteilers. Wenn es im Einzelfall – wie hier – an hinreichenden objektiven Anhaltspunkten dazu fehlt, wie der der Beurteilung zugrunde liegende Zeitraum eingegrenzt ist, kann die Auslegungsregel greifen, dass zur Vermeidung einer Beurteilungslücke „im Zweifel“ beabsichtigt sein dürfte, unmittelbar an den Zeitraum der letzten Vorbeurteilung anzuknüpfen.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Mai 2018 -6 B 88/18-, juris Rn. 34, vom 12. Februar 2015 – 6 B 1154/14-, juris Rn. 5ff., und vom 15. August 2014 – 6 B 600/14 -‚ juris Rn. 6 ff.
Hiervon ausgehend lässt sich der Beurteilungszeitraum, den die zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 15. Januar 2018 erfasst, (noch) hinreichend ermitteln.
Ein Beurteilungsstichtag ist – anders als die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung angibt (15. Januar 2018) und anders als sie im Auswahlverfahren angenommen hat (31. Dezember 2017; vgl. Auswahlvermerke vom 23. April 2018 und 1. August 2018) – aus der bei der Personalakte des Antragstellers befindlichen Beurteilung nicht ersichtlich. Es ist deshalb mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Anlassbeurteilung die Zeit bis zu ihrer Abfassung am 15. Januar 2018 erfasst. Nach den oben genannten Grundsätzen ist weiter anzunehmen, dass der Beurteilungszeitraum an den der vorherigen Anlassbeurteilung vom 25. November 2016 anschließt, der am 31. Oktober 2016 endet. Anhaltspunkte für die Angabe der Antragsgegnerin im Auswahlvermerk vom 1. August 2018, der Beurteilungszeitraum beginne bereits am 1. Januar 2015, lassen sich der dienstlichen Beurteilung nicht entnehmen. Die Antragsgegnerin hat daran im Beschwerdeverfahren auch nicht festgehalten, sondern dies ausdrücklich als irrtümliche Wiedergabe bezeichnet.
3. Dies zugrunde gelegt, ist für die Rüge des Antragstellers, die Beurteilungszeiträume seiner dienstlichen Beurteilungen vom 25. November 2016 und vom 15. Januar 2018 überschnitten sich unzulässigerweise, kein Raum.
4. Dass sich nach den obigen Ausführungen die dienstliche Beurteilung des Antragstellers nur auf 14 1/2 Monate, die der Beigeladenen demgegenüber auf einen mehrjährigen Beurteilungszeitraum bezieht, ist entgegen der Auffassung der Beschwerde unerheblich. Dabei muss der Senat wegen der Bindung an das Beschwerdevorbringen nicht der Frage nachgehen, ob und ggf. welcher Beurteilungszeitraum der aktuellen dienstlichen Beurteilung der Beigeladenen zu entnehmen ist und was sich daraus möglicherweise für ihre Rechtmäßigkeit ergibt. Denn insoweit hat der Antragsteller keine konkreten Rügen erhoben. Er hat vielmehr ausdrücklich zugrunde gelegt, dass die dienstliche Beurteilung der Beigeladenen sich zum Zeitraum 1. Mai 2011 bis 1. Mai 2018 verhalte.
Unterschiedlich lange Beurteilungszeiträume schließen die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen nicht aus, solange im Einzelfall auf der Grundlage dieser Beurteilungen ein Qualifikationsvergleich nach Bestenauslesegrundsätzen ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers möglich bleibt. Dass die Beurteilungszeiträume (annähernd) gleich lang sind, ist nicht erforderlich. Denn für die Auswahlentscheidung ist der aktuelle Leistungsstand ausschlaggebend; Erkenntnisse, die einen länger zurückliegenden Zeitraum betreffen, sind demgegenüber regelmäßig von geringerem Gewicht. Daher ist für die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen von weitaus größerer Bedeutung, dass der von ihnen abgedeckte Zeitraum zum gleichen Stichtag oder zumindest nicht zu erheblich auseinander fallenden Stichtagen endet, als dass der jeweils erfasste Beurteilungszeitraum zum gleichen Stichtag beginnt.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. November 2018 – 6 B 1135/18 -, juris Rn. 10 ff., vom 27. Januar 2016 – 6 B 1358/15-, juris Rn. 17, vom 30. Oktober 2015 – 6 B 865/15 -‚ juris Rn. 6 ff., vom 1. Oktober 2015 – 6 B 1027/15 -, juris Rn. 5 f., vom 27. Februar 2012 – 6 B 181/12 -, DÖD 2012, 137 =juris Rn. 5 f., jeweils mit weiteren Nachweisen; Hamb. OVG, Beschlüsse vom 10. Oktober 2017 – 5 Bs 111/17 -‚ NordÖR 2018, 113 = juris Rn. 86, und vom 25. April 2008 – 1 Bs 52/08 -‚ DÖD 2008, 263 = juris Rn. 4.
Gemessen an diesen Vorgaben bilden die unter dem 15. Januar 2018 für den Antragsteller und unter dem 22. Mai 2018 für die Beigeladene erstellten Anlassbeurteilungen eine taugliche Entscheidungsgrundlage für die Auswahlentscheidung.
Der von ihnen erfasste Zeitraum ist zunächst von genügender Länge, um eine hinreichend verlässliche Beurteilung des Leistungsbildes der Beamten zu ermöglichen.
Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 2. September 2014 – 6 B 832/14 -‚ juris Rn. 6.
Der Qualifikationsvergleich ist auch ungeachtet der unterschiedlichen Länge der Beurteilungszeiträume möglich. Zur hinreichenden Aktualität und dazu, dass die Beurteilungszeiträume zu nicht erheblich auseinander fallenden Stichtagen enden, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Die nur von der Anlassbeurteilung der Beigeladenen erfassten länger zurückliegenden Zeiträume haben eine eher geringe Bedeutung für den Qualifikationsvergleich. Dieser ist auch ungeachtet des Umstandes möglich, dass die aktuelle dienstliche Beurteilung des Antragstellers nur 14 1/2 Monate erfasst. Denn diese liegen jedenfalls komplett innerhalb des Beurteilungszeitraums der aktuellen Anlassbeurteilung der Beigeladenen.
Ungeachtet dessen könnte die Annahme einer zeitlich zu großen Divergenz der Beurteilungszeiträume allenfalls gebieten, die vorangegangenen Anlassbeurteilungen des Antragstellers vom 25. November 2016 und vom 25. September 2014 mit zu berücksichtigen.
Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 27. Januar 2016 – 6 B 1358/15-, a. a. O. Rn. 17.
Hieraus würde sich jedoch kein Qualifikationsvorsprung zu Gunsten des Antragstellers ergeben, da er dort – bei gleicher Gesamtnote im gleichen Statusamt – in den Einzelmerkmalen insgesamt nicht besser beurteilt worden ist als die Beigeladene in der aktuellen Beurteilung. Der nicht näher begründeten Auffassung des Antragstellers, Anlassbeurteilungen erledigten sich im Rechtssinne, wenn ihr Anlass weggefallen sei, ist nicht zu folgen. Bedarfsbeurteilungen werden zwar aus bestimmten Anlässen, wie etwa einer Bewerbung um eine Beförderungsstelle, erstellt. Das bedeutet aber nicht, dass ihnen nur Bedeutung für das jeweilige Stellenbesetzungsverfahren zukäme, das lediglich Anlass, nicht aber Bezugspunkt der dienstlichen Beurteilung ist. Eine andere Betrachtung würde nicht nur dem erforderlichen Statusamtsbezug einer dienstlichen Beurteilung,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 -, BVerwGE 147, 20 = juris Rn. 22,
sondern auch ihrer Bedeutung an sich nicht gerecht. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts selbst für die (hier nicht einmal gegebene) Fallgestaltung, dass der von einer Anlassbeurteilung erfasste Zeitraum bei der nachfolgenden Regelbeurteilung einbezogen wird.
Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2001 – 2 C 41.00 -‚ NVwZ-RR 2002, 201 = juris Rn. 17.
5. Der Einwand des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin seit einiger Zeit entgegen § 92 Abs.1 Satz 2 LBG NRW keine Regelbeurteilungen, sondern nur noch Anlassbeurteilungen erstelle, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Ob und wann ein solches Vorgehen den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG genügt, kann offen bleiben.
Vgl. insoweit BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2016 – 2 B 85.15 (2 C 18.16) -, juris.
Der Antragsteller, dessen Anlassbeurteilungen den gesamten Zeitraum seit der letzten Regelbeurteilung aus Juli 2011 abdecken, legt jedenfalls nicht dar, dass hier dadurch sein Bewerbungsverfahrensanspruch und damit Art. 33 Abs. 2 GG mit der Folge verletzt wird, dass die getroffene Auswahlentscheidung rechtswidrig wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.