Vollstreckungsverfahren zwischen Beamten und Dienstherrn kommen (glücklicherweise) selten vor. Auch Rechtsstreitigkeiten um Dienstzeugnisse sind kaum zu finden. Deshalb findet ein aktueller Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln unsere besondere Aufmerksamkeit.
Vorangegangen waren gerichtliche und außergerichtliche Streitigkeiten zwischen der betroffenen Beamtin und dem betroffenen Dienstherrn. Alle Streitigkeiten konnten durch einen vor Gericht geschlossenen Vergleich beigelegt werden, der auch eine Regelung zur Erstellung eines qualifizierten Dienstzeugnisses enthielt. Die Formulierung lautete:
Die Beklagte erstellt der Klägerin ein wohlwollendes Dienstzeugnis, welches nach § 92 Abs. 3 Satz 2 LBG NRW auch zu den ausgeübten Tätigkeiten und Leistungen Auskunft gibt und in dem die Leistung mit „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ bewertet wird. Es erfolgt eine vorherige Abstimmung der Parteien über die konkreten Inhalte.
Auszug aus dem Vergleich
In der Folgezeit war sodann streitig, ob diese Klausel des Vergleichs erfüllt worden sei.
Da die Beamtin die Vollstreckung einleitete, war die Kammer als Vollstreckungsgericht zuständig. Ihre Zweifel an der Form des Antrags ließ sie dahinstehen, da der Vollstreckungsantrag jedenfalls in der Sache schon nicht begründet war und unsubstantiiert blieb.
Im Volltext führt das Verwaltungsgericht aus:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Vollstreckungsgläubigerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Vollstreckungsgläubigerin,
der Vollstreckungsschuldnerin zur Erfüllung der Verpflichtung in Ziff. 6 aus dem Vergleich gem. Beschluss vom 30. April 2018 (Erstellung eines wohlwollenden Zeugnisses) eine Frist von zwei Wochen zu setzen und für den Fall, dass ein wohlwollendes Dienstzeugnis gem. Ziff. 6 des Vergleichs innerhalb der Frist nicht erteilt wird, wegen Nichtvornahme der Verpflichtung gem. Ziff. 6 des Vergleichs die Festsetzung eines Zwangsgeldes anzudrohen,
hat keinen Erfolg.
Das Gericht kann auf Antrag entsprechend § 172 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegen eine Behörde vollstrecken wegen einer von ihr in einem gerichtlichen Vergleich eingegangenen Verpflichtung, die auf spezifisch hoheitlichen Regelungsbefugnissen beruht und die nicht auf eine Geldleistung gerichtet ist. Dass gerichtliche Vergleiche Vollstreckungstitel sind, folgt aus § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. September 2013 – 16 E 100/13 – juris, Rn.5, juris, m,w.N.
Danach kann das Gericht unter Fristsetzung ein Zwangsgeld androhen, festsetzen und von Amts wegen vollstrecken, wenn die Behörde der ihr auferlegten Verpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich nicht nachkommt.
Es kann offen bleiben, ob der vorliegende Antrag im Rahmen der nach diesen Maßgaben zu beantragenden Vollstreckung nach § 172 VwGO richtig gestellt ist. Denn in der Sache hat der Antrag keinen Erfolg, weil eine Nichterfüllung der übernommenen Verpflichtung nicht festzustellen ist.
Die Vollstreckungsschuldnerin hat sich als Beklagte im Verfahren … verpflichtet, der Vollstreckungsgläubigerin und damaligen Klägerin ein wohlwollendes Dienstzeugnis zu erstellen, das nach § 92 Abs. 3 Satz 2 Landesbeamtengesetz (LBG NRW) auch zu den ausgeübten Tätigkeiten und Leistungen Auskunft gibt und in dem die Leistung mit „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ bewertet wird. Ferner wurde in Ziff. 6, Satz 2 des Vergleichs aufgenommen: „Es erfolgt eine vorherige Abstimmung der Parteien über die konkreten Inhalte“.
Die Vollstreckungsschuldnerin ist ihrer Verpflichtung aus Ziff. 6 des Vergleichs vom … nachgekommen. Sie hat im Laufe des hiesigen Vollstreckungsverfahrens mit Schriftsatz vom 11. Januar 2019 die endgültige Fassung des Dienstzeugnisses der Vollstreckungsgläubigerin eingereicht, das im Entwurf bereits unter dem 07. Mai 2018 erstellt worden war.
Das Dienstzeugnis genügt dabei den im Vergleich vereinbarten Anforderungen. Es ist zunächst vom Wohlwollen gegenüber der Vollstreckungsgläubigerin geprägt. Dies zeigt sich in den zahlreichen, äußerst positiven Bewertungen der einzelnen Leistungsbeiträge der Vollstreckungsgläubigerin. So heißt es beispielsweise: „arbeitete sich (…) sehr schnell und mit äußerst großem Engagement in ihre neue Aufgaben ein“; „leistete (…) erhebliche Aufbauarbeit in ihrem Sachgebiet“; „Besonders hervorzuheben ist ihre Beteiligung am Projekt (…); „sich mit äußerst großem Fachwissen engagierte“; „sehr hohes Maß an Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft“; „gutes analytisches-konzeptionelles Urteils- und Denkvermögen“; „umfassenden und velseitigen Fachkenntnisse“; „ausgezeichnete wirtschaftliche Expertise“; „gute Leistungen“; „stets höflich und zuvorkommend“; „bestach mit ihren exzellenten Umgangsformen und ihrer zuvorkommenden Art“ usw.
Ferner erfüllt das Dienstzeugnis den Maßstab des § 92 Abs. 3 Satz 2 LBG NRW. Nach dieser Vorschrift muss das Dienstzeugnis auf Verlangen des Beamten auch über die von ihm ausgeübte Tätigkeit und seine Leistungen Auskunft geben. Das vorliegende Dienstzeugnis enthält eine ausführliche Aufzählung der Aufgaben, die die Vollstreckungsgläubigerin als Sachgebietsleiterin und als Sondermittelcontrollerin wahrgenommen hat. Die Aufzählung erstreckt sich auf nahezu drei Seiten. Eine Unvollständigkeit ist insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich.
Nach der Aufgabenaufzählung folgt im Zeugnis ein bewertender Teil bezüglich der Leistungen der Vollstreckungsgläubigerin bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Dass dieser Teil durchweg von Wohlwollen geprägt ist, wurde oben dargelegt.
Auch schließt das Dienstzeugnis mit dem vereinbarten Gesamturteil „Die ihr übertragenen Aufgaben erfüllte Frau … stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“.
Demgegenüber greifen die Einwände der Vollstreckungsgläubigerin gegen das Zeugnis nicht durch. Soweit die Vollstreckungsgläubigerin das Fehlen einer Aussage zum Führungsverhalten rügt, ergibt sich weder aus der im Vergleich getroffenen Vereinbarung noch mittelbar aus dem Verweis auf § 92 Abs. 3 Satz 2 LBG NRW, dass hierzu zwingend eine Aussage hätte getroffen werden müssen.
Die ferner geltend gemachte inhaltliche Unstimmigkeit und Fehlerhaftigkeit des Zeugnisses erschließt sich mangels weiterer Substantiierung dieses Einwandes für das Gericht nicht. Soweit die Vollstreckungsschuldnerin rügt, der Text stimme teilweise nicht mit der Schlussformel überein, ist sie wiederum auf den Wortlaut des Vergleichs zu verweisen. Der Vergleich enthält nur die Verpflichtung, die Leistungen der Vollstreckungsgläubigerin insgesamt mit „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ zu bewerten. Eine Verpflichtung, alle ihre Leistungsbeiträge mit dieser Note zu bewerten, beinhaltet der Vergleich gerade nicht. Im Übrigen kann die hier vergebene Bestnote auch dann gerechtfertigt sein, wenn nicht alle Einzelleistungen mit der Höchstnote bewertet wurden, weil insofern eine Gesamtbetrachtung vorgenommen wird.
Nicht durchgreifend ist letztlich der Einwand der mangelnden Abstimmung des Zeugnisses. Es kann offen bleiben, ob die in Ziff. 6, Satz 2 des Vergleichs getroffene Einigung über eine vorherige Abstimmung der konkreten Inhalte des Zeugnisses eine vollstreckbare Verpflichtung darstellt. Jedenfalls ist vorliegend eine solche Abstimmung erfolgt. Die Vollstreckungsschuldnerin hat den Entwurf des Zeugnisses im Mai 2018 der Vollstreckungsgläubigerin übermittelt. Mit E-Mail vom 27. Juni 2018 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Vollstreckungsgläubigerin die Änderungswünsche an die Vollstreckungsschuldnerin, wobei er betonte, dass wesentliche Aussagen, Aufgabenbeschreibung, Note etc. unverändert geblieben seien. Dieser Vorgang belegt, dass ein Abstimmungsprozess stattgefunden hat. Entgegen der Ansicht der Vollstreckungsgläubigerin war die Vollstreckungsschuldnerin im Rahmen der vereinbarten Abstimmung nicht gehalten, alle vorgeschlagenen Änderungswünsche der Vollstreckungsgläubigerin zu übernehmen. Eine vorherige Abstimmung bedeutet schon dem Wortsinn nach eine Absprache, verlangt aber nicht eine vorherige Zustimmung der Vollstreckungsgläubigerin. Ein solches Zustimmungserfordernis haben die Parteien vorliegend nicht vereinbart. Es würde im Übrigen auch dem Sinn und Zweck eines Zeugnisses widersprechen. Dieser liegt in erster Linie darin, gerade von dem Ersteller eine wahrheitsgetreue, wenn auch wohlwollende Leistungsbewertung über den Beurteilten zu erhalten. Dass eine stattdessen mit diesem in allen Einzelheiten abzustimmende gemeinsame Bewertung diesen Anforderungen regelmäßig nicht gerecht würde, bedarf keiner weiteren Begründung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz in Verbindung mit Nr. 171 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ausgangspunkt ist der Streitwert in der Hauptsache, der im Verfahren … auf 22.000 Euro festgesetzt wurde. Ein Viertel dieses Betrags ergibt den festgesetzten Streitwert.