Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat am 15.04.2011 das Urteil in dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren der Landeshauptstadt Potsdam verkündet (VfGBbg 45/09). Der Antrag hatte Erfolg.
Die Stadt Potsdam wendet sich gegen eine ihre Stadtverordnetenversammlung betreffende Regelung der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf), nach der Fraktionen in den Gemeindevertretungen kreisfreier Städte und in Kreistagen statt wie bisher aus zwei, jetzt aus mindestens vier Mitgliedern bestehen müssen. Das Landesverfassungsgericht stellt in seinem Urteil fest, dass die Anhebung der Mindeststärke gegen die Landesverfassung verstößt.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Artikel 97 der brandenburgischen Landesverfassung garantiert den Kommunen einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich, den sie selbst wahrnehmen können. Dazu zählt auch die Organisationshoheit, die den Gemeinden das Recht gewährleistet, ihre eigene innere Verwaltungsorganisation nach ihrem eigenen Ermessen einzurichten. Das schließt auch die innere Organisation der Stadtverordnetenversammlung ein. Während die äußeren Grundstrukturen des Gemeindeaufbaus der Regelungskompetenz des Landes unterfallen können, muss der Gemeinde hinsichtlich des inneren Verwaltungsapparats grundsätzlich ein Freiraum verbleiben, im Rahmen des vorgezeichneten Grundorganisationsschemas ihre innere Organisation eigenständig zu regeln. Fehlt ihr dafür ein ausreichender Spielraum, müssen die landesgesetzlichen Bestimmungen, die dieses für die Gemeinden regeln, von hinreichend gewichtigen Gründen getragen sein. Daran mangelt es hier.
§ 32 Absatz 1 Satz 3 BbgKVerf belässt den kreisfreien Städten und Landkreisen keinen hinreichenden Gestaltungsspielraum für eine eigenverantwortliche Organisation. Die gesetzliche Festlegung einer Mindestfraktionsgröße von vier Mitgliedern steht einer wirksamen Einbeziehung kleinerer politischer Gruppen und Parteien in die kommunale Willensbildung vor Ort entgegen, weil die Kommunalverfassung entscheidende politische Mitwirkungsrechte an den Fraktionsstatus knüpft. Von dieser Festlegung kann keine der betroffenen Kommunen abweichen. Vor Ort darf sie weder bestimmen, ob überhaupt eine Mindeststärke erforderlich ist noch von welcher Zahl der Fraktionsmitglieder an. Für die stattdessen vom Land getroffene landeseinheitliche Regelung ist eine Notwendigkeit nicht erkennbar geworden. Weder gab es gewichtige Gründe dafür, dass das Normieren geboten war, um z.B. Schaden von den Gemeinden abzuwenden, noch dass die Vorschrift abschließend sein musste. Sie kann deshalb keinen Bestand haben. Es bleibt damit bei der bereits unter der Geltung des § 40 Abs. 1 Satz 2 Gemeindeordnung für das Land Brandenburg bestehenden Rechtslage, dass eine Fraktion aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen muss (§ 32 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BbgKVerf).
Die Entscheidung (VfGBbg 45/09) wird in diesen Tagen ausgefertigt und kann sodann unter www.verfassungsgericht.brandenburg.de abgerufen werden.
(Pressemitteilung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 15.04.2011)
Kurzkommentar:
Die Entscheidung des brandenburgischen Verfassungsgerichts wird auch für die übrigen Bundesländer von besonderer Bedeutung sein. Denn die hier überprüfte Regelung der Kommunalverfassung findet sich ähnlich auch in anderen Gemeindeordnungen wieder. So lautet die streitige Regelung:
„Fraktionen sind Vereinigungen von Mitgliedern der Gemeindevertretung. Eine Fraktion muss aus mindestens zwei, in Gemeindevertretungen mit 32 oder mehr Gemeindevertretern aus mindestens drei Mitgliedern bestehen. In kreisfreien Städten muss eine Fraktion mindestens vier Mitglieder haben.“ (§ 32 BbgKVerf)
In Nordrhein-Westfalen lautet die Parallelvorschrift:
„Im Rat einer kreisangehörigen Gemeinde muss eine Fraktion aus mindestens zwei Mitgliedern, im Rat einer kreisfreien Stadt aus mindestens drei Mitgliedern, in einer Bezirksvertretung aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen.“ (§ 56 GO NRW)
Auch durch diese Abstufung der Mindestgrößen der Fraktionen werden die Kommunen in ihrer Binnenorganisation gebunden. Ob der Gesetzgeber sich dabei noch im verfassungsrechtlichen Rahmen bewegt oder hier evtl. auch seinen Ermessensspielraum überschritten hat, ist nach der brandenburgischen Entscheidung noch einmal aktuell zu hinterfragen.