In der Mehrzahl der von Providern in Nordrhein-Westfalen angestrengten Verfahren gegen die sofortige Sperrung von zwei Nazi-Seiten haben die Verwaltungsgerichte in Arnsberg, Minden, Düsseldorf und Gelsenkirchen zugunsten der Düsseldorfer Bezirksregierung entschieden. Zumindest ein harter Kern der Provider gibt sich allerdings noch nicht geschlagen. Insgesamt sechs Beschwerden liegen schon jetzt dem Oberverwaltungsgericht in Münster vor. Dort wird der für Medienrecht zuständige 8. Senat laut Auskunft des zuständigen Pressedezernenten Bernd Kampmann „in den kommenden Monaten“ über die Sofortsperren entscheiden.
Die Unternehmen hatten die Verwaltungsgerichte angerufen, um bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Sperrverfügungen nicht sperren zu müssen. Die Verwaltungsgerichte in Gelsenkirchen und Düsseldorf hatten in jeweils drei Einzelverfahren, das Verwaltungsgericht in Arnsberg in einer Sache gegen die Aussetzung des Sofortvollzugs entschieden. Damit kann der Anwalt der Bezirksregierung, Henning Obst, gut leben. „Es steht jetzt eins zu drei“, sagte Obst, der die Bezirksregierung gegen die Provider vertritt, gegenüber heise online. Nur das Verwaltungsgericht in Minden entschied gegen die Bezirksregierung. Dass damit ausgerechnet einer der größten Provider in NRW, Mediaways, erstinstanzlich der Sieger geblieben ist, ist für Obst Zufall.
Gute Aussichten für einen Sieg rechnet sich Obst aus, weil das Gericht in Minden die strittigen Fragen zur Geeignetheit, Angemessenheit und zu möglichen Grundrechtseingriffen praktisch gar nicht geprüft habe. Die Richter in Düsseldorf und Gelsenkirchen hätten dagegen ausführlicher geprüft und im Sinne der Bezirksregierung entschieden. Zu einem Schnitzer in der Entscheidung, in der die klagenden Provider als „Mediendiensteanbieter“ bezeichnet werden, die keinesfalls unter das Telekommunikationsgesetz (TKG) fallen, meinte Obst nur, die Bezirksregierung sei aufgrund des Mediendienstestaatsvertrags für die Naziseiten im Netz zuständig sei. Würde das TKG für die Provider nicht gelten, bräuchten diese sich wenigstens um die Telekommunikationsüberwachungsverordnung künftig keine Sorgen mehr zu machen.
Kritiker wie der Freisinger Online-Rechtsexperte Thomas Stadler kritisieren am Düsseldorfer Beschluss aber vielmehr, dass mögliche Rechtsverletzungen durch die technische Art der Sperrungen völlig außer Acht gelassen worden seien. „Bei einer Sperrung von IP-Nummern können ebenso gut unbeteiligte Dritte in Mitleidenschaft gezogen werden“, so Stadler. Die Richter in Düsseldorf hätten jede der von der Bezirksregierung vorgeschlagene Technik — DNS-Sperre, Zwangsproxy und Sperre der IP-Nummer — auf solche Gefahren und Grundrechtseingriffe hin prüfen müssen. „Bei einer Facharbeit würde man sagen, falsche Schwerpunktsetzung,“ findet Stadler. Der Anwalt der Bezirksregierung sagt dazu, dass die Sperrverfügungen bewusst keine IP-Nummern enthielten.
Kritiker und Service-Provider hoffen, dass diese Fragen im Hauptverfahren beim OVG Münster doch noch zum Tragen kommen. Das Gericht in Münster muss nun erst einmal entscheiden, ob es wie Arnsberg oder Minden im Eilverfahren nur summarisch prüft oder sofort einen ausführlichen Beschluss fällt wie in Düsseldorf. Während Stadler hofft, dass es ins Hauptverfahren geht, rechnet Obst damit, dass das Eilverfahren eine Vorentscheidung bringt. Sowohl Provider wie die Bezirksregierung würden sich gut überlegen, ob sie das Hauptverfahren weiterbetreiben, wenn sie in Münster klar verlieren, meint Obst. Pressedezernent Kampmann in Münster sagt dazu zurückhaltend: „Ob der Senat erst einmal eine Interessenabwägung zwischen Provider und öffentlichem Interesse vornimmt oder schon gleich zu den Rechtsfragen Stellung nimmt, muss man abwarten.“ Die Münsteraner Entscheidung wird dementsprechend mit Spannung erwartet.
Auch „Unbeteiligte“ beobachten das Verfahren genau. Manch ein großer Provider wie Netcologne hat sich im Falle der zwei jetzt beanstandeten Seiten von Anfang an dafür entschieden, die Sperren einfach umzusetzen. „Wir halten das für sinnvoll und unterstützenswert, solange es in diesem Rahmen bleibt“, sagt Netcologne-Pressesprecherin Judith Schmitz. Würde nach einem Sieg der Bezirksregierung allerdings jede Woche eine neue Liste kommen, dann würde auch ihr Unternehmen erneut Gesprächsbedarf sehen. „Wenn die Zahl in die Hunderte ginge und man eine hundert Prozent wasserdichte Sperrung wollte, könnte das ziemlich teuer werden.“ (Monika Ermert) / (anw/c’t)