In der staatlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit findet seit vielen Jahren schon der „Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit“ Anwendung. Er wurde zuletzt in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen veröffentlicht und befindet sich schon seit einiger Zeit in der Überarbeitung. Mit dem Katalog werden – soweit nicht auf gesetzliche Bestimmungen hingewiesen wird – Empfehlungen ausgesprochen, denen das Gericht bei der Festsetzung des Streitwertes bzw. des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit (§ 33 Abs. 1 RVG) aus eigenem Ermessen folgt oder nicht. Das bedeutet im Klartext: Abweichungen sind jedem Gericht jederzeit möglich.
Gleichzeitig bietet der Katalog aber auch die Gewähr dafür, dass der Rechtsuchende mit einer gewissen Verlässlichkeit seine prozessualen und finanziellen Chancen und Risiken einschätzen und kalkulieren kann.
Ein Gegenstück für die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit der ev. Kirche fehlt. Es ist aber aus unserer anwaltlichen Sicht dringend erforderlich, weil kirchliche Rechtsprechung sich zum Teil grundsätzlich von staatlicher Rechtsprechung löst (so etwa im kirchlichen Disziplinarrecht) oder weil Gegenstände des Kirchenrechts (wie etwa der Wartestand) im staatlichen Recht nicht entschieden worden sind.
Die kirchlichen Gerichte sind ehrenamtlich organisiert, sie sind mit Volljurist:innen und – je nach Prozessordnung – auch ergänzend mit Pfarrer:innen oder mit Laien besetzt. Die Kirche hat sich im Laufe der Zeit ein immer stärkeres Vorbild am staatlichen Prozessrecht genommen.
Gleichwohl verweigern die Kirchengerichte die Übernahme staatlicher Gerichtspraxis im Hinblick auf Streit- und Gegenstandswerte, sowie die Kostenerstattungsverfahren. (ausführlich: Hotstegs, „Mein Gott!“ – Kosten und Kostenerstattung vor Kirchengerichten, ZAP 2018, 583)
Die im Mandat geschuldete Prognose der Verfahrenskosten ist so seriös im Vorhinein nicht möglich.
(Nur am Rande: gleiches gilt auch für Gerichtskosten.1Häufig werden diese nicht erhoben. Werden sie aber erhoben, verbergen sich auch dort Überraschungen. So macht etwa die Disziplinarkammer der evangelischen Landeskirche Württembergs auch Kosten für die „Bereitstellung von Räumen“ geltend. Hinter dieser Position, die im staatlichen Recht unter Ziff. 9006 der Anlage 1 zum GKG ihren Ursprung findet, verbergen sich schlicht Mieten für Säle, die die Disziplinarkammer selbst nutzt, sowie Beratungsräume für die Kammer, sowie die beteiligten Parteien. Im Unterschied nur zum staatlichen Recht, das von einem existierenden Gerichtsgebäude ausgeht, in dem keine Mieten anfallen, verfügt die kirchliche Disziplinarkammer in Stuttgart über keinen festen Beratungssaal. Die Ausnahmevorschrift der Vollkostenerstattung zu Lasten einer Partei wird daher überraschend zur Regel erhoben. Verhindern lässt sich dies nicht. Erahnen ebenfalls kaum.)
Bleiben schließlich zwei Probleme für die im Kirchenrecht beratenen Rechtsanwält:innen: unberechenbare Streitwerte und überlange Verfahren.
Wir haben daher eine – naturgemäß unvollständige – Liste aufgestellt, in der wir aus unserer anwaltlichen Sicht wesentliche Entscheidungen zum Gegenstandswert bzw. Streitwert zusammengestellt haben. Wir sind bemüht, diese Datenbank regelmäßig zu erweitern, zu ergänzen und zu aktualisieren. Bitte wenden Sie sich bei Fragen, Vorschlägen und auch gerne zur Einsendung eigener Streitwertentscheidungen direkt an Rechtsanwalt Robert Hotstegs.
Stand der Bearbeitung: 23.09.2024
Ziffer | Beschreibung | staatliche Regelung | kirchlicher Tatbestand | Kirchengericht | Streitwert |
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10. | Beamtenrecht | Pfarrdienstrecht / Kirchenbeamtenrecht | |||
10.1 | (Großer) Gesamtstatus: Begründung, Umwandlung, Bestehen, Nichtbestehen, Beendigung eines Beamtenverhältnisses, Versetzung in den Ruhestand | § 52 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, 2, S. 2,3 GKG | |||
10.2 | (Kleiner) Gesamtstatus: Verleihung eines anderen Amtes, Streit um den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand, Schadensersatz wegen verspäteter Beförderung, Zahlung einer Amtszulage, Verlängerung der Probezeit | § 52 Abs. 5 S. 4 i.V.m. S.1-3GKG: Hälfte von 10.1 | |||
keine Entsprechung im staatlichen Recht! | Versetzung in den Wartestand | Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Beschluss v. 21.11.2016, Az. KVwG 4/2016 | Auffangwert (5.000,– €) | ||
10.3 | Neubescheidung eines Beförderungsbegehrens | Hälfte des sich aus § 52 Abs. 5 S. 4 GKG ergebenden Betrages (1/4 von 10.1) | |||
10.4 | Teilstatus: Streit um Umfang / Teilzeitbeschäftigung, um Übergang von Teilzeit auf Vollzeit, höhere Versorgung, Besoldung oder Zulagen sowie Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei Versorgung, Zeiten für BDA, Unfallausgleich, Unfallruhegehalt, Unterhaltsbeitrag, Hinterbliebenenversorgung | 2-facher Jahresbetrag der Differenz zwischen innegehabtem und erstrebtem Teilstatus bzw. des erstrebten Unfallausgleichs etc. | Teilstatus: höhere Besoldung | Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Beschluss v. 15.02.2019, Az. KVwG 4/2017 | 2-facher Jahresbetrag der Differenz zwischen innegehabtem und erstrebtem Teilstatus |
10.5 | dienstliche Beurteilung | Auffangwert | |||
10.6 | Streit um Nebentätigkeit | Gesamtbetrag der Einkünfte aus der Nebentätigkeit, höchstens Jahresbetrag | |||
10.7 | Gewährung von Trennungsgeld | Gesamtbetrag des Trennungsgeldes, höchstens Jahresbetrag | |||
10.8 | Anerkennung eines Dienstunfalles | Auffangwert | |||
10.9 | Bewilligung von Urlaub | Auffangwert | |||
keine Entsprechung im staatlichen Recht! | Grundsatzentscheidung eine Pfarrstelle im Entsendungsverfahren zu besetzen | Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Beschluss v. 08.04.2019, Az. KVwG 5/2017 (KVwG 5/2018) | Auffangwert (5.000,– €) | ||
keine Entsprechung im staatlichen Recht! | Entsendung auf eine Pfarrstelle | Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Beschluss v. 08.04.2019, Az. KVwG 5/2017 (KVwG 5/2018) | Auffangwert (5.000,– €) | ||
22. | Kommunalrecht | ||||
22.1 | Kommunalwahl | Kirchenvorstandswahl | |||
22.1.1 | Anfechtung durch Bürger | Auffangwert | |||
22.1.3 | Anfechtung durch Wahlbewerber | mindestens 7.500,– € | Anfechtung durch Wahlbewerber:in | Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Beschluss v. 02.12.2022, Az. I 14/21 | 5.000,– € |
22.5 | Kommunalaufsicht | 15.000,– € | |||
22.7 | Kommunalverfassungsstreit | 10.000,– € | |||
— | Disziplinarrecht | ||||
Im staatlichen Disziplinarrecht findet der Streitwertkatalog keine Anwendung! | |||||
Antrag auf Fristsetzung gem. § 66 DG.EKD | Kirchengericht der Ev. Kirche in Deutschland, Disziplinarkammer, Beschluss v. 03.08.2023, Az. 0134/3-2022 | 5.000,– € | |||
Kirchengerichtshof der Ev. Kirche in Deutschland, Gem. Senat in Disziplinarsachen, Beschluss v. 17.10.2017, Az. 0125/5-2017 | 2.500,– € | ||||
Einstellungsverfahren gem. § 66 Abs. 3 DG.EKD | Kirchengerichtshof der Ev. Kirche in Deutschland, Gem. Senat in Disziplinarsachen, Beschluss v. 17.10.2017, Az. 0125/5-2017 | 2.500,– € |
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