Die beiden Besucherinnen der Kunstausstellung in der Akademie Biggesee in Attendorn waren verblüfft: ob das auch Kunst ist? Ein Plakat auf dem zu einer Ratssitzung nachmittags um 17 Uhr eingeladen wird? Nein, natürlich nicht. Aber es war Bestandteil des Seminars „Bürgerbegehren – beraten, begleiten, beschließen“ vom 4. bis 6. Februar in Attendorn. Drei Tage lang bot es einen buntgemischten Überblick, Einblick und Durchblick durch die direkte Demokratie in Städten und Gemeinden.
„Die Mischung der Teilnehmer und Blickwinkel machte das Wochenende besonders spannend“, sind sich Landesgeschäftsführer Alexander Slonka und Landesvorstand Robert Hotstegs einig. Sie haben als Referenten drei Tage lang das Seminar geleitet und begleitet. Gemeinsam mit Teilnehmern aus verschiedenen nordrhein-westfälischen und sogar hessischen Gemeinden, mit Vertretern aus Bürgerinitiativen, Wählergemeinschaften, mit Ratsmitgliedern und Verwaltungsmitarbeitern haben sie hinter die Kulissen der Bürgerbegehrensvorschriften geschaut.
Neben einer Einführung in die Grundlagen der Bürgerbeteiligung und der Spielarten der direkten Demokratie stand dabei der § 26 der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung am Samstag besonders im Fokus. Die Vorschrift regelt das Verfahren von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid und stellt gleichzeitig eine Vielzahl von förmlichen und inhaltlichen Hürden auf. „Manche sind leicht zu überwinden, andere bringen in der Praxis nahezu jedes Begehren zu Fall.“ waren sich die Teilnehmer am Ende sicher. Davon konnten sie sich auch in einer Simulation selbst überzeugen.
Nach dem Beispiel des echten Bürgerbegehrens der Baumfreunde Emmerich im Jahr 2010 durchlebten die Teilnehmer ein Rollenspiel und fanden sich selbst in der Position einer Bürgerinitiative, eines Rates oder eines Bürgermeisters wieder. „Wo sitzt denn jetzt der Rat?“ oder „Ist hier gerade der Bürgermeister vorbeigekommen?“ waren dabei nicht selten gehörte Fragen. Nach knapp zweieinhalb Stunden kam es dann zum Schwur: das frisch erstellte Bürgerbegehren wurde vom „Rat“ diskutiert und er musste über die Zulässigkeit des Begehrens beraten und beschließen. Der Vorschlag aus der „Verwaltung“ war eindeutig: das Bürgerbegehren sollte für unzulässig befunden werden, man wollte den Bürgern aber dennoch Gesprächsbereitschaft signalisieren. Das sahen die Fraktionen ähnlich. Sie stimmten einstimmig für die Unzulässigkeit des Begehrens und machten damit im Spiel den Weg frei, die Bäume im Stadtpark zu fällen.
„So war es auch in der Realität“, konnte Rechtsanwalt Robert Hotstegs anschließend berichten. Auch im „echten“ Emmerich war das Bürgerbegehren zunächst für unzulässig erklärt worden. Hiergegen waren aber die Vertretungsberechtigten vor Gericht gezogen und haben dort schließlich einen beachtlichen Vergleich erstritten, der bis heute hält und mittlerweile nicht nur das Bild des Emmericher Rheinparks, sondern sogar aufgrund von neuen Baumpflanzungen auch das übrige Stadtbild von Emmerich prägt.
Gerade die Simulation bot im Seminar daher auch einen praktischen Einblick in die Schwierigkeiten von Bürgerbegehren. Alexander Slonka: „Wir möchten nicht nur trockenes Wissen vermitteln, sondern auch praktische Tipps und Erfahrungen weitergeben. Gerade diejenigen, die vor Ort in Fraktionen, im Rat oder in der Verwaltung aktiv sind, können den Umgang mit der Bürgerbeteiligung wesentlich mitgestalten.“
Und wie sieht das ideale Bürgerbegehrensverfahren aus? FETT! Fair, Ergebnisoffen und TransparenT.