Nach den Hooligan-Krawallen am Wochenende haben nicht nur viele Kölner Fragen zu dem Vorgehen der Polizei. Die wichtigsten beantworten Experten.
1. Warum fand die Demo so nah am Dom statt?
Die Kritik: Der Breslauer Platz an der Rückseite des Hauptbahnhofs ist einer der zentralen Orte Kölns. Hier sind gerade am Wochenende viele Menschen unterwegs. Zudem grenzen an den Platz Wohnviertel an, in den viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Deshalb gibt es Kritik am Ort der Demo.
Die Antwort von Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwaltungsrecht: „Wahrscheinlich war es nicht richtig, die Demonstration am Breslauer Platz stattfinden zu lassen. Denn das Versammlungsrecht sieht vor, dass für eine Demonstration auch Auflagen erteilen kann. Und wenn ich merke, dass der Platz für 1.500 Personen geeignet erscheint, dann aber die dreifache Personenzahl dazu kommen wollen, dann spricht alles dafür, die Versammlung zumindest zu verlagern. Vor allem wenn die Polizei die Teilnehmer als gewaltbereit einstuft. Kein Verbot also, aber eine Verlagerung weg vom Breslauer Platz, weg aus der Innenstadt.“
2. Warum gab es so wenige Festnahmen?
Die Kritik: 49 Beamte und eine unbekannte Zahl von Demonstranten wurden am Sonntag verletzt. Einen Einsatzwagen konnen die Hooligans ungehindert umwerfen. Im krassen Gegensatz dazu steht die Zahl der Festnahmen. 17 Gewalttäter kamen in Gewahrsam. Deshalb gibt es Kritik an der Polizeitaktik.
Ein Polizist, der bei dem Einsatz dabei war und anonym bleiben will, gibt zu: „Wir hatten keine Chance uns Strategien auszudenken. Es herrschte das reinste Chaos. Mit einem Beamten auf drei Demonstranten waren wir absolut in Unterzahl. Die Demonstranten sind uns durch Nebenstraßen entwischt, um zu einer Gegendemonstration zu kommen. Das ist ihnen teilweise auch gelungen, weil wir zahlenmäßig weit unterlegen waren. Es gab auch nicht mehr Beamte. Kollegen waren bereits aus dem Urlaub geholt worden. Das liegt leider an dem Sparkurs der Landesregierung. Ich fühle mich verhöhnt vom Innenminister wenn er sagt, dass der Einsatz gut gelaufen ist. “
3. Wieso waren nicht mehr Polizisten im Einsatz?
Die Kritik: Fast 5.000 gewaltbereiten Demonstranten standen auf dem Breslauer Platz gerade einmal 1.500 Beamte gegenüber. Zudem waren nur Beamte aus Nordrhein-Westfalen im Einsatz. Deshalb gibt es Kritik an der Präsenz der Polizei.
Die Antwort von Thomas Feltes, Professor für Kriminologe an der Ruhruni Bochum: „Für eine normale Demonstration wären genug Polizisten im Einsatz gewesen, auch für eine mit Rechtsextremen. Problem ist, dass es im Vorfeld nicht genug Informationen über die Gewaltbereitschaft der Demonstranten gegeben hat. Diese Informationen hätten vom Staatsschutz und Verfassungsschutz kommen müssen. Daran hat es gemangelt. Normalerweise reichen 1.300 bis 1.400 Beamte für eine Demonstration in der Größe, aber nicht mit dieser gewaltbereiten Gruppe, die sich dort angekündigt hatte.
4. Warum wurden die Kölner nicht besser über mögliche Gefahren informiert?
Die Kritik: Geschäftsleute aus dem Umfeld des Hauptbahnhofs beklagen, ihre Läden seien von Hooligans geplündert worden. Im Vorfeld hätten sie keine Informationen von der Polizei über die möglichen Gefahen bekommen, um sich darauf vorzubereiten. Deshalb gibt es Kritik an der Informationspolitik der Behörden.
Der Kölner Politiker Sven Lehmann (B90/Grüne) sagt dazu: „Ich glaube, die Informationen hätten früher fließen müssen. Und gerade die Geschäftsleute am Hauptbahnhof wurden nicht ausreichend geschützt. Das habe ich geschildert bekommen und so etwas darf nicht wieder passieren.“
5. Hat die Polizei die rechte Gewalt unterschätzt?
Die Kritik: Seit Monaten schließen sich im Internet bei den sozialen Netzwerken Hooligans zusammen, die sich in den Fußballstadien eigentlich feindlich gegenüber stehen. Im Netz stellen sie ihre rechte Gesinnung offen zur Schau. Deshalb gibt es Kritik, dass die Polizei das rechte Potential nicht ernst genommen habe.
Die Antwort von Thomas Feltes: „Ich denke nicht, dass das Gewaltpotential von Rechts unterschätzt wird. Die Zahl der rechtsorientierten Hooligans ist schwer zu bewerten. Auf jeden Fall sind es keine 4.800. Wir haben in unserer Auswertung von Strafregisterauszügen für Stadionverbotlern relativ selten Vorstrafen wegen rechtsextremistischer Taten gefunden. Ich würde das Thema Rechtsextremismus im Fußball insgesamt etwas herunterhängen und mehr in den allgemeinen gewaltbereiten rechtsextremistischen Bereich hinein gehen. Dort liegt das eigentliche Problem.“