Am 8. April 2013 erschien im kleveblog erstmals ein Artikel, in dem das Wort Ratsbürgerentscheid fiel. Zu ihrem dritten Treffen hatte die Initiative Denkpause für die Unterstadt einen Juristen des Vereins Mehr Demokratie geladen, der erläutern sollte, wie genau ein Bürgerentscheid auf die Schiene zu bringen ist. Rechtsanwalt Dr. Robert Hotstegs referierte, wie und wie viele Unterschriften zu sammeln sind, wie die Frage zu formulieren ist (sie muss beispielsweise mit Ja oder Nein beantwortet werden können), und welche Fallstricke in dem Verfahren lauern. So am Rande berichtete er auch, dass der Stadtrat selbst einen Entscheid initiieren könne.
Im kleveblog hieß es damals: „Dies würde das langwierige Verfahren (inkl. Unterschriftensammlung, Entscheidung über Zulässigkeit, Kostenschätzung der Verwaltung) erübrigen. Und ein Ratsbürgerentscheid hätte den betörenden Charme, dass das Urteil in dieser für Kleve so wichtigen Angelegenheit an den Souverän (= Volk, in diesem konkreten Fall EU-Bürger mit Hauptwohnsitz in Kleve, die mindestens 16 Jahre alt sind) zurückdelegiert wird – also dorthin, wo es 2009 mit dem Werkstattverfahren und der Bürgerbefragung begonnen hatte.“
Vier Tage darauf sandte kleveblog eine entsprechende Anfrage an die Fraktionen im Stadtrat bzw. an den Vertreter der Linken, Herrn Rainer Severin: Was halten Sie von einem Ratsbürgerentscheid? Als erstes waren die Grünen und die Offenen Klever dafür, die CDU sagte erst einmal nichts, die SPD war sogar bis zu einem Sinneswandel vor wenigen Wochen dagegen.
90 Tage später, auf der letzten Sitzung des Stadtrats im alten Ratssaal, sieht die Welt mit einem Mal ganz anders aus: Ein Antrag der SPD, die Bürger über das Sontowski-Projekt entscheiden zu lassen, wird aus formalen Gründen abgelehnt. Dann aber sagte Jörg Cosar (CDU): „Wir stehen einem Ratsbürgerentscheid positiv gegenüber. Aber der Bürger muss wissen, worüber er abstimmen soll.“ Und auch die anderen Fraktionen, sowie der Vertreter der Partei Die Linke, Herr Rainer Severin, scheinen ebenfalls für diese Vorgehensweise zu sein.
Und warum nicht gestern schon eine solche Entscheidung? Offenbar, so die Rechtsexperten im Rathaus, müsse erst das Vergabeverfahren abgeschlossen werden und der Rat darüber entschieden haben. Im gleichen Atemzug könne die Politik dann sagen: Wir haben unsere Wahl getroffen, das letzte Wort jedoch sollst du, lieber Bürger, haben.
So oder so, allein die Tatsache, dass darüber nachgedacht wird, den Bürger zurück in das Verfahren zu holen, darf als großer Erfolg für die Initiative „Denkpause für die Unterstadt“ gewertet werden – die natürlich zudem davon überzeugt ist, dass sich keine Mehrheit für das Projekt finden wird (gibt es außer Bürgermeister Theo Brauer jemanden, der öffentlich seine Begeisterung für das Gebäude zum Ausdruck bringt?).
Wenn man bedenkt, dass es erst wenige Monate her ist, dass dem Bürger Gabionenwände als der Weisheit letzter Schluss vorgelegt wurden und auf eine Informationsveranstaltung in der Stadthalle die Politik überrascht zur Kenntnis nehmen musste, wie massiv die Bedenken der Bürger gegen den Klotz waren, ist allein dies schon eine erstaunliche Entwicklung, die in Kleve in jüngeren Vergangenheit ohne Beispiel ist.
„Bürgerwille ist für die Stadt das Beste“, hatte Theo Brauer, CDU, 2009 in den Prospekt zum Werkstattverfahren geschrieben. Es wäre schön, wenn dies auch für die endgültige Entscheidung pro oder contra Sontowski gälte.