Schweigepflichtentbindungen im Beamtenrecht

-zugleich zum Problem des Datenschutzes bei amtsärztlichen Untersuchungen-

Es gibt im Beamtenrecht zahlreiche Konstellationen, in denen eine Beamtin/ein Beamter, entweder vom Gesundheitsamt (oder, bei bestimmten Behörden) von Betriebsärzten untersucht wird. Anlass kann etwa ein Antrag der/des Betroffenen sein, wegen Erkrankung vorzeitig in den Ruhestand treten zu können. In einigen Fällen wird eine solche Dienstfähigkeitsuntersuchung auch vom Dienstvorgesetzten veranlasst, z.T. sogar gegen den Willen der Betroffenen. Amtsärztliche Untersuchungen können aber auch dann eine Rolle spielen, wenn es z.B. um eine Verringerung der Arbeitszeit, eine Teildienstfähigkeit oder aber (bei bestimmten Behörden, z.B. den Justizbehörden) um eine Befreiung von Vertretungstätigkeiten nach Feststellung der Schwerbehinderung geht. Auch bei der Anzeige von Dienstunfällen sind vielfach amtsärztliche Stellungnahmen oder Gutachten nötig. Schließlich sind auch amtsärztliche Gutachten in Disziplinarverfahren möglich, wenn es um die Schuld(un)fähigkeit i.S. der §§ 20, 21 StGB geht. Daneben gibt es natürlich die reguläre amtsärztliche Untersuchung bei der Einstellung, wenn die gesundheitliche Tauglichkeit überprüft wird. Es gibt also vielfältige Situationen, in denen eine amtsärztliche Begutachtung einer Beamtin/eines Beamten erforderlich sind.
Typisch für alle diese Konstellationen ist, dass der Dienstherr am Ende in irgendeiner Weise von dem Ergebnis unterrichtet werden muss. Dies widerspricht zunächst einmal der strafgesetzlichen Regelung in § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB, wonach ein Arzt kein zum persönlichen Lebensbereich eines Patienten gehörendes „Geheimnis“ offenbaren darf. Diese Strafnorm ist allerdings nur erfüllt, wenn das Geheimnis „unbefugt“ offenbart wird. Grundsätzlich fallen aber alle Krankheitsdiagnosen und Einzelheiten einer Erkrankung unter die ärztliche Schweigepflicht nach § 203 StGB. Es ist daher eindeutig geregelt, dass auch der Amtsarzt ein Arzt i.S. des § 203 StGB ist und grundsätzlich unter diese Vorschrift fällt (Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Auflage, Rz. 155 zu § 203 StGB). Es bleibt also im Einzelfall zu bestimmen, welche Informationsweitergabe „befugt“ und welche „unbefugt“ i.S. des § 203 StGB ist.

Diese Frage ist sowohl für die untersuchten Beamten als auch für die Amtsärztin/den Amtsarzt selber von großer Bedeutung, denn Amtsärzte wollen sich verständlicherweise gegen Strafanzeigen der untersuchten Personen absichern.

Es gibt auch keinen Rechtsgrundsatz, dass jede Informationsweitergabe eines Amtsarztes immer und per se rechtmäßig, also „befugt“ ist. Dies widerspräche dem mit Verfassungsrang geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. So gibt es z.B. ersichtlich keine Grundlage dafür, Einzelbefunde, wie z.B. Röntgenbilder oder Ausdrucke mit Blutbildern oder aber Berichte privat behandelnder Ärzte, die dem Gesundheitsamt vorlagen, an den Dienstherrn weiterzuleiten. Auch wird im Regelfall keine Berechtigung bestehen, Einzelheiten der amtsärztlichen Untersuchung bzw. des Gespräches mit dem Probanden weiterzugeben. Solche Details können durchaus belastend sein, sind aber im Normalfall für die vom Gesundheitsamt zu befragende Fragestellung (s.o., erster Absatz) nicht erforderlich.

Das Beamtenrecht, einschließlich des Bundesbeamtengesetzes und des Landesbeamtengesetzes NRW regeln diese Frage, welche Informationen das Gesundheitsamt weitergeben und in welchem Umfang das Gesundheitsamt Schweigepflichtentbindungen vom Beamten verlangen darf, nicht. Im Lande NRW gibt es hierzu einige andere gesetzliche Detailvorschriften, die in anderen Bundesländern in ähnlicher Weise bestehen. Ausgangspunkt ist hier zunächst einmal § 29 Abs. 3 Datenschutzgesetz NRW. In § 29 Abs. 3 S. 2 DSG NRW heißt es:

„Die Einstellungsbehörde darf vom untersuchenden Arzt in der Regel nur die Übermittlung des Ergebnisses der Eignungsuntersuchung und dabei festgestellter Risikofaktoren verlangen“.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift gilt dies aber nur bei Einstellungsuntersuchungen, auch wenn ein allgemeiner Rechtsgrundsatz erkennbar wird. Entsprechend hat der Landesgesetzgeber eine besondere Regelung für andere amtsärztliche Untersuchungen im Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten im Gesundheitswesen vom 22.02.1994 (mit diversen späteren Änderungen) getroffen. In § 24 Abs. 3 GDSG NRW heißt es etwa:

„Die die Untersuchung veranlassende Stelle darf in der Regel nur die Übermittlung des Ergebnisses der Untersuchung und dabei festgestellter Risikofaktoren verlangen. Die Weitergabe von Einzelergebnissen der Anamnese, der Untersuchung, von ergänzenden Befunden und Diagnosen an die die Untersuchung veranlassende öffentliche Stelle ist zulässig, soweit deren Kenntnis zur Entscheidung über die konkrete Maßnahme, zu deren Zweck die Untersuchung durchgeführt worden ist, erforderlich ist. Im übrigen gilt § 23 Abs. 2.“

Nach dieser Regelung können ausnahmsweise und im Einzelfall von den Einstellungsbehörden auch Einzelergebnisse der Anamnese angefordert werden, was jedoch nur dann in Frage kommt, wenn von den Einstellungsbehörden die Erforderlichkeit bestimmter oder bestimmbarer Einzeluntersuchungsergebnisse substantiiert gegenüber dem Gesundheitsamt dargelegt wird (vgl. Stähler/Pohler, Kommentar zum Datenschutzgesetz NRW, 3. Auflage, Rz. 8 zu § 29 DSG). Damit solche Anforderung von Einzelergebnissen regelmäßig ein Eingriff in die Privatsphäre der Beamtin/des Beamten verbunden ist, sind wir der Auffassung, dass sowohl die Fürsorgepflicht als auch das Gebot effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG eine Benachrichtigung der betroffenen Beamtin oder des betroffenen Beamten voraussetzt. Dieser kann dann ggf. Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO einholen.  (siehe auch Anforderungen an die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung, Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 26.04.2012, Az. 2 C 17.10)

Eine noch detailliertere Regelung unterhalb der gesetzlichen Regelung findet sich in der Verordnung über die amtliche Begutachtung der unteren Gesundheitsbehörde für den öffentlichen Dienst (VO-Begutachtung) vom 17. Februar 2006. Hier heißt es in § 2 Abs. 2:

„Den personalverwaltenden Stellen dürfen in der Regel nur die Ergebnisse der Untersuchung und dabei festgestellte Risikofaktoren, die die Dienstfähigkeit beinträchtigen, aus den Gutachten vorgelegt werden. Die Darstellung der Ergebnisse muss schlüssig und für die personalverwaltende Stelle aus sich heraus verständlich sein. Auf den in dem Auftrag bezeichneten Untersuchungszweck sowie auf die im Einzelfall dargelegten weiteren besonderen Anforderungen ist einzugehen. Die Darstellung der Ergebnisse in einem Zurruhesetzungsverfahren muss außerdem alle Angaben enthalten, die für die Entscheidung der personalverwaltenden Stelle erforderlich sind. Dazu zählen insbesondere Angaben zur Art, Intensität und Dauer der Erkrankung, zur Möglichkeit einer späteren Wiederherstellung der Dienstfähigkeit, zur gesundheitlichen Eignung für eine andere Verwendung, zur begrenzten Dienstfähigkeit sowie über Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit. Bei uneingeschränkter Dienstfähigkeit reicht es aus, diese zu bescheinigen.“

Auf der Grundlage dieser Rechtsvorschrift hat der Verordnungsgeber ein Musterblatt für die Ergebnismitteilung des Gesundheitsamtes erarbeitet
(vgl. https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_show_anlage?p_id=5822).

Im Zwischenergebnis ist festzustellen, dass die Beamtin/der Beamte einen gewissen Schutz seiner Privatshäre dadurch erhält.

Eine andere, häufig in diesem Zusammenhang gestellte Frage ist es, ob und in welchem Umfang sie Schweigepflichtentbindungen im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung unterschreiben müssen.

Ausgangspunkt hierbei ist die Regelung, dass der Dienstherr dem Beamten aufgeben kann, bei der Feststellung seiner Dienstfähigkeit mitzuwirken, insbesondere Dienstfähigkeit und Krankheit nachzuweisen. Hier heißt es:

„Der Beamte darf dem Dienst nicht ohne Genehmigung seines Dienstvorgesetzten fernbleiben. Dienstunfähigkeit infolge Krankheit ist auf Verlangen nachzuweisen“.

Das BVerwG hat aus dieser Regelung gefolgert, dass aus einer fehlenden Mitwirkung des Beamten im Rahmen der Aufklärung seiner Krankheit für ihn negative Rückschlüsse getroffen werden dürfen, wenn die Beamtin/der Beamte durch das eigene Verhalten Feststellungen ihres/seines Gesundheitszustandes bewusst verhindert. Dies gilt auch analog für Schweigepflichtentbindungen, die der Amtsarzt für die Aufklärung des Sachverhalts benötigt. Dies kann etwa für Untersuchungsergebnisse von privatbehandelnden Ärzten gelten. Wird eine diesbezügliche Schweigepflichtentbindung verweigert, dürfen daraus negative Schlussfolgerungen gezogen werden, etwa, dass eine Dienstunfähigkeit nicht bewiesen ist oder aber im Gegenteil, dass eine vom Dienstherrn vermutete Dienstfähigkeit nicht widerlegt ist. Dies bedeutet natürlich nicht, dass der Amtsarzt die Befunde und Mitteilungen der Privatärzte an den Dienstherrn weitergeben darf, diese Informationen dürfen nur in sein inhaltliches Gesamtergebnis einfließen. Wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 17.11.2005 -3 BS 164/05- darlegt, kann sich die Rechtsgrundlage für eine solche Weisung des Dienstherrn, Privatärzte von der Schweigepflicht gegenüber dem Amtsarzt zu entbinden, sowohl aus der bereits erwähnten Mitwirkungspflicht i.S. des § 73 BBG als auch aus der allgemeinen Treue- und Gehorsamspflicht im Beamtenverhältnis ergeben. Die gebotene Mitwirkung schließe zwingend die Verpflichtung ein, einen behandelnden Privatarzt gegenüber dem Amtsarzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Dies gelte auch für Ärzte einer behandelnden Klinik und auch für die behandelnden Ärzte einer Psychiatrie. Die Offenlegung der Krankheitsgeschichte sei von entscheidender Bedeutung, wenn sonst die Dienstfähigkeit oder die andere beamtenrechtliche Fragestellung nicht oder nur unvollständig beurteilt werden könne. Die Verpflichtung zur Mitwirkung an einer amtsärztlichen Untersuchung liefe ins Leere, wenn der Amtsarzt nicht die erforderlichen Informationen aus der Krankheitsgeschichte durch die behandelnden Ärzte erfahre.

Wichtig ist dabei, dass nicht der Amtsarzt selber, sondern nur der Dienstherr, nicht der Amtsarzt, die Weisung zur Erteilung einer Schweigepflichtentbindung erteilen kann. Erlässt der Dienstherr eine solche Weisung, kann der Beamte sich wiederum nach § 123 VwGO wehren, wenn er der Auffassung ist, dass die Aufforderung willkürlich und unbegründet ist.

Wichtig ist weiterhin, dass immer nur eine Schweigepflichtentbindung der Privatärzte gegenüber dem Amtsarzt verlangt werden kann, deren Ergebnisse nach den eingangs zitierten Vorschriften nur „gefiltert“ dem Dienstherrn mitgeteilt werden dürfen. Keineswegs ist es zulässig zu verlangen, dass der Amtsarzt pauschal von seiner ärztlichen Schweigepflicht gegenüber dem Dienstherrn entbunden wird. Dies würde nämlich darauf hinauslaufen, dass die gesetzlichen Vorschriften des DSG NRW und des GDSG NRW unterlaufen würden. Dann stünde es vollständig im Belieben des Amtsarztes, welche ärztlichen Daten er dem Dienstherrn mitteilt. Zulässige Schweigepflichtentbindungen sind vielmehr darauf gerichtet, dass privat behandelnde Ärzte bzw. Kliniken gegenüber dem Amtsarzt von der Schweigepflicht befreit werden.

Eine allgemeine Entbindung des Amtsarztes von seiner ärztlichen Schweigepflicht gegenüber der beauftragenden Behörde (Dienstherr) ist weder im Gesetz vorgesehen, noch verlangt dies die Rechtsprechung. Was der Amtsarzt der Behörde mitteilen darf, ist vielmehr in den gesetzlichen Regelungen (DSG NRW/GDSG NRW) geregelt. Hierzu bedarf es keiner Schweigepflichtentbindung, eine Schweigepflichtentbindung des Amtsarztes gegenüber der Behörde darf aber auch nicht verlangt werden. Die zulässige Schweigepflichtentbindung muss sich vielmehr darauf beziehen, dass die privat behandelnden Ärzte und Klinken gegenüber dem Amtsarzt von der Schweigepflicht befreit werden.