Weinheim. Informationsveranstaltungen zum Thema „Breitwiesen und Bürgerbeteiligung“ haben in diesen Tagen Hochkonjunktur. Am 7. März interessierten sich rund 70 Bürger die Vorschläge der Stadtverwaltung. Am vergangenen Freitag kamen mehr als 100 Menschen ins Rolf-Engelbrecht-Haus, um den Standpunkt der Bürgerinitiative (BI) „Schützt die Weinheimer Breitwiesen“ zu hören. „Den direkten Vergleich in der Zuschauergunst haben wir schon mal gewonnen“, meinte ein BI-Anhänger schmunzelnd.
Unter den Zuhörern waren auch viele Stadträte, so zum Beispiel die Fraktionsvorsitzenden der CDU, der Freien Wähler, der SPD und der GAL. Aber auch Oberbürgermeister Heiner Bernhard, Erster Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner und Sven-Patrick Marx, der Leiter des Amtes für Stadtentwicklung, wollten „live“ die juristischen Argumente der BI hören, die davon überzeugt ist, dass das Bürgerbegehren zulässig und ein sofortiger Bürgerentscheid möglich ist.
BI-Sprecherin Ingrid Hagenbruch machte dies gleich zu Beginn noch einmal deutlich: „Die Bürger wollen nicht mitreden, sondern jetzt selbst entscheiden!“ Und Fritz Pfrang, der Vorsitzende des Weinheimer Bauernverbandes, erklärte: „Viele Landwirte würden definitiv ihre Grundstücke im Breitwiesen nicht verkaufen.“
Rechtsanwalt Robert Hotstegs erklärte anschließend ausführlich das Verfahren und die Optionen des Gemeinderates, der am kommenden Mittwoch, 21. März, um 17 Uhr im Rolf-Engelrecht-Haus über das Bürgerbegehren Breitwiesen entscheiden muss. Eine Erkenntnis lautete: „Egal, wie es ausgeht, die unterlegene Seite hat immer ein Widerspruchs- und Klagerecht.“
Komplizierter wurde es beim Vergleich der Gutachten. Während der Fachanwalt der Stadt sagt, der Aufstellungsbeschluss zur Änderung des Flächennutzungsplans (vom 19. Oktober 2011) sei bereits Teil der Bauleitplanung, was ein K.O.-Kriterium für das Bürgerbegehren wäre, kamen die Rechtsanwälte der BI zu einem anderem Ergebnis. Denn: Selbst der städtische Gutachter komme zu dem Schluss, dass ein Bürgerbegehren bis zum Tag der amtlichen Bekanntmachung (5. November 2011) noch zulässig gewesen wäre. Nun sehe die Gemeindeordnung aber auch vor, dass Bürgerbegehren spätestens sechs Wochen nach einem Beschluss des Gemeinderates eingereicht werden müssten – das wäre der 30. November 2011 gewesen; diese Frist hatte die BI exakt eingehalten und an diesem Tag mehr als 5000 Unterschriften übergeben.
Für Hotstegs bedeutet dies: „Die Stadträte müssen ihre eigene rechtliche Bewertung vornehmen.“ Dabei sei nicht allein die Sicht der Stadtverwaltung relevant, auch wenn OB Bernhard angekündigt hat, dass er im Falle einer Zulassung des Bürgerbegehrens durch den Gemeinderat aus rechtlichen Gründen Widerspruch gegen diese Entscheidung einlegen müsse.
Zweifel am städtischen Gutachten
Hotstegs gelang es aber auch in einigen Details, Zweifel am Gutachten der Stadt zu wecken. So hielt er dem Gutachter Dr. Thomas Burmeister vor, einige Zitate aus Urteilen des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seien für den Weinheimer Fall nicht einschlägig oder sogar bewusst unvollständig wiedergegeben worden.
Einige Stadträte meldeten sich in der anschließenden Fragerunde zu Wort. Sie trieb vor allem die Sorge um, dass eine Zulassung des Bürgerbegehrens die Optionen Weinheims im neuen Regionalplan beschränken würde. Diese Angst konnte Hogstets den Stadträten nicht nehmen. Er machte eine andere Rechnung auf: Selbst wenn Weinheim dann frühestens 2014 die Breitwiesen als Änderungsantrag in den Regionalplan einbringen könnte, so sei der Zeitverlust doch überschaubar. Denn eine Ablehnung des Bürgerbegehrens würde zweifellos Widersprüche und Klagen nach sich ziehen, was ebenfalls viel Zeit in Anspruch nehmen würde.
Fragen nach dem Sinn von Bürgerräten – wie sie von der Stadtverwaltung vorgeschlagen werden – beantwortete Hogstets so: „Von Bürgerräten halte ich viel, aber beim Thema Breitwiesen kommen sie zu spät.“ Aber auch einen Trost hatte der Anwalt zum Schluss noch für alle Beteiligten parat: „Egal, wie das jetzt ausgeht: Ein Bürgerbegehren wie dieses wird sich in Weinheim sicher nicht wiederholen.“ pro