Im Disziplinarverfahren besteht grundsätzlich die Pflicht der Einleitungsbehörde und des mit der Ermittlung beauftragten Beamten sowohl belastende als auch entlastende Umstände genau zu ermitteln. Dies betrifft nicht nur den eigentlichen Sachverhalt, sondern auch die für die Bemessung relevanten Umstände. In der Praxis des behördlichen Disziplinarverfahrens ist allerdings häufig festzustellen, dass die mit der Ermittlung beauftragten Personen (früher „Ermittlungsführer“ genannt) sich bei ihren Ermittlungsmaßnahmen einseitig auf die Tatvorwürfe beschränken und versuchen, diese Vorwürfe zu untermauern. Ein solches Verhalten verletzt die gesetzliche Pflicht, auch bemessungsrelevante und mildernde Umstände zu ermitteln.
Häufig ist es daher die Aufgabe des im Disziplinarverfahren tätigen Rechtsanwaltes, selber und auf eigene Initiative Gutachten über bestimmte Fragen, etwa zur Schuldfrage, in Auftrag zu geben und in das Verfahren einzubringen. Soweit eine Rechtsschutzversicherung besteht, muss dann im Vorfeld abgeklärt werden, ob die Rechtsschutzversicherung diese Kosten übernimmt, die sich zum Teil im vierstelligen Bereich bewegen können. Im Übrigen stellt sich dann regelmäßig später die Frage, ob bei einem Erfolg des Beamten (etwa der Einstellung des Verfahrens) diese Kosten vom Dienstherrn zurückzuerstatten sind. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat sich kürzlich mit dieser Frage in einer Entscheidung vom 13.03.2012 beschäftigt. Es führt aus, dass eine Erstattungsfähigkeit keineswegs „automatisch“ gegeben ist, wenn die vom Disziplinarverfahren betroffene Beamtin bzw. der betroffene Beamte dieses zu den Akten des Disziplinarverfahrens reicht. Auch das rein subjektive Gefühl des Betroffenen, ein solches Gutachten könne sinnvoll oder notwendig sein, reicht noch nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass es bei objektiver Betrachtung für die Verteidigung und die zu klärenden Rechtsfragen notwendig war. Im Einzelnen führt das Gericht aus:
„Die Beschwerde der Einleitungsbehörde wendet sich zu Unrecht dagegen, dass der Kostenbeamte die für die Erstattung des Gutachtens Prof. Dr. S. vom 7. Juli 2003 angefallenen Kosten für erstattungsfähig gehalten hat. Zu den erstattungsfähigen Kosten des Disziplinarverfahrens gehören die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des beschuldigten Beamten einschließlich der Kosten, soweit sie in den Vorermittlungen oder in der Untersuchung entstehen, § 111 Abs. 1 DO NW. Notwendig sind diese Kosten nicht schon dann, wenn sie dem Betroffenen subjektiv notwendig erschienen, sondern nur dann, wenn sie ihm im Zeitpunkt ihres Entstehens bei verstandiger Würdigung der Umstände subjektiv als notwendig erscheinen konnten, oder wenn sie objektiv mit Rücksicht auf seine Fähigkeiten zu seiner Verteidigung oder die Schwierigkeit des FaIles erforderlich waren. Im Übrigen brauchen die Aufwendungen nur sachdienlich und zweckentsprechend zu sein (Vgl. Schütz/Schmiemann, Disziplinarrecht des Bundes und der Lander, Stand: August 1995. DO NW § 111 Rdnr. 23 m. Nachw. aus der Rspr.).
Diese Voraussetzungen sind bei dem Gutachten erfüllt. Das Gutachten, das ausdrücklich ‚zur Vorlage bei Gerichten und Dienstaufsichtsbehörden‘ erstattet wurde, bezieht sich auf die Frage, ob bei dem beschuldigten Beamten eine (…)* bestehe. Die Beantwortung dieser Frage durfte der Beamte in dem damaligen Stadium des Verfahrens bei verstandiger Würdigung der Umstande subjektiv für notwendig halten. Denn sie war zum einen für die Beurteilung seiner Schuldfähigkeit, zum anderen für die Maßnahmebemessung unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Hätte sich etwa herausgestellt, dass bei ihm eine […]* von solchem Krankheitswert bestanden hatte, dass er zur Tatzeit nicht mehr Herr seiner Entschlüsse war, wäre das Verfahren gemag § 27 DO NW einzustellen gewesen, da mangels Verschulden kein Dienstvergehen vorgelegen hatte. Der rechtskräftige Strafbefehl stand dem mangels Bindungswirkung nicht entgegen (vgl. § 18 DO NW). Nicht ausschlaggebend ist demgegenüber, ob und in welchem Umfang das Gericht zum Zeitpunkt seiner Sachentscheidung – dieser war hier am 25. Mai 2011, also fast acht Jahre spater – noch auf Äußerungen des Gutachters zurückgreifen musste. Hinsichtlich der Höhe der Gutachterkosten hat die Einleitungsbehörde keine Einwände erhoben, so dass das Gericht zu weiteren Prüfungen in dieser Richtung keinen Anlass hat.“
[ *Hinweis: von der genauen Benennung des Begutachtungsthemas sehenn wir aus Datenschutzgründen zugunsten des Mandanten ab; es ist auch für die Frage der Kostenerstattung nicht weiter relevant]