Bürgerentscheid statt Lotteriespiel, Rhein-Neckar-Zeitung v. 29.02.2012

Weinheim. (zg/lue) Verwundert reagiert die Bürgerinitiative „Schützt die Weinheimer Breitwiesen“ auf die neueste Idee der Stadtverwaltung: „Da sollen in kleinen Bürgerforen Vorgespräche stattfinden, die schon längst überholt sind“, ärgert sich Ingrid Hagenbruch. Ein informelles Verfahren der Bürgerbeteiligung wäre allenfalls vor der Entscheidung des Gemeinderats am 19. Oktober 2011 möglich gewesen, so die BI-Sprecherin in einer Pressemitteilung. „Da wurde der Gemeinderat aber unter vermeintlichen Zeitdruck gesetzt.“

„Bürgerfreundlichkeit hieße, dass die Verwaltung über so ein neues, eher aufschiebendes Verfahren zunächst einmal mit uns spricht“, bekräftigen auch die Landwirte Fritz Pfrang und Karl Bär die Haltung der Initiative: „Weinheim macht sich doch mit so einem Verfahren in diesem Stadium nur lächerlich! Das erwähnte Zufallsprinzip erinnert doch eher an ein Lotteriespiel.“ Auch der Gemeinderat müsse sich dann fragen, welche Rolle er noch spielen solle neben den merkwürdig kleinen Gremien, genannt Bürgerräte. Allein die Bürgerinitiative habe deutlich mehr Mitstreiter in ihren Reihen. „Die Argumente seien alle bekannt, wozu dann die Entscheidung auf die lange Bank schieben“, fragen sich die Mitglieder. „Schließlich gibt die bestehende Gemeindeordnung hier einen ordentlichen Weg der Bürgerbeteiligung vor, den wollen wir jetzt mit dem beantragten Bürgerentscheid auch gehen“, so Rechtsanwältin Hagenbruch. Offenbar wolle die Verwaltung an der Gemeinderatsentscheidung vom 19. Oktober unbedingt festhalten und versuche noch krampfhaft, den deutlich dokumentierten Bürgerwillen umzubiegen. Alle 5000 Unterzeichner aber, so die Unterschriftensammler der Initiative, hätten in dieser beeindruckenden Zahl dokumentiert, dass sie keine massive Zubetonierung des Außenbereichs wollen. Außerdem stelle sich auch für die Initiative und deren Unterstützer die Frage, ob überhaupt neue Gewerbegebiete notwendig seien.

Hierzu erläutert Susanne Tröscher, Mitglied der Initiative und CDU-Stadträtin, dass zunächst die vorhandenen kleineren und mittleren Gewerbegebiete zu entwickeln und am Markt besser anzubieten seien: „Große Flächen zu opfern, passt nicht in die Zeit und nicht zu Weinheim, wir wollen ein attraktiver Wohnstandort bleiben auch für zusätzliche Familien.“ Wenn der landschaftliche Reiz verloren ginge, ließe sich dass nicht mehr ausgleichen. Auch ansiedlungswillige Firmen achteten zunehmend auf eine reizvolle Umgebung. „Hier liegt die Stärke unserer Stadt, die wollen wir erhalten. Auch im Sinne der hier ansässigen Unternehmen.“

Zumal zusätzliche Baugebiete nicht selten neben Mehreinnahmen weitaus höhere Ausgaben nach sich zögen: „Es müssen Straßen gebaut und unterhalten werden, dazu kommen weitere Maßnahmen und Aufgaben, die auf Dauer viel Geld kosten.Wenn große Baugebiete tatsächlich zu Reichtum führen würden – warum haben größere Städte dann eine viel höhere Pro-Kopf-Verschuldung als kleinere?“, fragt sich Matthias Hördt, ein weiteres BI-Mitglied. Auch der Frage des Flächentauschs weicht die Initiative nicht aus. Den Unterzeichnern sei klar, dass im Fall eines Verzichts auf die Breitwiesen-Bebauung zunächst der bisherige Flächennutzungsplan mit dem Hammelsbrunnen als Gewerbefläche in Kraft trete. Hier sei die Gefahr einer großflächigen Versiegelung allerdings gering: Des Krankenhauses wegen und dank etlicher als schützenswerte Biotope anerkannten Feldhecken werde sich eine dortige Bebauung viel weniger auswirken.

Info: In Hinblick auf die Gemeinderatsentscheidung lädt die Initiative zu einer Diskussionsrunde am Freitag, 16. März, im Rolf-Engelbrecht-Haus. Ab 19 Uhr wird Rechtsanwalt Robert Hotstegs Stellung beziehen zur Zulässigkeit eines Bürgerentscheids.