Hauptberuflichkeit im kirchlichen Küsterdienst ab 19,5 Stunden, Kirchl. Verwaltungsgericht der EKiR, Urteil v. 08.09.2011, Az. 2 VG 33/2009

1. Auch im kirchlichen Recht ist über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ein Vorverfahren ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (Anschluss an st. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).

2. Die Ruhegehaltfähigkeit von Zeiten, in denen Kirchenbeamte vor der Übernahme in das Beamtenverhältnis im Angestelltenverhältnis tätig waren, richtet sich nach § 10 Satz 1 Nr. 1 und § 11 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG. Der zeitliche Mindestumfang der grundsätzlich allen Kirchenbeamten eröffneten Teildienstbeschäftigung stellt die zeitliche Untergrenze für die Hauptberuflichkeit im Sinne von § 10 Satz 1 Nr. 1, § 11 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG dar. (Anschluss an Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 25.05. 2005, Az. 2 C 20.04)

3. Die regelmäßige Arbeitszeit bestimmt sich für den Bereich der Küster allein nach der Küsterordnung (KüsterO). Gem. § 3 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 und 2 KüsterO gilt als regelmäßige Arbeitszeit der Küster die Arbeitszeit des § 6 BAT-KF. Sie ist daher mit „durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich“ anzusetzen.

4. Nach der zum staatlichen Versorgungsrecht ergangenen Rechtsprechung, die auch dem kirchlichen Gesetzgeber bekannt ist, ist für die vergleichsweise Betrachtung anerkanntermaßen auf den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand abzustellen. Dass der kirchliche Gesetzgeber hier etwas anderes habe regeln wollen, ist nicht ersichtlich.

(eigene Leitsätze)

Soweit ersichtlich hat das Kirchliche Verwaltungsgericht der Ev. Kirche im Rheinland in seiner Entscheidung vom 08.09.2011, Az. 2 VG 33/2009, erstmalig die Frage der „Hauptberuflichkeit“ im versorgungsrechtlichen Sinne des Kirchenrechts entschieden.

Das Urteil führt im Wortlaut aus:

 

Die Beteiligten streiten um die Neufestsetzung des Ruhegehalts des Klägers.

Der am 13. November 1946 geborene Kläger stand zuletzt als Kirchenverwaltungs-Oberamtsrat im Dienst der beklagten Landeskirche. Er war zum 01.01.1983 erstmalig in ein Kirchenbeamtenverhältnis berufen worden.

Auf eigenen Antrag wurde ihm ab dem 01.12.2004 Altersteildienst bewilligt. Mit Ablauf des Monats der Vollendung des 63. Lebensjahres, d.h. zum 01.12.2009 wurde der Kläger in den Ruhestand versetzt. Er erhält seither Versorgungsbezüge.

Mit Schreiben vom 08.07.2009 bat der Kläger um vorherige Berechnung seiner Versorgungsbezüge. Er legte hierzu eine vorläufige Festsetzung seiner ruhegehaltsfähigen Dienstzeit aus dem Jahr 1982 vor und wies darauf hin, dass darin seine Vordienstzeit vom 01.08.1980 bis 31.12.1982 als Küster der Kirchengemeinde C. nicht berücksichtigt sei.

Mit Schreiben vom 23.07.2009 teilte das Landeskirchenamt dem Kläger mit, seine Tätigkeit als Küster könne nicht auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit angerechnet werden, da es an dem erforderlichen Merkmal der Hauptberuflichkeit gem. § 10 BeamtVG fehle.

Darüber hinaus liege zwischen der Beendigung seiner zuletzt – vor der Berufung in das Kirchenbeamtenverhältnis am 01.01.1983 – ausgeübten Tätigkeit bei der Diakonie D. (Beendigung zum 31.12.1980) eine sogenannte „schädliche Unterbrechung“ im Rechtssinne.

Der Bescheid des Landeskirchenamtes war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Gemäß Belehrung hat der Kläger zunächst unter dem 14.08.2009 eigenständig Widerspruch eingelegt. Der Widerspruch wurde sodann von dem Bevollmächtigten des Klägers begründet. Er führte im Wesentlichen aus, der gesamte Zeitraum von der ersten Einstellung des Klägers im kirchlichen Dienst zum 01.04.1966 bis zum 31.12.1982 sei als ruhegehaltsfähig zu berücksichtigen. Eine Unterbrechung liege nicht vor. Auf den Umstand, ob die Tätigkeit des Klägers als Küster in den Jahren 1980 bis 1982 in Vollzeit ausgeübt worden sei, komme es nicht an. Im Übrigen berufe sich der Kläger auf sein Vertrauen in die vorläufige Festsetzung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten vom 10.12.1984. Er habe hierauf seine weitere persönliche und wirtschaftliche Lebensplanung, insbesondere den Antrag auf Altersteildienst ausgerichtet.

Das Kollegium des Landeskirchenamtes hat dem Widerspruch nicht abgeholfen. Mit Schreiben vom 27.10.2009 erging ein Widerspruchsbescheid, mit dem die Landeskirche ihre vorherige Darstellung wiederholt. […]

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Hinsichtlich ihrer Zulässigkeit bestehen keine Bedenken. Zwar ist die Landeskirche intern davon ausgegangen, dass eine endgültige Berechnung der Ruhestandsbezüge des Klägers erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen werde, sodass womöglich Zweifel an der Regelungswirkung des Schreibens vom 23.07.2009 bestanden haben könnten. Gleichwohl hat die Beklagte die Form eines Verwaltungsaktes gewählt und dies auch durch die Rechtsmittelbelehrung zu erkennen gegeben.

Zwischenzeitlich ist auch durch die Gemeinsame Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte unter dem 10.11.2009 eine Festsetzung des Ruhegehalts ergangen. Hiergegen hat der Kläger vorsorglich ebenfalls Widerspruch eingelegt. Das Widerspruchsverfahren wurde einvernehmlich bis zur Beendigung des vorliegenden Klageverfahrens ausgesetzt.

Der Klageantrag wurde daher in der mündlichen Verhandlung dahingehend klargestellt, dass er sich auch gegen die Festsetzung vom 10.11.2009 wendet. Eines weiteren abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens bedurfte es nicht, da das Vorverfahren ausnahmsweise entbehrlich ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorverfahren im staatlichen Recht ist über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ein Vorverfahren ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (vgl. dazu u.a. Urteile vom 27. Februar 1963 – BVerwG 5 C 105.61BVerwGE 15, 306 <310> = Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 2, vom 9. Juni 1967 – BVerwG 7 C 18.66BVerwGE 27, 181 <185> = Buchholz 442.15 § 4 StVO Nr. 4, vom 23. Oktober 1980 – BVerwG 2 A 4.78 – Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 14, vom 15. Januar 1982 – BVerwG 4 C 26.78BVerwGE 64, 325 <330> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 47, vom 27. September 1988 – BVerwG 1 C 3.85 – Buchholz 130 § 9 RuStAG Nr. 10 und vom 4. August 1993 – BVerwG 11 C 15.92 – Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 16).

Diese Rechtsprechung ist in der Literatur zwar umstritten, vom Bundesverwaltungsgericht aber ausdrücklich mit Urteil vom 15.09.2010 für den Fall aufrechterhalten worden, wenn dem Zweck des Vorverfahrens „bereits Rechnung getragen ist“. (vgl. BVerwG, Urteil v. 15.09.2010, Az. 8 C 21/09 )

Diese Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, da Besonderheiten des kirchlichen Rechts nicht entgegenstehen. Vielmehr wäre gem. § 14 Abs. 5 der Satzungder Gemeinsamen Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche der Rechtsbehelf im Falle der Nichtabhilfe durch die Versorgungskasse erneut der Beklagten zur Entscheidung vorzulegen. Die Beklagte hat aber wiederholt an ihrer Rechtsauffassung festgehalten, sodass in diesem erneuten Vorverfahren nicht mit einer Änderung zugunsten des Klägers zu rechnen wäre.

Die Klage ist daher vollumfänglich zulässig.

Sie ist auch hinsichtlich einer Neubescheidung des Klägers begründet. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung der Literatur ist der Antrag auf Neubescheidung als „Minus“ im Verpflichtungsantrag enthalten, da Inhalt und Begründung der Anträge im Wesentlichen deckungsgleich sind. So verhält es sich auch vorliegend. Die Klage war daher nur hinsichtlich der konkreten Verpflichtung auf vollständiger Anerkennung abzuweisen, nicht aber hinsichtlich der Verpflichtung zur Neubescheidung.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Nach § 1 Abs. 1 S. 2 der Ordnung über die Besoldung und Versorgung der Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamten (KBVO) findet das staatliche Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) Anwendung, soweit das kirchliche Recht nichts anderes bestimmt (§ 1 Abs. 1 S. 1 KBVO). Gem. § 4 Abs. 3 BeamtVG wird das Ruhegehalt auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnet. Ruhegehaltfähig sind Zeiten, die im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Beamtenverhältnis zurückgelegt worden sind. Der Anspruch auf Versorgung im Ruhestand besteht entsprechend der Dauer des Beamtenverhältnisses (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Unter Durchbrechung dieses Grundsatzes ermöglichen §§ 10 und 11 BeamtVG die Berücksichtigung von Zeiten, in denen der Beamte außerhalb des Beamtenverhältnisses tätig war. Die Ruhegehaltfähigkeit von Vordienstzeiten hat Ausnahmecharakter. Die Berücksichtigung der von §§ 10, 11 BeamtVG erfassten Tätigkeiten ist aufgrund ihres inhaltlichen Bezugs zum (kirchlichen) Beamtendienst, insbesondere des Erwerbs hierfür notwendiger oder förderlicher Qualifikationen, sachlich gerechtfertigt. Dadurch soll den Beamten annähernd diejenige Versorgung ermöglicht werden, die sie erhalten hätten, wenn sie sich während der vordienstlichen Tätigkeit bereits im Beamtenverhältnis befunden hätten. Es sollen unbillige Benachteiligungen gegenüber „Nur-Beamten“ vermieden werden (vgl. zum staatlichen Recht BVerwG, Urteil v. 24.06.2008, Az. 2 C 5/07, mit Verweis auf Urteil v. 28.10.2004 – BVerwG 2 C 38.03 – Buchholz 239.1 § 11 BeamtVG Nr. 9; stRspr).

Die Ruhegehaltfähigkeit von Zeiten, in denen Kirchenbeamte vor der Übernahme in das Beamtenverhältnis im Angestelltenverhältnis tätig waren, richtet sich nach § 10 Satz 1 Nr. 1 und § 11 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG. Beide Vorschriften machen die Anrechnung von der Hauptberuflichkeit der vordienstlichen Tätigkeit abhängig:

Nach § 10 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG sollen als ruhegehaltfähig auch Zeiten einer hauptberuflichen, in der Regel einem Beamten obliegenden entgeltlichen Beschäftigung berücksichtigt werden, in denen ein Beamter vor der Berufung in das Beamtenverhältnis im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ohne von ihm zu vertretende Unterbrechung tätig war, sofern diese Tätigkeit zu seiner Ernennung geführt hat. Die Vorschrift fordert einen zeitlichen und funktionellen Zusammenhang der vordienstlichen Tätigkeit zu der späteren Beamtentätigkeit; sie muss für die Übernahme in das Beamtenverhältnis ursächlich gewesen sein (für das staatliche Recht BVerwG, Urteil v. 24.06.2008, Az. 2 C 5/07, mit Verweis auf Urteil v. 19. Februar 1998 – BVerwG 2 C 12.97 – Buchholz 239.1 § 10 BeamtVG Nr. 12).

Nach § 11 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG kann die Zeit, während der ein Beamter vor der Berufung in das (Kirchen-)Beamtenverhältnis hauptberuflich im Dienst öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften oder ihrer Verbände tätig gewesen ist, als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Die Vorschrift lässt die Gleichwertigkeit der ausgeübten Tätigkeiten genügen (für das staatliche Recht BVerwG, Urteil v. 24.06.2008, Az. 2 C 5/07, mit Verweis auf Urteil v. 28. September 1967 – BVerwG 2 C 115.64 – Buchholz 232 § 116 BBG Nr. 11; Beschluss vom 17. Januar 1991 – BVerwG 2 B 91.90 – Buchholz 239.1 § 11 BeamtVG Nr. 4).

Beide Regelungen sind nebeneinander anwendbar, wobei § 10 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG vorrangig zu prüfen ist. Denn diese Vorschrift vermittelt im Regelfall einen Anspruch auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm erfüllt sind, während die Berücksichtigung gemäß § 11 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG in diesem Fall im Ermessen der Versorgungsbehörde steht (für das staatliche Recht BVerwG, Urteil v. 24.06.2008, Az. 2 C 5/07, mit Verweis auf Urteile v. 28. Januar 2004 – BVerwG 2 C 6.03 – Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 14 S. 8 und vom 25. Mai 2005 – BVerwG 2 C 20.04 – Buchholz 239.1 § 6 BeamtVG Nr. 4).

Ein Anspruch nach § 10 BeamtVG ist indes für den Kläger nicht zu erkennen. Es fehlt bezogen auf die Tätigkeit als Küster an einer „in der Regel einem Beamten obliegenden“ Beschäftigung. Weder die gesetzliche Vorgabe der Küsterordnung, noch eine Betrachtung der tatsächlichen Küsterbeschäftigungsverhältnisse gibt zu erkennen, dass ein Küster „in der Regel“ im Beamtenverhältnis beschäftigt würde. Vielmehr ist der kirchliche Gesetzgeber insbesondere in § 3 KüsterO davon ausgegangen, dass ein Angestelltenverhältnis vorliegt. Nur ausnahmsweise verweist die Küsterordnung auf das Kirchenbeamtenrecht. Auf die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 10 BeamtVG kommt es daher vorliegend nicht an, auch wenn diese -soweit mit § 11 BeamtVG deckungsgleich- hier gegeben sind.

Die geringeren Voraussetzungen des § 11 BeamtVG sind erfüllt, sodass der Kläger die Anerkennung beantragen konnte und die Beklagte hierüber ermessensfehlerfrei zu entscheiden hatte. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden ihr Ermessen bereits deswegen nicht  rechtsfehlerfrei ausüben können, weil sie das wesentliche Merkmal der Hauptberuflichkeit in seiner Bedeutung verkannt hat.

Wie der Prozessbevollmächtigte zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt hat, setzt die Hauptberuflichkeit einer vordienstlichen Tätigkeit im Sinne von § 10 Satz 1 Nr. 1, § 11 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG voraus, dass sie nach ihrem zeitlichen Umfang auch von Beamten im Hauptamt ausgeübt und demzufolge ruhegehaltfähig sein kann. Dies folgt aus dem Zweck der Anrechnungsvorschriften, Beamte mit qualifizierten Vordienstzeiten versorgungsrechtlich „Nur-Beamten“ möglichst gleichzustellen. Danach kann eine vordienstliche Tätigkeit nicht hauptberuflich sein, wenn sie die Arbeitskraft eines Beamten nur nebenbei beansprucht (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG) oder von diesem neben einer hauptberuflichen Tätigkeit nur als Nebentätigkeit, Nebenamt oder Nebenbeschäftigung wahrgenommen werden kann (vgl. §§ 44ff. KGB.EKD).

Aufgrund dessen hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 25. Mai 2005 (Az. 2 C 20.04) entschieden, dass der zeitliche Mindestumfang der grundsätzlich allen Beamten eröffneten Teilzeitbeschäftigung (im kirchlichen Recht: Teildienstbeschäftigung) die zeitliche Untergrenze für die Hauptberuflichkeit im Sinne von § 10 Satz 1 Nr. 1, § 11 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG darstellt. Der gesetzliche Begriff der Hauptberuflichkeit knüpft an die Entwicklung des Arbeitszeitrechts für Beamte an. Je niedriger der Gesetzgeber den zeitlichen Umfang der Teildienstbeschäftigung festlegt, desto geringer sind die zeitlichen Anforderungen an die Hauptberuflichkeit vordienstlicher Tätigkeiten. Daher wirken sich Änderungen des Mindestumfangs der Teildienstbeschäftigung auf die Beurteilung vordienstlicher Tätigkeiten als hauptberuflich aus. Daraus folgt, dass die Frage der Hauptberuflichkeit nach derjenigen Rechtslage zu beantworten ist, die zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand gilt.

Anders als von der Beklagten vertreten, kommt es sowohl auf die Bezeichnung der Tätigkeit des Klägers im Arbeitsvertrag vom 16.08.1980 („als nebenberuflicher Küster“) als auch auf die seinerzeitige (1980) „durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Küsters […von…] 52 Stunden“ (vgl. Bescheinigung des Verwaltungsamts des Ev. Kirchenkreises E. vom 20.07.2009) nicht an.

Maßgebend ist die gesetzlich festgelegte Untergrenze für die Teildienstbeschäftigung von Beamten. Die Tätigkeit ist hauptberuflich, wenn der sich daraus ergebende Anteil höher ist als der Anteil des zeitlichen Mindestumfangs der Teildienstbeschäftigung im Verhältnis zur Regelarbeitszeit.

Abzustellen ist hierbei aber nicht auf die staatliche Teilzeitbeschäftigung, sondern auf das speziellere kirchliche Recht des Teildienstes. Dieser Vorrang ergibt sich bereits aus § 1 Abs. 1 S. 1 KBVO, weil insofern das kirchliche Recht etwas anderes bestimmt.

Gem. § 28 KBG.EKD „regeln die Evangelische Kirche in Deutschland, die Gliedkirchen und die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse je für ihren Bereich“. Gem. § 49 Abs. 2 KBG.EKD kann den Beamten auf Antrag „die Arbeitszeit bis zur Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit ermäßigt werden (Teildienst).“ Allerdings ist weder dem KBG.EKD selbst, noch dem Ausführungsgesetz zum Kirchengesetz über die Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamten in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Ausführungsgesetz zum KBG.EKD ‑ AG.KBG.EKD) vom 11. Januar 2007 eine Bestimmung der Regelarbeitszeit zu entnehmen.

Diese bestimmt sich für den Bereich der Küster allein nach der Küsterordnung (KüsterO). Gem. § 3 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 und 2 KüsterO gilt als regelmäßige Arbeitszeit der Küster die Arbeitszeit des § 6 BAT-KF. Sie ist daher mit „durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich“ anzusetzen.

Regelmäßige Arbeitszeit eines Küsters im Sinne des Versorgungsrechts ist nicht die Arbeitszeit des § 4 Abs. 2 KüsterO von 51 Wochenstunden. Dem steht bereits der Wortlaut der Küsterordnung entgegen, wonach die über 39 Wochenstunden hinausgehenden Zeiten als Bereitschafts- oder Verfügungszeit zu qualifizieren sind und „innerhalb eines Kalenderjahres im Durchschnitt 39 Wochenstunden Arbeitsleistung“ zu erbringen sind.

Ist die regelmäßige Arbeitszeit eines Küsters daher mit 39 Stunden zum Zeitpunkt der Versetzung des Klägers in den Ruhestand anzusetzen, wäre eine Teildienstbeschäftigung auch mit einer Stundenzahl von 19,5 Stunden gesetzlich zulässig und als „hauptberuflich“ zu qualifizieren. Die seinerzeit vom Kläger ausgeübte Tätigkeit umfasste unstreitig 25 Wochenstunden. Somit ist eine hauptberufliche Tätigkeit im versorgungsrechtlichen Sinne gegeben.

Nach der zum staatlichen Versorgungsrecht ergangenen Rechtsprechung, die auch dem kirchlichen Gesetzgeber bekannt ist, ist für die vergleichsweise Betrachtung anerkanntermaßen auf den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand abzustellen. Dass der kirchliche Gesetzgeber hier etwas anderes habe regeln wollen, ist nicht ersichtlich. Hierzu hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorgabe bedurft, wie sie beispielsweise das staatliche Landesrecht vereinzelt kennt.

So ist z.B. für Beamte nach saarländischem Versorgungsrecht maßgebend für die Entscheidung über die Anerkennung der streitgegenständlichen Vordienstzeiten nicht die Vorschrift des § 10 BeamtVG (Bund), sondern die Regelung in der Fassung, wie sie in saarländisches Beamtenversorgungsrecht übergeleitet worden ist. Während § 10 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG (Bund) als ruhegehaltfähige Vordienstzeiten unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen die Zeiten einer hauptberuflichen in der Regel einem Beamten obliegenden oder später einem Beamten übertragenen entgeltlichen Beschäftigung aufführt, ohne den tatbestandlichen Begriff der Hauptberuflichkeit näher zu definieren, hat der saarländische Gesetzgeber im Zuge der Föderalismusreform von seiner Gesetzgebungskompetenz mit Wirkung ab dem 01.04.2008 durch ein eigenes Saarländisches Beamtenversorgungsgesetz ‑ SBeamtVG ‑ Gebrauch gemacht. In § 2 („Überleitung von Bundesrecht in Landesrecht“) des SBeamtVG vom 14. Mai 2008 ist bestimmt, dass für die Versorgung die am 31. August 2006 bestehenden versorgungsrechtlichen Vorschriften des Bundes als Landesrecht fortgelten, soweit sich aus diesem Gesetz ‑ also dem SBeamtVG ‑ oder aufgrund sonstiger landesrechtlicher Bestimmungen nichts anderes ergibt. In Bezug auf den hier einschlägigen § 10 BeamtVG heißt es in § 3 Nr. 2 SBeamtVG, dass nach Satz 1 ein weiterer Satz eingefügt wird. Nur mit diesem weiteren ergänzenden Satz ist § 10 BeamtVG (Bund) gemäß §§ 2 und 3 Nr. 2 SBeamtVG somit in Landesrecht übergeleitet worden. § 10 Satz 2 SBeamtVG lautet wie folgt:

„Hauptberuflich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tätigkeit, die entgeltlich erbracht wird, den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt, in der Regel den überwiegenden Teil der Arbeitskraft beansprucht sowie dem durch Ausbildung und Berufswahl geprägten Berufsbild entspricht und im gleichen Zeitraum in einem Beamtenverhältnis mit dem gleichen Beschäftigungsumfang zulässig gewesen wäre.“

Mit dieser Regelung ist der saarländische Landesgesetzgeber ausdrücklich, eindeutig und bewusst einer Auslegung des Begriffes der Hautberuflichkeit einer Tätigkeit in Bezug auf deren zeitlichen Umfang und den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage ihrer Zulässigkeit in einem Beamtenverhältnis, wie sie das Bundesverwaltungsgericht seinen beiden Urteilen vom 25.05.2005 ‑ 2 C 20.04 ‑ und vom 24.06.2008 ‑ 2 C 5.07 ‑ zugrunde gelegt hat, entgegengetreten, indem es für das saarländische Beamtenversorgungsrecht bestimmt hat, dass die in Betracht kommende Tätigkeit, um ruhegehaltfähig sein zu können, in ihrem Beschäftigungsumfang „im gleichen Zeitraum“ in einem Beamtenverhältnis zulässig gewesen sein muss, also in dem Zeitraum, in dem die vordienstliche Tätigkeit verrichtet wurde. (vgl. hierzu ausführlich Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil v. 24.08.2010, Az. 3 K 17/10, Rn. 33ff.) Diese Möglichkeit stand dem kirchlichen Gesetzgeber seit jeher offen, ohne dass er hiervon Gebrauch gemacht hat.

Damit ist die unmittelbar der Berufung in das Beamtenverhältnis vorgelagerte Tätigkeit als Vordienst anerkennungsfähig. Auch die weiteren Tätigkeiten des Klägers sind, dies hat auch die Beklagte nicht bestritten, grundsätzlich anerkennungsfähig. Die Anerkennung war ihnen bislang nur verweigert worden, da die Beklagte ‑ nach den obigen Ausführungen zu Unrecht ‑ eine schädliche Unterbrechung angenommen hatte.

Die unter falscher Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 BeamtVG abgelehnte Anerkennung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten führt allerdings nicht zur Spruchreife, da der Beklagten ein Ermessen zusteht. Daher hat hier nur der als „Minus“ enthaltene Bescheidungsantrag Erfolg, § 71 VwGG.EKD a.F. i.V.m. § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Anerkennung liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 1 VwGG.EKD a.F.

 

Die Entscheidung ist rechtskräftig. Durch Berichtigungsbeschluss vom 29.03.2012 wurde ein offensichtlicher Schreibfehler des Tenors (hier nicht wiedergegeben) korrigiert. (Stand: April 2012)