Alles anders? EuGH-Entscheidung zur Rufbereitschaft als Arbeitszeit, Europäischer Gerichtshof, Pressemitteilung v. 21.02.2018, Az. C – 518/15

Die Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt und während deren er der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb kurzer Zeit Folge zu leisten, ist als „Arbeitszeit“ anzusehen. Das hat der Europäische Gerichtshof heute entschieden. Die Verpflichtung, persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, sowie die Vorgabe, sich innerhalb kurzer Zeit am Arbeitsplatz einzufinden, schränken die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers erheblich ein, sich anderen Tätigkeiten zu widmen.

Folgen hat dies vor allem für Fragen des Arbeitsschutzes (Arbeitszeitregelungen, u.ä.), nicht aber unmittelbar für die Frage des Arbeitsentgelts. Denn der Gerichtshof weist ausdrücklich daraufhin, dass die EU-Richtlinie hierzu keine Vorgaben trifft und auch keine europäische Gesetzgebungszuständigkeit besteht. Der nationale Gesetzgeber kann daher ein niedrigeres Arbeitsentgelt vorsehen, möglicherweise sogar die Nicht-Bezahlung.

Da die EU einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff verwendet, der auch Beamtinnen und Beamte umfasst, ist die Entscheidung auch für Beamte in Deutschland übertragbar.

Die Pressemitteilung führt zusammenfassend aus: „Alles anders? EuGH-Entscheidung zur Rufbereitschaft als Arbeitszeit, Europäischer Gerichtshof, Pressemitteilung v. 21.02.2018, Az. C – 518/15“ weiterlesen

nur 250km bis zum Vertrauensarzt?, Verwaltungskammer bei dem Kirchengericht der EKD, Beschluss v. 08.11.2016, Az. 0136/B17-2016

Unmittelbar nachdem hier der aktuelle Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen zur Zuständigkeit des Amtsarztes am Wohnort des Beamten bei Untersuchungen zur Dienstfähigkeit erstritten wurde, ist nun ein schon etwas älterer Beschluss der Verwaltungskammer beim Kirchengericht der Ev. Kirche in Deutschland bekannt geworden. Er verhält sich hierzu geradezu widersprüchlich.

Nach unserer rechtlichen Bewertung ergibt nämlich die Normenkette, dass auch im Kirchenbeamtenrecht der Ev. Kirche im Rheinland das staatliche nordrhein-westfälische Landesrecht Anwendung findet. Das Verfahren zur Untersuchung der Dienstfähigkeit bestimmt sich nach dem Kirchenbeamtengesetz (KBG.EKD), sowie nach landeskirchlichem Recht. Gem. § 11 Abs. 1 S. 1 AG.KBG.EKD gilt:

„Ergänzend zu den Bestimmungen des Kirchenbeamtengesetzes der EKD und dieses Kirchengesetzes ist das für die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen jeweils geltende Recht sinngemäß anzuwenden, soweit das kirchliche Recht nichts anderes bestimmt.“

Das nordrhein-westfälische Beamtenrecht bestimmt in § 19 Abs. 2 ÖGDG NRW:

„Für die amtlichen Untersuchungen zur Ausstellung von gutachterlichen Stellungnahmen in beamtenrechtlichen Verfahren nach dem Landesbeamtengesetz NRW ist die untere Gesundheitsbehörde am Wohnort der zu begutachtenden Person zuständig. Abweichend davon kann die Behörde oder Einrichtung, die das beamtenrechtliche Verfahren durchführt, die untere Gesundheitsbehörde am Dienstort der zu begutachtenden Person beauftragen.“

Dann gilt aber auch der oben erwähnte Grundsatz, den das Verwaltungsgericht Aachen bestätigt hat, dass für die Untersuchung der Dienstfähigkeit des Kirchenbeamten ausschließlich der Amtsarzt am Wohnort des Kirchenbeamten zuständig wäre.

Die Ev. Kirche im Rheinland vertritt hierzu eine abweichende Rechtsposition und ist der Auffassung, dass der nachfolgende Beschluss der Verwaltungskammer ihre Praxis stützt. Denn dort hat die Verwaltungskammer die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die Aufforderung zur Untersuchung bei einem 250km (!) entfernten Vertrauensarzt nicht wiederhergestellt. Die Verwaltungskammer hat insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein „Fahrservice“ des Dienstherrn angeboten wurde, die An- und Abreise nicht für unzumutbar gehalten.

Aus unserer anwaltlichen Sicht ist eine derartige Prüfung der Zumutbarkeit (der Verhältnismäßigkeit) schon systematisch nicht notwendig, weil eben das landeskirchliche Recht sich ganz auf den staatlichen Gesetzgeber in NRW fokussiert hat. Dieser kennt die Untersuchung bei einem entfernten Vertrauensarzt nicht, sondern ausschließlich die Untersuchung beim Amtsarzt vor Ort. Es bleibt also abzuwarten, ob die Verwaltungskammer auch in zukünftigen Verfahren ihre Rechtsprechung aus dem Jahr 2016 aufrecht erhalten wird.

Der Beschluss lautet im Volltext: „nur 250km bis zum Vertrauensarzt?, Verwaltungskammer bei dem Kirchengericht der EKD, Beschluss v. 08.11.2016, Az. 0136/B17-2016“ weiterlesen

Amtsärztlich untersucht wird am Wohnort, nicht am Dienstort, Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss v. 11.01.2018, Az. 1 L 1985/17

Für amtsärztliche Untersuchungen – etwa im Rahmen einer Überprüfung der Dienstfähigkeit – ist das Gesundheitsamt am Wohnort des Beamten zuständig.

Das Verwaltungsgericht Aachen bestätigt in seinem Beschluss, dass der Dienstherr auch dann nicht das Gesundheitsamt am Dienstort als zuständig auswählen darf, wenn er Zweifel an der Arbeit des Gesundheitsamtes am Wohnort des Beamten hat. Zweifel an der fachlichen Qualifikation des Arztes, an der unparteiischen Amtsausübung oder an der Tatsachengrundlage sind keine Erwägungen, die den Dienstherrn zu der Annahme einer Ausnahmesituation im Sinne des § 19 Abs. 2 ÖGDG NRW berechtigen.

Das Verwaltungsgericht führt in der Begründung seines Beschlusses dazu wörtlich aus: „Amtsärztlich untersucht wird am Wohnort, nicht am Dienstort, Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss v. 11.01.2018, Az. 1 L 1985/17“ weiterlesen

Leistungsprämie für freigestellte Beamte – kein Vergleich „mit sich selbst“, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil v. 13.12.2017, Az. 13 K 14325/17

In einer – so wollen wir es mal nennen – Endlosschleife verweigert die Bundesagentur für Arbeit freigestellten Personalratsmitgliedern und gleichgestellten Personen den Zugang zu Leistungsprämien. Dadurch werden diese Beamtinnen und Beamten diskriminiert und wegen ihrer Zugehörigkeit zur Personalvertretung benachteiligt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat bereits mehrfach dazu entschieden, auch Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen existiert (etwa hier aus 2014).

Dennoch setzt sich die Bundesagentur mit Verweis auf interne Verwaltungsanweisungen über Gesetz und Rechtsprechung hinweg und verweigert Leistungsprämien. Das vorliegende Verfahren bot dem Verwaltungsgericht Düsseldorf noch einmal aktuell die Gelegenheit Grundsätzliches auszuführen und den Vergleichsmaßstab für die Gewährung/Nichtgewährung einer Leistungsprämie deutlich zu machen. Dabei darf der Kläger – denklogisch – nicht als sein eigener Vergleichsmaßstab herangezogen werden.

Im Volltext lautet die Entscheidung: „Leistungsprämie für freigestellte Beamte – kein Vergleich „mit sich selbst“, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil v. 13.12.2017, Az. 13 K 14325/17“ weiterlesen

In der Gesamtschau ist die dienstliche Beurteilung nicht geeignet, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil v. 24.11.2017, Az. 13 K 10214/16

Die Formulierung „In der Gesamtschau …“ genügt in der Begründung des Gesamturteils einer dienstlichen Beurteilung nicht den Anforderungen der Rechtsprechung, um eine ordnungsgemäße Gewichtung der bewerteten Einzelmerkmale darzustellen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist in seinem Urteil vom 24.11.2017 (Az. 13 K 10214/16) darauf hin, dass es sich dabei nur um eine „inhaltsleere Floskel“ handelt, der „kein weitergehender Erkenntniswert“ zukomme. „In der Gesamtschau ist die dienstliche Beurteilung nicht geeignet, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil v. 24.11.2017, Az. 13 K 10214/16“ weiterlesen

De la difficulté d’évaluer les convictions extrémistes d’un fonctionnaire allemand, dalloz-actualite.fr v. 06.12.2017

La Cour administrative fédérale allemande a mis un terme à une affaire embarrassante pour les forces de l’ordre en révoquant définitivement un policier aux solides convictions néo-nazies.
par Gilles Bouvaist „De la difficulté d’évaluer les convictions extrémistes d’un fonctionnaire allemand, dalloz-actualite.fr v. 06.12.2017“ weiterlesen

höherwertige Tätigkeit im Kirchenbeamtenrecht, Verwaltungskammer bei dem Kirchengericht der EKD, Beschluss v. 25.10.2017, Az. 0136/A4-2017

Zum ersten Mal hat die Verwaltungskammer des Kirchengerichts bei der Ev. Kirche in Deutschland darüber zu entscheiden gehabt, ob Kirchenbeamte einen Anspruch auf eine Zulage für höherwertige Tätigkeit haben können. Nach dem Recht der betroffenen Ev. Kirche im Rheinland war dies möglich (und ist es auch heute noch). Derartige Anträge und Klagen sind zulässig, allerdings ist der Nachweis dieser Höherwertigkeit vom klagenden Beamten zu erbringen. Daran scheiterte die vorliegende Klage.

Leitsätze:

  1. Auch im Kirchenbeamtenrecht sind gebündelte Dienstposten zulässig, sofern die Bündelung maximal drei Besoldungsgruppen nicht überschreitet (Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 BVR 1958/13).
  2. Eine pauschale Zuweisung eines Dienstpostens zum „gehobenen Dienst“ (insgesamt fünf Besoldungsstufen) ist unzulässig.
  3. Eine Zulage für höherwertige Tätigkeit nach § 46 BBesG a.F. / ÜBesG NRW ist zu gewähren, wenn die höherwertige Aufgabe vertretungsweise wahrgenommen wird.
  4. Die Beweislast der Höherwertigkeit und der vertretungsweisen Wahrnehmung obliegt dem Kirchenbeamten.

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BVerwG zur Entfernung eines rechtsextremen Polizisten aus dem Dienst: Auf die Gesamt­wür­di­gung kommt es an, lto.de v. 18.11.2017

Ein Polizist, der den Hitler-Gruß zeigt und Tätowierungen mit verfassungswidrigem Inhalt trägt, kann entlassen werden, so das BVerwG. Ein Urteil, das wenig überraschend klingen mag, aber von großer Bedeutung ist, erklärt Sarah Nußbaum.

Seit zehn Jahren beschäftigt der Fall Behörden und Gerichte. Bereits 2007 leitete die Staatsanwaltschaft verschiedene Ermittlungsverfahren gegen den Polizeibeamten ein, das Land enthob den Beamten vorläufig seines Dienstes. Bezüge erhielt er weiterhin. Das Land rechnete auch mit der Entfernung des Beamten aus dem Dienst, doch die Ermittlungsverfahren wurden eingestellt und das Land konnte in der anschließend erhobenen Disziplinarklage weder in der ersten noch in der zweiten Instanz die Gerichte davon überzeugen, dass kein Weg an einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis vorbeiführt. Anders entschied erst das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Donnerstag (Urt. v. 17.11.2017, Az. 2 C 25.17).

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kein Konkurrentenschutz gegen Stellenbesetzungsverfahren nur für Angestellte, Verwaltungsgericht Köln, Beschluss v. 24.10.2017, Az. 3 L 3355/17

In einem hier ausnahmsweise auf Behördenseite vertretenen Verfahren hat das Verwaltungsgericht Köln einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz einer Beamtin abgelehnt. Diese hatte sich dagegen gewandt, dass eine ausgeschriebene Stelle mit einem externen Bewerber besetzt worden war. Das Gericht führt aus, dass die Antragstellerin bereits nicht zum Kreis der potentiellen Bewerber/innen gehörte. Die Stellenausschreibung verweise eindeutig auf die tarifrechtliche Eingruppierung, nicht aber auf die beamtenrechtliche Besoldung. Insofern sei die Stelle allein für Angestellte ausgeschrieben worden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den konkreten Umständen des Einzelfalls (hier: Einladung zum Vorstellungsgespräch, Konkurrentenmitteilung ohne Hinweis auf das Kriterium „Beamtenstatus“).

Gegen den Beschluss ist die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht möglich. „kein Konkurrentenschutz gegen Stellenbesetzungsverfahren nur für Angestellte, Verwaltungsgericht Köln, Beschluss v. 24.10.2017, Az. 3 L 3355/17“ weiterlesen

EuGH zur Mindestkörpergröße von Polizisten in Griechenland: 1,70 für alle ist auch unge­recht, lto.de v. 18.10.2017

Wenn Polizisten mindestens 1,70 m groß sein müssen, werden Frauen diskriminiert, so der EuGH. Unterschiedliche Mindestgrößen sind aber auch nicht fair, so das OVG Münster. Sarah Nußbaum erklärt, warum das kein Widerspruch ist.

Wer in Griechenland Polizist werden will, muss mindestens 1,70 m messen. Das gilt für Männer wie Frauen gleichermaßen. Darin kann allerdings eine unerlaubte Diskriminierung liegen, so der Europäische Gerichtshof (EuGH) (Urt. v. 18.10.2017, Az. C-409/16).

Geklagt hatte eine Griechin, deren Bewerbung für die Polizei abgelehnt wurde, weil sie kleiner als 170 cm ist. In der griechischen Verfassung ist der Gleichheitsgrundsatz zwischen Männern und Frauen ebenso verankert, wie in Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz. Da Frauen im Durchschnitt kleiner als Männer sind, trug die Klägerin vor, die Regelung diskriminiere Frauen aufgrund ihres Geschlechts mittelbar, denn eine höhere Anzahl von Frauen würde an der einheitlichen Mindestkörpergröße scheitern.

Dem EuGH wurde die Frage nach einer mittelbaren Diskriminierung im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgelegt, nachdem die Klägerin in der ersten Instanz bereits Erfolg hatte. Die Luxemburger Richter stellten in ihrem Urteil eine mittelbare Diskriminierung von Frauen fest. Zugleich eröffneten sie aber auch eine mögliche Erlaubnis für diese Ungleichbehandlung und gaben die Frage wieder zurück an die nationalen Gerichte und den Gesetzgeber.

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