In einem aktuellen Verfahren hat der Bundesfinanzhof noch einmal bestätigt, dass Kosten der Disziplinarverteidigung steuerlich absetzbar sind. Ausdrücklich wird nicht dabei unterschieden, ob es sich dabei um den Vorwurf eines innerdienstlichen oder eines außerdienstlichen Pflichtenverstoßes handelt. Daher erstellen wir im Rahmen unserer anwaltlichen Tätigkeit Rechnungen, die ausdrücklich das Disziplinarverfahren benennen. So erleichtern wir unseren Mandant:innen die Angabe im Rahmen der Steuererklärung.
amtlicher Leitsatz
Rechtsverfolgungskosten eines Berufssoldaten für ein gegen ihn geführtes Wehrdisziplinarverfahren sind als Werbungskosten abzugsfähig.
Die Entscheidung lautet im Volltext:
[…]
Das FG hat die Rechtsanwaltskosten des Klägers für seine Vertretung im Wehrdisziplinarverfahren zu Recht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) berücksichtigt.
1. a) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, das heißt wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die ‑‑wertende‑‑ Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen „auslösenden Moments“, zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (z.B. Senatsurteile vom 08.03.2022 – VI R 19/20, BFHE 276, 336, BStBl II 2022, 633, Rz 16; vom 14.01.2021 – VI R 15/19, BFHE 272, 42, BStBl II 2021, 453, Rz 11 und vom 16.01.2019 – VI R 24/16, BFHE 263, 449, BStBl II 2019, 376, Rz 8).
b) Kosten der Rechtsverfolgung (Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten) teilen grundsätzlich die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 19.07.2022 – IX R 18/20, BFHE 278, 85, BStBl II 2023, 173, Rz 19 und vom 13.04.2010 – VIII R 27/08, Rz 10 sowie BFH-Beschluss vom 07.05.2015 – IX B 146/14, Rz 4). Ist Gegenstand des Rechtsstreits ein Vorgang der Privatsphäre (zum Beispiel das Bestehen eines Erbrechts), so sind die Kosten der Rechtsverfolgung nicht abzugsfähig (BFH-Urteil vom 17.06.1999 – III R 37/98, BFHE 189, 123, BStBl II 1999, 600). Der Abzug von durch einen Strafprozess verursachten Rechtsverfolgungskosten als Werbungskosten setzt voraus, dass die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Tat in Ausübung und nicht nur gelegentlich der Berufstätigkeit begangen worden ist (BFH-Beschluss vom 13.12.2016 – VIII R 43/14, Rz 16; Schmidt/Krüger, EStG, 42. Aufl., § 19 Rz 110 „Prozesskosten“). Bei zivil- oder arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten besteht ein Zusammenhang zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Streitigkeit das Arbeitsverhältnis betrifft (BFH-Urteil vom 06.12.1983 – VIII R 102/79, BFHE 140, 219, BStBl II 1984, 314, unter 1.).
c) Die Beurteilung, ob Aufwendungen beruflich oder privat veranlasst sind, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung des FG. Diese ist für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn sie verfahrensrechtlich ordnungsgemäß durchgeführt wurde und nicht gegen Denkgesetze verstößt oder Erfahrungssätze verletzt (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 28.06.2023 – VI R 17/21, BFHE 280, 568, Rz 13, m.w.N.).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Würdigung des FG, nach der die Rechtsanwaltskosten des Klägers für dessen Vertretung im Wehrdisziplinarverfahren durch dessen nichtselbständige Arbeit veranlasst sind, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang der Aufwendungen zu den Einkünften aus der Tätigkeit des Klägers als Berufssoldat ergibt sich schon daraus, dass Gegenstand des Verfahrens die Ahndung von Dienstvergehen durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen ist, die sich auf das Dienstverhältnis und das berufliche Fortkommen auswirken (ebenso zum früheren Dienststrafverfahren Senatsurteil vom 25.08.1961 – VI 99/59 S, BFHE 73, 591, BStBl III 1961, 482 und zu einem Disziplinarverfahren BFH-Urteil vom 13.12.1994 – VIII R 34/93, BFHE 176, 564, BStBl II 1995, 457, unter II.1.).
a) Ein (behördliches wie gerichtliches) Wehrdisziplinarverfahren dient ausschließlich der Ahndung von Dienstvergehen im Sinne des § 23 des Soldatengesetzes (SG) durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen (§§ 15, 58, 108 WDO). Kosten eines Soldaten für seine Verteidigung in einem solchen Wehrdisziplinarverfahren haben mithin den Zweck, entweder schon die Feststellung eines Dienstvergehens zu verhindern und/oder jedenfalls die Verhängung einer, sich auf das berufliche Fortkommen/die Höhe der Bezüge auswirkenden Disziplinarmaßnahme ganz oder teilweise abzuwenden. Hieran ändert sich nichts, falls ein außerdienstliches Verhalten Anlass für das Wehrdisziplinarverfahren war. Denn ein solches Verhalten kann nur insoweit Gegenstand eines Wehrdisziplinarverfahrens sein, als sich aus ihm eine Verletzung der in den §§ 7 ff. SG geregelten Dienstpflichten des Soldaten ergibt, insbesondere der in § 17 Abs. 2 Satz 3 SG geregelten außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht.
b) Im Streitfall dienten die Aufwendungen im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Wehrdisziplinarverfahren unmittelbar der Erhaltung der Einnahmen aus dem Dienstverhältnis. Denn sämtliche in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahmen (Kürzung der Dienstbezüge, Beförderungsverbot, Herabsetzung in der Besoldungsgruppe, Dienstgradherabsetzung oder Entfernung aus dem Dienstverhältnis) hätten bei ihrer Verhängung die Einkünfte des Klägers aus seinem Dienstverhältnis gemindert. Zwar dürfen die Wehrdienstgerichte auch einfache Disziplinarmaßnahmen im Sinne des § 22 WDO verhängen. Allerdings erfolgt eine Einleitung eines gerichtlichen Wehrdisziplinarverfahrens gemäß § 93 WDO nur dann, falls zumindest auch die Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme im Raum steht (§§ 41, 98 Abs. 1 Nr. 2 WDO; s. Brinktrine/Oldiges in Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, 4. Aufl. 2020, § 74 Wehr- und Zivilverteidigungsrecht, Rz 181; Weiß in Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Band 1, Yt § 41 WDO Rz 11 und Yt § 93 WDO Rz 22 f. [Stand: Januar 2024]).
c) Die Vorinstanz hat ‑‑anders als das FA meint‑‑ auch zu Recht die zur Abzugsfähigkeit von Prozesskosten eines Strafverfahrens ergangene Rechtsprechung (z.B. Senatsurteil vom 18.10.2007 – VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223) nicht auf Prozesskosten eines Wehrdisziplinarverfahrens übertragen. Denn die beiden Verfahren unterscheiden sich nach Rechtsgrund und Zweckbestimmung wesentlich voneinander. Ein Strafverfahren ist auf die Sanktion der Verletzung eines von der Rechtsordnung allgemein geschützten Rechtsguts gerichtet. Deshalb bemisst sich die Strafe in diesem Fall nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsguts und der Schuld des Täters (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 12.10.1971 – 2 BvR 65/71, BVerfGE 32, 40, unter II.4.b). Ein Veranlassungszusammenhang zwischen einem Strafverfahren und der beruflichen Tätigkeit besteht daher ‑‑wie bereits dargelegt‑‑ nur ausnahmsweise dann, falls dem Steuerpflichtigen eine Tat zur Last gelegt wird, die er in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen hat (BFH-Urteil vom 16.04.2013 – IX R 5/12, BFHE 241, 355, BStBl II 2013, 806, Rz 12; BFH-Beschluss vom 13.12.2016 – VIII R 43/14, Rz 16 und Senatsbeschluss vom 10.06.2015 – VI B 133/14, Rz 5). Dies ist bei einem Wehrdisziplinarverfahren anders, bei dem sich die Disziplinarmaßnahme auf den besonderen Rechts- und Pflichtenstatus der Angehörigen eines bestimmten Berufsstandes bezieht (BVerfG-Beschluss vom 12.10.1971 – 2 BvR 65/71, BVerfGE 32, 40). In diesem Verfahren wird ein ‑‑gegebenenfalls strafbewehrtes‑‑ Verhalten allein daraufhin überprüft, ob sich aus ihm eine ungerechtfertigte und schuldhafte Verletzung von Dienstpflichten ergibt (s. Brinktrine/Oldiges in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, 4. Aufl. 2020, § 74 Wehr- und Zivilverteidigungsrecht, Rz 179).
d) Entgegen der Auffassung des FA schließt ein strafbewehrter, subjektiver Handlungsvorwurf des Dienstherrn als Anlass für das Disziplinarverfahren einen Veranlassungszusammenhang der Rechtsverfolgungskosten zu der beruflichen Sphäre nicht aus, selbst wenn sich dieser Vorwurf als zutreffend erweisen sollte (so zum Dienststrafverfahren bereits Senatsurteil vom 25.08.1961 – VI 99/59 S, BFHE 73, 591, BStBl III 1961, 482). Denn nach § 40 der Abgabenordnung ist es für die Besteuerung grundsätzlich unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (s. Senatsurteil vom 09.12.2003 – VI R 35/96, BFHE 205, 56, BStBl II 2004, 641 und Senatsbeschluss vom 20.10.2016 – VI R 27/15, BFHE 255, 529, BStBl II 2018, 441, Rz 16 ). Strafwürdiges oder verbotswidriges Verhalten ist nicht ohne Weiteres zwingend der privaten Sphäre zuzurechnen, weil die Besteuerung sich grundsätzlich wertungsindifferent nur nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit richtet (s. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.1977 – GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, unter II.3.c sowie Senatsbeschluss vom 20.10.2016 – VI R 27/15, BFHE 255, 529, BStBl II 2018, 441, Rz 15).
3. Schließlich steht einem Werbungskostenabzug auch nicht der Umstand entgegen, dass der Bund dem Kläger die notwendigen Auslagen des Wehrdisziplinarverfahrens gemäß § 140 WDO in einem zukünftigen Veranlagungszeitraum gegebenenfalls zu erstatten hat. Denn eine solche Erstattung hätte nicht die Versagung des ursprünglichen Abzugs zur Folge, sondern sie wäre eine steuerpflichtige Einnahme im Jahr des Zuflusses bei der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen zuvor als Werbungskosten abgezogen wurden (s. Senatsurteil vom 29.09.2022 – VI R 34/20, BFHE 278, 319, BStBl II 2023, 142, Rz 18, m.w.N.).