Der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hat entschieden, dass wesentliche Teile des neuen Beurteilungssystems der Bundeswehr rechtswidrig sind.
Das Bundesministerium der Verteidigung hat im Januar 2007 neue Verwaltungsvorschriften über die dienstlichen Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (ZDv 20/6) erlassen. Maßgebliche Neuerung gegenüber den bisherigen Beurteilungsbestimmungen ist die Vorgabe verbindlicher Richtwerte bei der Bewertung der Leistungen der Soldaten auf ihren Dienstposten. Danach werden alle Soldaten vom Feldwebel/Bootsmann an aufwärts – je nach ihrem Dienstgrad – bestimmten Vergleichsgruppen zugeordnet. Innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe hat sich die Leistungsbewertung an vorgegebenen Mittelwerten oder Mittelwertintervallen zu orientieren, so dass sich eine über das Notenspektrum gestreckte Verteilung der Bewertungen der beurteilten Soldaten ergibt. Ein Abstimmungsprozess zwischen den Vorgesetzten soll sicherstellen, dass die Richtwertvorgaben grundsätzlich auf jeder militärischen Ebene eingehalten werden.
Der 1. Wehrdienstsenat hat in dem Verfahren eines Soldaten nach der Wehrbeschwerdeordnung entschieden, dass eine derartig weitreichende Umgestaltung des Beurteilungssystems nicht allein im Erlasswege eingeführt werden durfte. Dienstliche Beurteilungen sind als wesentliche Grundlage für Personalentscheidungen mit ausschlaggebend für das Fortkommen des Soldaten und für die Verwirklichung des in der Verfassung verankerten Leistungsprinzips. Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und der Wesentlichkeitstheorie bedurfte die Einführung des Richtwertesystems deshalb einer normativen Grundlage, zumindest in Gestalt einer Regelung in der Soldatenlaufbahnverordnung. Da es bereits hieran fehlte, musste der Senat über eine Reihe rechtlicher Zweifelsfragen, die sich im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Richtwertesystems stellten, nicht mehr entscheiden.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, mit der die angefochtene Beurteilung aufgehoben wurde, hat über den entschiedenen Einzelfall hinaus Bedeutung. Beurteilungen, die auf den Richtwertvorgaben und den damit zusammenhängenden Vorschriften über die Abstimmungsgespräche beruhen, sind rechtswidrig.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. Mai 2009, Az. 1 WB 48.07