Die Formulierung „In der Gesamtschau …“ genügt in der Begründung des Gesamturteils einer dienstlichen Beurteilung nicht den Anforderungen der Rechtsprechung, um eine ordnungsgemäße Gewichtung der bewerteten Einzelmerkmale darzustellen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist in seinem Urteil vom 24.11.2017 (Az. 13 K 10214/16) darauf hin, dass es sich dabei nur um eine „inhaltsleere Floskel“ handelt, der „kein weitergehender Erkenntniswert“ zukomme.
Zu dem zweiten Versuch, einen Beamten des nordrhein-westfälischen Ministeriums der Finanzen (im ersten Durchgang hieß es hier noch „Finanzministerium“) zu beurteilten, stellte das Verwaltungsgericht zudem heraus, dass sich die beurteilte „Eignung“ des Beamten für sein derzeitig ausgeübtes Amt grundlegend von der am Ende der Beurteilung zu bewertenden „Beförderungseignung“ unterscheidet. Die prognostische Entscheidung bezüglich der Beförderungseignung dürfe nicht mit der retrospektiven Beurteilung des Beamten vermischt werden und könne erst nach [!] einem abschließend gebildeten Gesamturteil erfolgen.
Das Verwaltungsgericht führt in den Entscheidungsgründen dazu aus:
[…]
I. Ausgehend von diesen Grundsätzen leidet die erneute dienstliche Beurteilung zum 30. Juni 2014 ebenfalls an mehreren Rechtsfehlern.
1. Zunächst hat der Beklagte insoweit den Beurteilungsmaßstab verfehlt, als in das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung offenbar prognostische Erwägungen zur Beförderungseignung des Klägers eingeflossen sind. Sowohl bei den Einzelmerkmalen als auch bei dem Gesamturteil sind jedoch nur die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in den Blick zu nehmen und zum Gegenstand der Bewertung zu machen, die der Kläger im Beurteilungszeitraum gezeigt hat. Dies hat das Gericht bezogen auf das Leistungsmerkmal „Sozialverhalten“ bereits in dem vorangegangenen Urteil vom 2. Mai 2016 im Einzelnen ausgeführt. Für die Eignung gilt nichts anderes. Mithin ist der Gegenstand des Eignungsurteils hier nicht als Prognose darüber anzusehen, ob und wie der Beamte die Aufgaben des erstrebten Amtes in Würdigung seiner (bisherigen) fachlichen Leistung und der Eigenschaften, die seine (gegenwärtige) Befähigung ausmachen, (in Zukunft) voraussichtlich erfüllen wird.
Generell für ein solches Verstandnis des Begriffs Eignung jedoch Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und Richter, Loseblattsammlung, Stand Juni 2017. B I Rz. 85, 113a.
Für eine Eignungsprognose ist vorliegend kein Raum, weil es hier nicht um die Eignung des Klägers für ein angestrebtes Amt, sondern für das innegehabte Amt geht. Es ist retrospektiv zu beurteilen, in welchem Ausmaß der Kläger den Eignungsanforderungen im Verhältnis zur Vergleichsgruppe während des Beurteilungszeitraums entsprochen hat. Dieses Verständnis folgt unmittelbar aus der Systematik des vom Beklagten praktizierten Beurteilungswesens, wie sie sich den Richtlinien für die Beurteilung und Beförderung der Beamtinnen und Beamten des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen (BuBR-FM 2011) und dem Beurteilungsvordruck entnehmen lässt. Danach ist nämlich zwischen den Begriffen „Eignung“ und „Beförderungseignung“ zu unterscheiden. Während die Leistungs-, Befähigungs- und Eignungsbeurteilung gemeinsam auf das Gesamturteil führen (vgl. Ziffer 7.3 BuBR-FM 2011), wird – in einem separaten weiteren Schritt – aufbauend auf dem Gesamturteil eine Aussage zur Beförderungseignung getroffen (vgl. Ziffer 8 BuBR-FM 2011, wonach die Zuerkennung der Beförderungseignung an ein bestimmtes Gesamturteil gebunden ist). Dem entspricht der Aufbau des Beurteilungsvordrucks: Zunächst wird – quasi als Resultat der zusammenfassenden Würdigung – das sich aus der Leistungs-, Befahigungs- und Eignungsbeurteilung zusammensetzende Gesamturteil ausgeworfen, erst danach ist anzukreuzen. ob der Beamte zur Beförderung geeignet ist. Ausgehend von dieser Systematik sind die Begriffe „Eignung“ und „Beförderungseignung“ nicht, auch nicht teilweise, deckungsgleich, sondern gekennzeichnet durch eine unterschiedliche Blickrichtung, einerseits bezogen auf den zurückliegenden Beurteilungszeitraum und andererseits als Prognose der zukünftigen Bewährung des Beamten im nächsthöheren Statusamt.
Dass der Beklagte die gebotene Vorgehensweise sozusagen „auf den Kopf gestellt“ hat, indem er, statt zunächst als Ergebnis einer in der zusammenfassenden Würdigung erfolgten Gewichtung und Abwägung das Gesamturteil zu treffen und erst dann über die Beförderungseignung des Klägers zu entscheiden, Erwägungen zur Beförderungseignung bereits in das Gesamturteil hat einfließen lassen, folgt aus dem Satz „Aufgrund dessen erscheint der Beamte nicht geeignet, eine Referatsleitung zu übernehmen“ in der zusammenfassenden Würdigung. Soweit der Beklagte dagegen einwendet, dass auch die Beurteilung der Eignung in das Gesamturteil einfließen müsse, ist dem zwar zuzustimmen. Erst dadurch, dass die BuBR-FM 2011 (auch) eine Eignungsbeurteilung vorsehen, werden sie § 92 Abs. 1 LBG NRW gerecht, wonach Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamtin oder des Beamten dienstlich zu beurteilen sind. Die Frage ist aber, ob der Beklagte dabei den Begriff der „Eignung“ (siehe hierzu § 2 Abs. 2 der Bundeslaufbahnverordnung: Eignung erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind) ausschließlich bezogen auf den Beurteilungszeitraum angewendet oder (jedenfalls auch) prognostisch zukunftsbezogen ausgefüllt hat. Dass letzteres der Fall ist, ergibt sich nicht nur aus dem soeben zitierten Satz in der zusammenfassenden Würdigung, der nach Ansicht des Gerichts allein so verstanden werden kann, dass mit ihm nicht die im Beurteilungszeitraum gezeigte Eignung, sondern die Beförderungseignung des Klägers gemeint ist, sondern in gleicher Weise aus der Einlassung des Beklagten im Klageverfahren. So heißt es auf Seite 2 des Schriftsatzes vorn 16. Dezember 2017, dass „das Gesamturteil aus der gezeigten Leistung und Befähigung im aktuellen Statusamt und der daraus abgeleiteten Qualifikation für das ausgeübte und angestrebte Statusamt (Eignung) hergeleitet wurde“ (Hervorhebung durch das Gericht). An anderer Stelle, auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 13. Oktober 2016, führt der Beklagte aus, dass „bei der Findung des Gesamturteils unter Einbeziehung der Eignung (mit Blick auf die Anforderungen an eine Referatsleitung)“ der Kläger nur in jeder Hinsicht dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe entsprochen habe (Hervorhebung gleichfalls durch das Gericht). Hieraus ergibt sich in aller Deutlichkeit, dass die Begriffe Eignung und Beförderungseignung in unzulässiger Weise parallel verwendet bzw. vermischt werden. was dazu führt, dass die Eignung des Klägers nicht nur an den Anforderungen des innegehabten Amtes, sondern – insoweit wie die Beförderungseignung -jedenfalls auch an den Anforderungen des nächsthöheren Statusamtes bzw. einer Referatsleitung gemessen wurde. Da die Eignungsbeurteilung ihrerseits das Gesamturteil beeinflusst und ein bestimmtes Gesamturteil wiederum Voraussetzung für die Zuerkennung der Beförderungseignung ist, gleicht die Handhabung des Beklagten einem Zirkelschluss.
2. Zudem fehlt es nach wie vor an einer ordnungsgemäßen Begründung des Gesamturteils. Die dienstliche Beurteilung des Klägers ist dadurch geprägt, dass einerseits die Bewertung sämtlicher Einzelmerkmale – mit Ausnahme des Leistungsmerkmals „Sozialverhalten“ – überdurchschnittlich ausgefallen ist, andererseits dem Kläger jedoch mit der Note „befriedigend“ nur ein durchschnittliches Gesamturteil zuerkannt wurde. Angesichts dieser lnkongruenz war es geboten, die auf das Gesamturteil führende Abwägung und Gewichtung der Einzelmerkmale sowie die hierfür maßgebenden Gründe in der dienstlichen Begründung offenzulegen. Dabei ist der Beklagte auf halbem Wege stehen geblieben. Zwar enthält die zusammenfassende Würdigung nunmehr, anders als in der vorherigen dienstlichen Beurteilung, kritische Ausführungen zum Sozialverhalten des Klägers. Diese werden aber nicht in Beziehung gesetzt zu der überdurchschnittlichen Leistung und Befähigung im Übrigen, weshalb sich ein Abwägungs- und Gewichtungsvorgang nicht im Ansatz erkennen lässt. Der Beklagte hätte erläutern müssen, dass und aus welchen Gründen er dem Leistungsmerkmal „Sozialverhalten“ gegenüber den anderen Leistungs- und Befähigungsmerkmalen ein Gewicht beimisst, das so auf das Gesamturteil durchschlägt, dass es für dieses bestimmend wird und die anderen Leistungs- und Befähigungsmerkmale in ihrer Bedeutung zurücktreten lässt.
Hierfür genügt die Formulierung „In der Gesamtschau …“ als Erläuterung nicht; bei ihr handelt es sich für sich gesehen um eine inhaltsleere Floskel. Daran ändert sich nichts wenn man den nachfolgenden Satz („Hierbei war zu berücksichtigen, dass das Sozialverhalten des Beamten nicht im vollen Umfang den Anforderungen entspricht und der Beamte sein ggf. vorhandenes Potential bei allen sonstigen Beurteilungsmerkmalen nicht in Gänze ausgeschöpft hat“) in die Betrachtung einbezieht. Dass das Sozialverhalten des Klägers nicht im vollem Umfang – sondern eben nur im Allgemeinen – den Anforderungen entspricht, ergibt sich bereits aus der Vergabe des Punktwerts „3“ (= entspricht im Allgemeinen den Anforderungen) bei der Leistungsbeurteilung. Mithin wiederholt die betreffende Formulierung lediglich die Bewertung des Leistungsmerkmals „Sozialverhalten“ und gibt zu erkennen, dass diese – was selbstverständlich sein dürfte – in die zusammenfassende Würdigung einbezogen wurde. Ein weitergehender Erkenntniswert kommt ihr nicht zu. Als Erläuterung ungeeignet ist auch der zweite Teil des Satzes („…und der Beamte sein ggf vorhandenes Potential bei allen sonstigen Beurteilungsmerkmalen nicht in Gänze ausgeschöpft hat). Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass entgegen der Ansicht des Klägers mit der Feststellung, ein Beamter habe sein Potential nicht ausgeschöpft, nicht zwingend der Anforderungsmaßstab einer dienstlichen Beurteilung verfehlt wird. Zwar ist der Maßstab nicht an dem einzelnen Beamten, sondern an der Vergleichsgruppe auszurichten; es spricht aber nichts dagegen, die Anforderung, vorhandenes Potential zu nutzen, in gleicher Weise gegenüber allen Mitgliedern der Vergleichsgruppe aufzustellen, wie es hier mit dem Befähigungsmerkmal „Leistungsfähigkeit“ und „Leistungsbereitschaft“ in dem Beurteilungsvordruck geschehen sein dürfte. Zutreffend weist der Kläger allerdings darauf hin, dass die vom Beklagten verwendete Formulierung die Frage aufwirft, wie ein nur „gegebenenfalls vorhandenes Potential Grundlage für den Vorwurf, man habe dieses nicht ausgeschöpft, sein kann. Offenbar war sich der Beurteiler nicht darüber im Klaren, ob der Kläger tatsächlich über ungenutztes Potential verfügt. Damit erweist sich dieser Vorwurf als substanzlos. Abgesehen davon wäre zu erwarten, dass die Nichtausschöpfung vorhandenen Potentials bei der Bewertung des Befähigungsmerkmals „Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft“ ihren Niederschlag findet. Dies gilt umso mehr, als sich der Vorwurf sich auf „alle sonstigen Beurteilungsmerkmale erstreckt, was bedeutet, dass der Kläger (abgesehen vom Sozialverhalten) überall hätte besser sein können, wenn er nur gewollt hätte. Wie eine in einem solchen Ausmaß an den Tag gelegte Verweigerungshaltung, die von dem Beurteiler in der zusammenfassenden Würdigung zudem so stark gewichtet wurde, dass sie (zusammen mit den Defiziten im Sozialverhalten) dazu führte, das Gesamturteil auf „befriedigend“ zu drücken, sich zu dem Umstand verhält, dass das Befähigungsmerkmal „Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft“ mit „stark ausgeprägt“ bewertet wurde, ist nicht nachvollziehbar. Der Begriff „Leistungsbereitschaft“ ist in dem Beurteilungsvordruck erläutert mit „Bereitschaft, mit überdurchschnittlichem Engagement Arbeitsziele zu erreichen“. Bei einem Beamten, der (außer beim Sozialverhalten) überall hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, ist diese Bereitschaft sicher nicht „stark ausgeprägt.“
Eine Gewichtung und Abwägung der Einzelbewertungen in der zusammenfassenden Würdigung der dienstlichen Beurteilung war schließlich nicht im Hinblick „auf das Zusammenspiel der Beurteilung mit der in den Beurteilungs- und Beförderungsrichtlinien bereits erfolgten Grundabwägung der einzelnen zu beurteilenden Leistungs- und Befähigungsmerkmale (fünf- und vierstufige Skala)“ – so der Beklagte auf Seite 2 der Klageerwiderung vom 13. Oktober 2016 – entbehrlich. In seinem Schriftsatz vom 16. Dezember 2016 erläutert der Beklagte sein diesbezügliches Vorbringen dahingehend, dass der Befähigungsbeurteilung im Vergleich zur Leistungsbeurteilung dadurch ein höheres Gewicht zukomme, dass mehr Einzelbewertungen in das Gesamturteil einflössen, wogegen die Bewertungsskala bei den Leistungsmerkmalen breiter angelegt sei, sodass ein einzelnes Leistungsmerkmal dadurch im Vergleich zu einem einzelnen Befähigungsmerkmal schwerer Wiege. Was sich daraus in Anwendung auf den konkreten Fall ergeben soll, wie sich damit das Durchschlagen des Leistungsmerkmals „Sozialverhalten“ auf der Ebene des Gesamturteils erklärt, obwohl doch die überdurchschnittliche Befähigungsbeurteilung im Vergleich zur Leistungsbeurteilung gerade aus einer größeren Zahl von in das Gesamturteil eingeflossenen Einzelbewertungen besteht und auch die anderen Leistungsmerkmale mit dem ihnen nach der Breite der Bewertungsskala zukommenden Gewicht gerade besser bewertet wurden als das Leistungsrnerkmal „Sozialverhalten“ zeigt der Beklagte nicht auf; seine Ausführungen bleiben abstrakt. Ohnehin genügt eine nachträgliche Plausibilisierung des Gesamturteils den rechtlichen Anforderungen nicht. Schon in dem vorangegangenen Urteil vom 2. Mai 2016 hat das Gericht den Beklagten unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
vgl. BVerwG. Urteile vom 17 September 2015-20 27.14 – u.a., juris, Rz. 11, 30, 36 f, –
darauf hingewiesen, dass – zum einen – es bei einer „Ankreuzbeurteilung“ wie hier einer Begründung insbesondere dann bedarf, wenn die Beurteilungsrichtlinien für die Einzelbewertungen und das Gesamturteil unterschiedliche Bewertungsskalen vorsehen, weil dann zu erläutern ist, wie sich die unterschiedlichen Bewertungsskalen zueinander verhalten und in das Gesamturteil übersetzt wurden, und dass – zum anderen – die angestellten Überlegungen in der Begründung des Gesamturteils selbst zum Ausdruck kommen müssen, weil sonst nicht erkennbar ist, wie das Gesamturteil aus den Einzelmerkmalen hergeleitet wurde. Eine solche Begründung lässt auch die neue dienstliche Beurteilung des Klägers vermissen. Abgesehen von der unzureichenden Abwägung und Gewichtung de Einzelmerkmale, siehe oben, ist ihr nach wie vor nicht zu entnehmen, wie sich die unterschiedlichen Bewertungsskalen zueinander verhalten und in das Gesamturteil übersetzt wurden.
II. Sonstige Gründe, die zur Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung führen, bestehen nicht. Insbesondere widerspricht die Bewertung des Leistungsmerkmals „Sozialverhalten“ entgegen der Ansicht des Klägers nicht der Bewertung anderer Beurteilungsmerkmale, die Komponenten enthalten, die auch beim Sozialverhalten eine Rolle spielen. Dies hat der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 16. Dezember 2016 (dort unter Ziffer 5.) überzeugend dargelegt. Insbesondere trifft es zu, dass das Merkmal „Sozialverhalten“ und bestimmte andere Einzelmerkmale sich allenfalls teilweise überschneiden, sodass die Bewertungen keineswegs identisch ausfallen müssen.