Sie sind Journalist und recherchieren für einen Radio-Beitrag oder einen Podcast zum Thema 2,5%-Sperrklausel in NRW? Wenn Sie uns in der Eile nicht mehr persönlich erreichen und sprechen können, stellen wir Ihnen gerne folgende O-Töne zur Verfügung.
Die Fragen beantwortet Rechtsanwalt Robert Hotstegs, der als Fachanwalt für Verwaltungsrecht den Organstreit zum Az. VerfGH 21/16 vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen vertreten hat. Ein Urteil liegt noch nicht vor, die Urteilsverkündung ist für den 21.11.2017, 10:30 Uhr angesetzt.
Bitte übersenden Sie uns einen Mitschnitt und gerne auch eine Mitschrift Ihres Beitrages an kanzlei@hotstegs-recht.de.
Wenn an diesem Sonntag Kommunalwahl in NRW gewesen wäre, …?
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Rechtsanwalt Robert Hotstegs: …dann wäre die Kommunalwahl verfassungswidrig. Das Originelle an der Sache wäre nur, sie wäre verfassungswidrig, weil sie der Landesverfassung entspricht. Denn dort steht heute noch eine 2,5%-Sperrklausel drin für die Wahlen zum Rat, zum Kreistag, zu den Bezirksvertretungen und zur Verbandsversammlung im Regionalverband Ruhr. Und genau diese 2,5%-Sperrklausel ist aber verfassungswidrig; sie verstößt nämlich gegen das Grundgesetz und deswegen gehen wir davon aus, dass der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen sie am Dienstagmorgen kippen wird.
Woher kommt diese Zuversicht, die Beratungen des Gerichts sind ja geheim und die Urteilsverkündung erst am Dienstagmorgen?
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Rechtsanwalt Robert Hotstegs: Das stimmt. So ganz genau können wir natürlich noch nicht wissen, was im Urteil des Verfassungsgerichtshofs drinsteht. Aber es gibt doch schon sehr eindeutige Hinweise. Im Oktober hat eine mündliche Verhandlung zu dieser Frage stattgefunden. Acht Parteien haben den Organstreit vor das Verfassungsgericht gebracht. Und die Verfassungsrichter haben sich sehr lange Zeit genommen, haben sehr kritische Fragen gestellt. Aber einseitig in die Richtung des Landtages und seines Prozessbevollmächtigten, also nicht in Richtung der Antragsteller. Die Verfassungsrichter haben auf ihre alte Rechtsprechung hingewiesen, die schon mehrere Sperrklauseln gekippt hat. Also alles in allem deutet sich doch an, dass diese Sperrklausel keinen Bestand mehr haben kann und dass das Grundgesetz eben der Landesverfassung auch an dieser Stelle vorgeht.
Gibt es dann also keine Spannung und keine Überraschungen mehr?
Rechtsanwalt Robert Hotstegs: Doch, spannend wird es auch. Denn eine Frage war auch zwischen den Antragstellern umstritten. Das ist nämlich die Frage: ist die Sperrklausel, die 2,5%-Sperrklausel auch verfassungswidrig hinsichtlich der Bezirksvertretungen, die wir ja in den Großstädten haben, und hinsichtlich der Verbandsversammlung im Regionalverband Ruhr. Da gab es nur zwei Parteien, die beantragt haben, dass auch diese Sperrklausel für verfassungswidrig erklärt werden soll. Deswegen entscheidet der Verfassungsgerichtshof eben auch für Bezirksvertretungen und die Verbandsversammlung im Regionalverband Ruhr. Das bleibt noch spannend, wie sich das Gericht da positionieren wird. Da müssen wir am Dienstag mal ganz genau hinhören.
Was bedeutet die Entscheidung juristisch?
Rechtsanwalt Robert Hotstegs: Juristisch ist das Urteil, wenn es so kommt, wie wir es erwarten, ein Knaller. Man kann das wirklich nicht deutlicher genug beschreiben, nicht höher genug aufhängen. Hier wird eine Norm in der Landesverfassung vom Landesverfassungsgericht – von unserem Verfassungsgerichtshof in Münster – für verfassungswidrig erklärt. Das kann man für eine rein theoretische Frage halten. Aber die Landesverfassung kippt am Ende quasi an sich selber. Die Frage, ob es verfassungswidriges Verfassungsrecht geben kann, hört sich immer an wie aus dem Lehrbuch. Hier an dieser Stelle hat sie der Landtag jetzt quasi aufgeworfen und die Parteien haben sie eben vor das Gericht getragen. Und am Ende sieht es so aus, das Gericht wird es beantworten: ja, es gibt diesen Verstoß der Landesverfassung gegen sich selber und daran scheitert eben auch der Landtag, obwohl er dachte, er hätte sich von der kompletten Rechtsprechung des Gerichts freigeschwommen.
Und was bedeutet sie politisch für den Landtag, die Räte und Kreistage?
Download: Rechtsanwalt Robert Hotstegs, „Sperrklausel: kein Rat handlungsunfähig“, M4A-Datei
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Rechtsanwalt Robert Hotstegs: Politisch bleibt erstmal alles beim Alten, nämlich bei dem alten Modus der letzten Kommunalwahlen wie wir sie hier in Nordrhein-Westfalen erlebt haben. Das heißt wir haben weiterhin die Chance, dass kleine Parteien, kleine Wählergemeinschaften eben auch in die Räte, Kreistage und die anderen Gremien einziehen. Der Ball liegt dann erstmal wieder beim Landtag. Er kann sich darüber Gedanken machen, ob er das Kommunalwahlrecht vielleicht an anderer Stelle verändern möchte. Aus meiner Sicht gibt es hier überhaupt gar keine Notwendigkeit. Denn, wenn das Verfahren eins gezeigt hat, dann ist das vor allen Dingen: das Land NRW hat landauf, landab, zwischen Rhein und Weser keinen einzigen Rat gefunden, der handlungsunfähig wäre. Keiner hat die Waffen gestreckt. Das heißt, alle erleben durchaus lange Sitzungen, viele Anfragen und vielleicht auch schwierige Meinungsfindungen. Aber das scheint kein echtes Demokratieproblem zu sein. Deshalb kann sich zwar, auch in Zukunft, das Kommunalrecht weiterverändern, es muss sich aber nicht ändern. Und vor allen Dingen kann es eben jetzt im Moment weiter den Willen der Bürgerinnen und Bürger besser abbilden. Sie alle können eben ihre Stimme noch besser und wirkungsvoller wieder abgeben. Das hätte die Sperrklausel verhindert.