Mülheim. Juristisch wie politisch kommt Bewegung in das vom Rat verworfene Bürgerbegehren. Dessen Initiatoren wollen heute Klage einreichen.
In den Streit um das vom Rat verworfene Bürgerbegehren Bruchstraße kommt unerwartet Bewegung, juristisch wie politisch. Die Initiatoren des Begehrens wollen schon heute eine Klage an das Düsseldorfer Verwaltungsgericht abschicken. Das Mandat dafür erhielt der Münsteraner Verwaltungsrechtler Wilhelm Achelpöhler. Gleichzeitig öffnet sich die FDP dem Gedanken, den Rechtsstreit zu umgehen und einen Ratsbürgerentscheid zu befürworten. Den Anstoß dazu gab: ein Jurist.
Die Liberalen haben ihre Position zum Bürgerbegehren als einzige Fraktion absichern lassen – durch ein Gutachten des Düsseldorfer Anwalts Robert Hotstegs. Er ist wie Achelpöhler einer der wenigen Spezialisten auf diesem Rechtsgebiet. In die laufende Ratssitzung am 15. Dezember hinein erreichte FDP-Fraktionschef Peter Beitz zunächst das Resultat. Auch Hotstegs hält das Begehren für unzulässig. „Das hat uns beruhigt Nein sagen lassen“, erklärte Beitz gestern.
Neues Recht ohne Deckungsvorschlag
Doch Hotstegs, der schon viele Begehren in ganz NRW beraten und vertreten hat, ging in seinem 15-seitigen Gutachten viel weiter. „Ich wollte der ungewöhnlichen und misslichen Situation in Mülheim umfassend gerecht werden“, so Hotstegs. Nach altem Recht war die Kostendeckung für ihn nicht umfassend genug beschrieben; just das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat zu den formalen Anforderungen schon früher genaue Vorgaben gemacht. Aber, „und das ist ein großes Aber“, sagt Hotstegs: Seit Mittwoch, 21. Dezember, gilt eine neues Recht. Und nach dem entfällt der Deckungsvorschlag.
Zulässig wäre das Begehren aus Sicht des Fachjuristen damit noch immer nicht. Denn die Neuregelung schreibt eine Kostenschätzung der Stadtverwaltung vor. Die enthielt der Begehrensaufruf nicht, konnte ihn nicht enthalten, weil er ja bereits im August formuliert wurde. Kurzum: Die Bürger hatten keine Chance, sich rechtskonform zu verhalten – und aus genau diesem Dilemma könnte die Lösung erwachsen.
Ausführliche Begründung fehlt
„Die Rechtsprechung kann nicht Unmögliches erwarten“, sagt Hotstegs und tut es seiner Erfahrung nach auch nicht. Schon 2007 hat das Oberverwaltungsgericht Münster in einem vergleichbaren Fall entschieden. Auch damals stand ein Begehren zwischen altem und neuem Recht. Damals ermöglichte das Gericht das Bürgeransinnen rundheraus. Ohne ausführliche Begründung, wie Hotstegs bedauernd anmerkt. Als Anwalt wünscht er sich da Aufschluss, und das hat er der FDP auch ins Gutachten geschrieben: Eine Klage sei auf jeden Fall anzustreben.
Den Politiker Beitz beschäftigt eine andere Lösung, wie sie auch Hotstegs als Variante skizziert. Der Stadtrat könnte sich die Frage – „Soll der Schulstandort Bruchstraße erhalten bleiben?“ – zu eigen machen und von sich aus die Bürger zur Wahl rufen. Ratsbürgerentscheid heißt das Verfahren, das nicht mal einen Kostendeckungsvorschlag benötigt.
Das Problem daran: Er bräuchte eine Zweidrittel-Mehrheit im Rat. Bislang waren CDU und FDP dagegen. Das aber muss nicht so bleiben, sagte Beitz jetzt. Er ist gespannt, welche „werbenden Anstrengungen“ die Befürworter dieser Lösung bis zur Ratssitzung am 16. Januar unternähmen. Und er erwartet, dass die Berater des Begehrens „endlich zugeben, mit Formulierungen gegen die Warnung des Rechtsdezernenten einen Fehler gemacht zu haben“. Ein Satz, der auf SPD-Parteigeschäftsführer Klare gemünzt ist.
Auch eine Berufung ist möglich
Unterdessen geht das Begehren den juristischen Weg weiter. Der Münsteraner Anwalt habe ihnen gute Erfolgsaussichten bescheinigt, sagten die Initiatoren. Im Gegensatz zu Rechtsdezernent Steinfort – und zu Hogstegs – halte Achelpöhler den Kostendeckungsvorschlag für ausreichend.
Sollte eine für Januar mögliche Eilentscheidung des Gerichts im Sinne der Initiatoren ausfallen, müsste der Rat erneut zusammentreten und erst die Zulässigkeit feststellen. Auch eine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht ist möglich. Dort wäre ebenfalls Eile geboten, denn die Anmeldetermine für die Hauptschulen sind am 7. und 8. März.
Detlef Schönen und Frank Helling